MS HANSEATIC: Expedition Nordostpassage – Interview mit Kapitän Thilo Natke

MS HANSEATIC: Expedition Nordostpassage. Nach der aufsehenerregenden Premiere im Jahr 2014 – die HANSEATIC war das erste nicht-russische Passagier-Schiff, dem die Durchfahrung der so genannten NOP gelungen ist – startet das Expeditionsschiff nun zu seiner zweiten Reise. Zum Auftakt hat der PASSAGEN BLOG die Gelegenheit für ein Interview mit Kapitän Thilo Natke

Datum: 19.08.2016
Tags: #expeditionen #mshanseatic
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Eine Expedition in die teils noch immer unbekannte Weiten des Sibirischen Polarmeers: Die Reise startet im norwegischen Tromsø, einer Stadt, in der schon viele Expeditionen ihren Auftakt nahmen. Die Nordostpassage beginnt hinter Murmansk


MS HANSEATIC: Expedition Nordostpassage – Interview mit Kapitän Thilo Natke. 2014 ist der HANSEATIC eine vielbeachtete Premiere gelungen: Als erstes nichtrussisches Passagierschiff gelang die Durchfahrung der Nordostpassage. Nachdem die BREMEN ein Jahr später dran war, steht für die HANSEATIC nun die zweite Reise durch die so genannte NOP an. Wie bei der Premiere hat Kapitän Thilo Natke das Kommando über das wendige Expeditionsschiff mit der höchsten Eisklasse. Und kurz Zeit für ein Interview mit dem PASSAGEN BLOG.

Es ist Seetag. Die HANSEATIC ist bei bestem Wetter – blauer Himmel, sommerliche 16 Grad – unterwegs in der Barents See, mit Kurs auf Franz Josef Land. Am Sonntag wird das Schiff dort eintreffen, und es sollen die erste Anlandung mit den Zodiacs unternommen werden. Kapitän Thilo Natke sagt: „Wir haben drei Tage Zeit für diese Inselgruppe und planen, fünf verschiedene Inseln zu besuchen. Der heutige Seetag gehört den Vorbereitungen für unsere Abenteuer in der Nordostpassage, z.B. Briefings, Vorträge und die Ausgabe von Gummistiefeln für die Landungen.“ Und bietet Zeit für das Interview zum Auftakt einer besonderen Reise…


PASSAGEN BLOG: Unter welchen Vorzeichen ist diese Reise gestartet?

Kapitän Thilo Natke: Wir sind gestern bei strahlendem Sonnenschein aus Murmansk ausgelaufen, wo das Schiff von den russischen Behörden für den Transit durch die NOP abgefertigt worden ist. An Bord befinden sich 123 Crew-Mitglieder aus 11 Nationen und 147 Passagiere aus 13 Nationen. Am Vortag wurden in Tromsø noch 82 Tonnen Proviant und Ausrüstung übernommen. Es befinden sich ferner 500 Tonnen Treibstoff und 600 russische Seekarten an Bord.

Die Wettervorhersage für die nächsten Tage sieht weiterhin sehr gut aus. Das erste Eis erwarten wir bei Kap Tscheljuskin (dem nördlichsten Punkt des eurasischen Festlandes) zu sehen. Wir beobachten täglich die aktuellen Eiskarten. Jahreszeitlich bedingt hat sich das Packeis bereits weit zurückgezogen und sollte unsere Passage nicht behindern. Andererseits hoffen wir natürlich, unseren Passagieren auch das Erlebnis der Fahrt durch Packeis bieten zu können, denn das gehört ja zu einer Expeditionsreise durch die Arktis dazu.

Anders als bei der Premiere im Jahr 2014, die von Nome nach Bodø führte, folgt die HANSEATIC diesmal bei ihrer zweiten Reise durch die Nordostpassage der klassischen Route der Erstbefahrung. Was bedeutet das für Sie als Kapitän?

Als Kapitän auf einem Expeditionsschiff ist man natürlich den historischen Hintergründen des Fahrtgebietes immer verbunden und empfindet es als etwas Besonderes, wenn man den Entdeckern bzw. Erstbefahrern historischer Routen in deren Kielwasser folgt. Das gilt für Amundsen in der Nordwestpassage wie für Shackleton in der Antarktis. Die Gedanken gehen dann oft an diese Männer zurück, die vor gerade einmal einhundert Jahren unter ganz anderen Bedingungen in dieser unwirtlichen Umgebung unterwegs waren. Heute fahren wir mit einem Luxusschiff und mit großer Gewissheit einer sicheren und pünktlichen Ankunft.


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Bei der Premiere hat die HANSEATIC einen Nord-Rekord aufstellen können. Die BREMEN konnte kürzlich bei einer Grönland-Expedition auch eine enorme Nordposition erreicht. Wie bewerten Sie die Chancen auf einen neuen Rekord?

Der „Nordrekord“ der NOP-Premiere im Jahr 2014 war auf eine ungewöhnlich günstige Eislage und eine große Zeitreserve im Fahrplan zurückzuführen. Es ist auf dieser Reise nicht vorgesehen, einen neuen Rekord aufzustellen. Hinzu kommt, dass unsere Navigationsgeräte jenseits von ca. 85° nur noch eingeschränkt genau funktionieren – man bräuchte für noch größere Nordbreiten spezielle Geräte.

Worauf freuen Sie sich ganz besonders?

Da wir auf der NOP 2014 aufgrund behördlicher Einschränkungen Franz-Josef Land nicht besuchen durften, freue ich mich besonders darauf, diese interessanten Inseln erstmalig anlaufen zu dürfen. Ich hoffe, überall zusammen mit den Passagieren an Land gehen zu können.

Haben Sie eigentlich je recherchiert, wie viele Menschen es ungefähr geben könnte, die – wie Sie und einige Crew-Mitglieder – behaupten können: Ich bin zweimal die Nordostpassage gefahren?

Das ist schwierig zu beantworten. Es gibt auf dem „Nördlichen Seeweg“ (wie die Nordostpassage in Russland genannt wird) in bescheidenem Umfang kommerziellen Frachtverkehr. Hinzu kommen die russischen Eisbrecher, die auf diesem Seeweg regelmäßig unterwegs sind. Unter dem Strich sind es jedoch sicher nur wenige hundert Menschen, die hier mehr als einmal hindurch gefahren sind.


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Die Fotos entstanden während und nach der Premieren-Reise der MS HANSEATIC durch die Nordostpassage. Fotos: Archiv und Susanne Baade. Interview: Dirk Lehmann


Hier finden Sie die Übersichtsseite zu den Expeditionsreisen in die Arktis mit MS BREMEN und MS HANSEATIC. Und dieser Link führt zum Beitrag über die Premierenreise der HANSEATIC durch die Nordostpassage im Jahr 2014, Kapitän und diverse Lektoren berichten.

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