Die nördlichsten Seehunde der Welt: eine BREMEN-Expedition nach Spitzbergen

Zwei „Steine“ in der Ferne erheischen die Aufmerksamkeit einiger Gäste und sorgen dafür, dass die Würstchen beim Barbecue kalt werden. Der Biologe Prof. Dr. Oliver Krüger berichtet über eine BREMEN-Reise nach Spitzbergen – zu den nördlichsten Seehunden der Welt…

Datum: 15.07.2018
Tags: #lektor #msbremen #expeditionen #robbe #seehund
Seehund SB 231


von Dr. Oliver Krüger (Text und Bild)


Die nördlichsten Seehunde der Welt. Geplant war an diesem Abend eigentlich „nur“ ein gemütliches, rustikales Barbeque am Strand des Möllerhafens im Krossfjord von Spitzbergen, das für die Schiffe von Hapag-Lloyd Cruises ein fester Bestandteil einer jeden Spitzbergenreise ist. Nachdem wir an Land gelangt sind, und die Vorbereitungen für die zünftige Grillfete noch laufen, vertreten wir uns ein wenig die Beine. Die hocharktische Tundra erblüht im Frühsommer. Aber viele der Gäste scheint es in eine geschützte Bucht zu ziehen, in der schon ein Lektor steht, und auf zwei längliche Steine auf Steinen im Wasser deutet.


Expedition Spitzbergen: Mit MS BREMEN zu den nördlichsten Seehunden der Welt


Bei näherem Hinsehen entpuppen sich diese länglichen Steine als Robben, die sich in unmittelbarer Nähe zum Strand ausruhen. Hier oben bei über 79° N kommen einem sofort die Namen der arktischen Hundsrobben in den Sinn: Bartrobbe, Sattelrobbe oder die kleine Ringelrobbe. Weit gefehlt. Bei diesen Exemplaren handelt sich um zwei Seehunde (Phoca vitulina), die vielen aus der Nordsee bestens bekannt sind. Wie können diese Tiere hier, nur etwas mehr als 1000 Kilometer südlich vom Nordpol, überleben?


Seehund SB 407

Dass sie mit diesen arktischen Gewässern gut klarkommen, ist offensichtlich: die beiden sind gut genährt und lassen sich überhaupt nicht stören. Der Seehund ist mit einer Länge von bis zu 1,90 Metern und einem Gewicht von 140 Kilogramm eher eine kleine Robbe, aber sein Verbreitungsgebiet ist gewaltig. Von der Nordseeküste bis an die amerikanische Ost- und Westküste und bis nach Japan und Kamtschatka kommen diese Tiere vor. Und in Spitzbergen erreichen sie ihre nördliche Verbreitungsgrenze; der letzte nördliche Ausläufer des Golfstroms macht es möglich.

Sie ernähren sich vor allem von Fisch und haben diesem einen entscheidenden Vorteil voraus. Ihre Sinneshaare – oder Vibrissen – an der Schnauze dienen als ultrafeiner Strömungsmesser und detektieren einen Fisch über mehrere Meter im Voraus, auch im trübsten Wasser. Dazu kann die Robbe dann Schwimmgeschwindigkeit und Schwimmrichtung messen, so bleibt dem Kabeljau oder Hering kaum eine Chance zu entkommen.


Expedition Spitzbergen: Angesichts dieser phonotypischen Plastizität wird manches Würstchen kalt


Jagen scheint für die beiden auf den Felsen aber im Moment so gar nicht auf dem Aktivitätsplan zu stehen. Im Grunde steht eher gepflegtes Ausruhen auf der To-Do-Liste. So kann jeder Gast nach Lust und Laune diese nördlichsten Seehunde der Welt bestaunen, deren Vorkommen hier oben eindrucksvoll belegt, wie anpassungsfähig Individuen ein und derselben Tierart in unterschiedlichen Lebensräumen sein können. Was der Biologe als phänotypische Plastizität bezeichnet.

Jenseits der Fachtermini bleibt das Staunen und die Freude über diese unverhoffte Begegnung, bei der einige von uns selbst Würstchen und Steak erst einmal kalt werden lassen.


Seehund SB 252

Prof. Dr. Oliver Krüger forscht am Department of Animal Behaviour der Universität Bielefeld. Diverse Forschungs- und Studienreisen haben ihn bereits in die Arktis und Antarktis geführt. Als Lektor und Guide begleitet er diese BREMEN-Reise nach Spitzbergen.
Fotos: Archiv

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