Expedition Kamtschatka und Tschukotka

Ganz im fernen Osten Russlands tut sich eine bizarre Landschaft auf, geprägt von Vulkanen und Nebel, Eis und Einsamkeit. Begleiten Sie die Expedition der HANSEATIC nach Kamtschatka und Tschukotka. Lesen die die Berichte von Expeditionsleiter Stefan Kredel und Lektor Knut Edler von Hofmann

Datum: 30.06.2014
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Im Juni 2014 hat sich die HANSEATIC auf eine Expedition entlang der äußersten Ostküste Russlands begeben: Kurilen, Kamtschatka, Bering Insel, Tschukotka und schließlich hinüber nach Nome, Alaska. Eine Reise vorbei an einer von Vulkanen geprägten Landschaft – man begegnet Walrössern und Walen, unzähligen Vogelarten, und immer wieder taucht das Schiff ein in dichte Nebelbänke.

Ein Bericht mit Beiträgen von Expeditionsleiter Stefan Kredel und Lektor Knut Edler von Hofmann

 

11. Juni 2014 +++ Atlasova, Kurilen. In den Morgenstunden passieren wir die Ostküste Kamtschatkas mit Südkurs auf die Kurilen. Von Ferne sieht man die Vulkane, diese präsentieren sich majestätisch im morgendlichen Sonnenschein. Schnee auf den Kuppen der Vulkane, Schnee in den Tälern, sanftes Grün überzieht die Klippen, offene Stellen legen das Tuffgestein frei.

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Höhepunkt des Tages ist sicherlich der Besuch auf der Insel Atlasova, eine der nördlichsten Inseln des Inselbogens der Kurilen. Wenngleich bei Ankunft, diese einzigartig schöne Insel völlig eingehüllt in Nebel und Wolken ist, löst sich langsam der dichte Vorhang auf, und ein grandioser Ausblick auf den prächtigen Vulkan Alaid, in dessen Tälern sich noch Schnee befindet. Wir liegen in der Baklan Bucht vor Anker. Die Alaidskaja Bucht ist teils von Sedimenten des kleineren Vulkans Taketomi zugeweht, sodass sich ein kleiner See hat bilden können, der noch zur Stalinzeit einen offenen Zugang zum Meer hatteImmer wieder begegnet man der Kamtschatka Möwe und dem Eissturmvogel, sogar Kolkraben werden gesichtet .Zurück an Bord lädt am Abend Kapitän Carsten Gerke die Gäste zum Willkommens-Cocktail ein, es folgt das Willkommens-Abendessen.

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12. Juni 2014 +++ Yankicho, Kurilen. Yankicha, oder doch Yankicho, oder einfach nur Ushishir? Eine Insel, verschiedene Namen, bzw. Schreibweisen.

Aber morgens stand erstmal Ketoi auf dem Programm, und als ich auf die Brücke kam, da sah es nicht so prickelnd aus. Dichter Nebel, und doch einiges an Wind. Letzterer nahm sogar noch etwas zu, ersterer (der Nebel) nicht ab. So erreichten wir Ketoi, ohne es zu sehen. Einzig das Radarbild zeigte, dass vor uns eine Insel lag. Aber die Sichtweite im Nebel betrug nur etwa 150 m, gerade mal etwas über eine Schiffslänge. Der Wind nahm zum Glück ab, und ich ging mit einem Zodiac zu Wasser, um zu sehen, ob man denn was sehen könnte. Auf Grund des Radarreflektors am Zodiac konnte die Brücke mich immer auf ihrem Radar verfolgen, und mir Kursanweisungen geben. So fand ich dann mit Kompass in der Hand und Richtungsanweisungen von der Brücke schnell die Insel. Da die Brücke schlecht 8 Boote gleichzeitig losten kann, wurde beschlossen, dass die Tour im Konvoi gefahren würde. Allein das war ein Erlebnis für unsere Gäste, und sicherlich auch für manch Fahrer(in). Zum Glück war ich schon öfters an der Insel Ketoi gewesen, und so wusste ich, wo ich etwa unser Ziel der Ausfahrt finden sollte, die nördlichen Pelzrobben und die Stellerschen Seelöwen. Und es dauerte nicht lang, da waren sie auch schon um unsere Zodiacs herum. Und ein bisschen weiter erschienen die ersten Felsen aus dem Nebel, mit noch mehr dieser Robben obendrauf. Wobei wir sie erst rochen, dann hörten und schließlich dann erst sahen…

Nachdem wir beide Touren beendet hatten, ging es zu unserem Nachmittagsziel,  Yankicha. Dies ist eine meiner Lieblingsinseln weltweit. Und diesen Ausdruck benutze ich nicht inflationär! Es handelt sich hier um eine kleine Vulkaninsel. Diese hat eine Caldera, in die man bei Hochwasser mit den Zodiacs einfahren kann. Innen drinnen sind die Reste des alten Förderschlotes als aufrechte Felsformation zu sehen. Der Eingang ist so flach, dass bei Niedrigwasser eine Einfahrt selbst mit unseren Zodiacs nicht möglich wäre. Natürlich war der Fahrplan so berechnet worden, dass wir bei aufsteigendem Wasser ankamen.

Über Mittag hatte sich der Nebel etwas gelichtet, und so konnten wir Yankicha auf der Ansteuerung schon in seiner vollen Pracht sehen. Wobei das nur bedingt zutrifft. Denn das Highlight ist es, in der Caldera zu sein. Gleich als wir ankamen, fuhren wir mit dem Erkundungszodiac zum Eingang in die Caldera. Es war zwar noch recht flach, aber wir konnten schon mit den Zodiacs in die Caldera einfahren. Wir setzten 3 Bojen für die Fahrer im Flachbereich des Calderarandes als Marker. Direkt neben unserer Landestelle stieg Dampf auf, und es roch nach faulen Eiern, Schwefelwasserstoff. Manch Gast erwähnt hier immer wieder seine Assoziation mit der Hölle. Für mich, als Geologen, wäre es eher das Paradies. Aber Ansichtsweisen können ja bekanntlich sehr unterschiedlich sein. Egal, es gibt nicht einen Gast, der von diesem Anlauf nicht begeistert ist! Vor allem, weil es von außen wie eine „ganz normale Insel“ aussieht. Aber sobald man hineinfährt, hat man die steil aufragenden Flanken um sich, den alten Förderschlot in der Mitte, und dann auch hoch das Feld mit den Fumarolen und Schwefelablagerungen. Auch der Polarfuchs in seinem dunklen Sommerkleid schaute wieder mal vorbei. Sie sind hier recht zahm, denn natürliche Feinde hat er hier nicht. Ernähren tut er sich vor allem von Vögeln und deren Eiern. Denn auf der Außenseite der Caldera nisten abertausende Vögel während des Sommers. Und da fällt für die Füchse immer wieder mal was ab – im wahrsten Sinne des Wortes. Und an diesen Vogelklippen machten wir auf der Rückfahrt zur Hanseatic dann auch immer noch einen kleinen Schlenker. Es war sicher sinnvoll den Mund geschlossen zu halten, wenn man nach oben sah, bei so viel vollgeladenem Flugverkehr über uns…Und so ging ein sensationeller Tag zu Ende.

13. Juni 2014 +++ Matura und Lovushki, Kurilen. Die MS Hanseatic erreicht gegen 7:00 Uhr die Kurilen Insel Matua. Eine dicke Nebelwand hüllt die Insel ein. Als wir das Ufer mit den Zodiacs erreichen, kann man die Reste einer regen Kriegsvergangenheit noch sehen. Rostige Eisenteile, von Patina überzogene Maschinenteile und Ölfässer, ebenso einen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Anstieg zur Hochebene wird gesäumt von Erlen. In der Stille segeln Kamtschatka Möwen über die Ebene. Erst beim Rückweg zeigt sich der Vulkan, der von den Nebelfetzen von Zeit zu Zeit freigegeben wird.

Gegen 16:30 Uhr erreichen wir die Insel Lovyshki, die sich völlig unseren Blicken entzieht. Selbst wenn wir mit den Zodiacs die Küste erreichen, ziehen dicke Nebelschleier vorüber. Das beständige Schreien und Brüllen der großen Bullen hinter dichten Nebelschwaden wirkt geheimnisvoll. Wir fahren einen Teil der Küste entlang. Auf der Rückfahrt durchfahren wir mit Hilfe des Kompasses die scheinbar undurchdringbare Nebelwand. Die HANSEATIC kommt uns entgegen, das Schiffstyphon ertönt mehrfach, damit wir das Schiff ausmachen können. Am Abend verlassen wir den Ankerplatz.

17. Juni 2014 +++ Mozorvaya, Russland +++ Foto von Kapitän Carsten Gerke

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21. Juni 2014 +++ Nikolskoye und Komandor Bucht, Bering Insel, Kamtschatka. Gegen 7:00 Uhr erreichen wir den Ankerplatz vor der Bering Insel, die größere der Kommandeur Inseln. Nachdem die russische Behörde an Bord der MS Hanseatic unsere Pässe kontrolliert und einen Face-Check vorgenommen haben, können wir mit den Zodiacs an Land. Von der Anlegestelle geht es entlang der Strandstraße, vorbei am Denkmal Vitus Bering, zum Museum und der alten Siedlung der US Amerikaner, die um 1870 auf Anfrage der Russischen Pelz-Kompagnie einen Teil der Urbevölkerung der Aleuten-Inseln hierher brachten. Auf dem höher gelegenen Plateau liegen Gebäude wie die Schule, das Lenin Denkmal, die Kirche und Wohnhäuser der etwa 800 Einwohner von Nikolskoje, dem einzigen Ort auf der Bering Insel. Die vor zwei Jahren eingeweihte, aus Holz errichtete Kirche wurde im traditionellen russisch-orthodoxen Stil neu aufgebaut, nachdem die alte Kirche schon 1917 durch einen Brandunfall zerstört war. Ein wahres Schmuckstück ist die prächtige Ikonostase, farbenfroh gestaltet und mit Goldblatt belegt.

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Heute Mittag wurden besondere Begleiter gesichtet: der größte unter den Seevögeln, mit einer Flügelspannweite von zweieinhalb Metern: der Albatross. Aber auch Wale, darunter Hafenschweinswale, werden gesichtet. Ständige Begleiter sind die Dreizehenmöwe, die Beringmöwe, Kormorane, Schopflunde und Dickschnabellummen.

Am frühen Abend erreichen wir nach einer Umrundung des Südkaps die Ostseite der Bering Insel, die Komandor Bucht. Nach der Ausbootung mit den Zodiacs erreichen wir das Ufer. Wir folgen einem Pfad entlang der Küste, über eine Holztreppe hinauf zu einer Kuppe von Gräsern. Im Jahr 1991 fand man bei einer Ausgrabung in den Gräbern einen einzigen Holzsarg. Daher vermutete man, dass dieser die Überreste von Vitus Bering enthielt, der Leiter der Zweiten Kamtschatka Expedition, der hier im Dezember 1741 verstarb. Nach genauerer Obduktion wurden seine Gebeine wieder hierher gebracht, vergangenen Jahres wurden die Gräber mit neuen granitenen Steinplatten belegt. Heute Abend stehen auch wir hier und gedenken Vitus Bering. Es ist die Lektorin Dr. Gudrun Bucher, die eine Rede am Grabmal Vitus Berings hält. Ergriffen von diesem feierlichen Moment beenden wir die kleine Zeremonie mit einem Schluck Aquavit. Nach zwei Stunden verlassen wir diesen besonderen Ort und nehmen Kurs auf die Bucht Natalii an der Nordostküste Kamtschatkas.

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24. Juni 2014 +++ Gavriil Bucht, Tschukotka. Die Gabriels Bucht erreichen wir schon am frühen Morgen, die Ausschiffung mit den Zodiacs beginnt um 8:30 Uhr. Einige Wale schwimmen in der Bucht, Braunbären werden gesichtet. Die karge Landschaft Kamtschatkas: Torflandschaft, Feuchtgebiete, Lagune. Die verschneiten Berge in stahlgrau-blauer Färbung bilden ein einzigartig schönes Panorama. Man geht durch das Feuchtgebiet auf polsterartigem Torf und wie bunte Flecken überziehen die Flechten in braunen und gelben, rötlichen und dunkelgrauen Farbtönen auf den blanken Steine und Felsen. Flechten und Moose wechseln sich ab mit blühenden Pflanzen: Silberwurz, Rosmarinheide, Alpenazalee, Tränende Herz. Nach einem ergiebigen Spaziergang an Land kehren wir zurück zur HANSEATIC. Am Mittag nehmen wir den Anker auf, fahren hinaus in den Golf von Anadyrsk und nehmen Kurs auf Preobrazhenija, immer wieder werden Grauwale gesichtet.

Am Abend lädt Kapitän Carsten Gehrke in die Explorer Lounge zum Abschieds-Cocktail ein, im Marco Polo Restaurant wird das Kapitäns-Gala-Dinner serviert. Nach dem Abendessen verabschiedet sich der Hanseatic Crew Shanty Chor begleitet von der Festival Band.

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25. Juni 2014 +++ Preobrazhenija und Achen Lagune, Tschukotka. In den Morgenstunden erreichen wir die Küste der Tschukotka Halbinsel. Ein 2-Meilen breiter Gürtel aus Meereis und ein weiteres Eisfeld von 2-Meilen innerhalb der Bucht von Preobrazhenija versperren uns den Weg. Daher nimmt der Kapitän den Kurs entlang der Küste. Die HANSEATIC bahnt sich ihren Weg durch die Eisschollen, entlang der Eisgrenze, man hört und spürt den leichten Zusammenstoß der Eisschollen mit der Schiffsaußenwand. Wir nehmen Kurs parallel zur Küste in Richtung Achchen. Auf einigen Schollen entdecken wir einzelne Ringelrobben, die Sonne kämpft sich durch die dichte Wolkendecke. Das diffuse Licht und der dunkle Streifen am Horizont, das gleißende Weiß der Eisschollen und die arktische Kälte lassen eine geheimnisvolle Atmosphäre aufkommen.

Vor dem Mittagessen erkunden wir die Stimmung direkt vor Ort, mit den Zodiacs geht es durch die Eisschollen zur Verkostungsstation. Dort wird uns allen mitten auf dem Meer Sekt angeboten. Der elegante Schwung der Dünung hält die träge Eisfläche in sanfter Bewegung, einem schweren Teppich gleich. Das Klatschen der Wellen an die Schollen und das leise Knistern und Knacken des Meereises ist eine nicht endende Komposition von Geräuschen. Die prächtigen Farben im Eis changieren vom hellsten Weiß in dunklere Grau- und Brauntöne und heben sich ab vom türkisfarbenen Blau.

Die HANSEATIC liegt vor der Bucht von Achchen. Auch hier liegen noch restliche Eisschollen, die für uns kein Hindernis sind, um die Landseite zu erreichen. Eine weite Lagune ragt weit ins Landesinnere, sie ist verbunden mit einem Süßwassersee. Nach der Anlandung am Kiesstrand läuft man durch ein Feuchtgebiet mit Torfpolstern, zur linken wie zur rechten Seite einer Senke kann man die leichten Höhen hinaufgehen. Von den Hügeln hat man eine phantastische Aussicht über die Lagune, den See und das Meer. Bei Windstille, bedecktem Himmel und milden Temperaturen lohnt sich ein ausgedehnter Spaziergang durch das Gelände. Nur wenige Meter vor der Anlandestelle zeigt sich plötzlich in majestätischer Stille ein Grauwal. Man blickt wie gebannt aufs Wasser und erhofft jeden Moment, den Wal wieder auftauchen zusehen. Er kreuzt nahe vor der Küste und wer am Ufer steht, darf diesem Schauspiel zusehen. Langsam zieht er ab, auch wir kehren zurück zur HANSEATIC. Wir verlassen unseren Ankerplatz und nehmen Kurs auf Providenya.

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27. Juni 2014 +++ Nome, Alaska. Die Ankunft in Nome erfolgt planmäßig. Der ca. 3.500 Einwohner zählende Ort empfängt uns sonnig, aber kühl und windig. Wir steigen in orangefarbene Schulbusse und erhalten einen ersten Eindruck: Welcome in Alaska. Ein kurzer Stopp, um einen Blick auf eine Gruppe von Moschusochsen zu werfen, ist schon der erste Lockruf der Wildnis. In Nome haben sich für den Sommer ca. 60 Moschusochsen niedergelassen, vermutlich, weil sie sich in der Ortschaft vor Bären sicher wähnen.

Die Kataloginfos zur abgelaufenen Reise des Jahres 2014 finden Sie hier, Infos zu den Autoren hier.

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