Der Shackleton Walk. Ein Abenteuer auf Südgeorgien mit der BREMEN
Zum 145. Geburtstag von Sir Ernest Shackleton begeben sich einige Gäste und Crew-Mitglieder auf die Spuren des großen Antarktis-Forschers und überqueren zu Fuß einen Teil der Insel – von der Fortuna Bay nach Stromness. Der Shackleton Walk erinnert an die letzte Etappe einer noch heute beeindruckenden Rettungsaktion.
von Dr. Hajo Lauenstein (Text) und Page Chichester (Fotos)
Ernest Shackleton hatte als Erster den antarktischen Kontinent durchqueren wollen. Doch sein Schiff, die „Endurance“, wurde im Weddell-Meer vom Packeis zerdrückt und sank. Die Mannschaft rettete sich auf das Eis. 15 unendlich lange Monate harrten sie dort aus. Dann startete Shackleton mit einem Teil seiner Männer eine noch heute legendäre Rettungsmission: Mit dem kleinen Beiboot „James Caird“ machten sie sich auf den Weg nach Südgeorgien. Aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz gelang das Husarenstück. Nach 17 Tagen erreichten sie die Insel. Halb erfroren und halb verhungert taumelten sie in der King Haakon Bay an Land. Für drei der Männer, die sich noch kräftig genug fühlten, begann dann ein weiterer Kraftakt – die 36-stündige Wanderung quer über eine völlig unzugängliche, nie zuvor kartierte oder gar je überquerte Gebirgskette, um die Walfangstation Stromness zu erreichen. Dort wollten sie Hilfe finden.
Das letzte Stück dieses Shackleton Walks ist heute unser Ziel. Um sieben Uhr erreicht die BREMEN die Fortuna Bay, den Ausgangspunkt unserer Wanderung. Die Bedingungen könnten kaum besser sein: blauer Himmel mit einigen weißen Wölkchen, leichter Nebel über den rund 1.500 Meter hohen Gebirgsketten, die uns von beiden Seiten einrahmen, vier bis fünf Grad Außentemperatur und nur ein ganz leichter Wind. Auch die mürrischen Pelzrobben, die im Dezember und Januar oft noch im tiefen Tussockgras kauern und die ersten Meter des Aufstiegs fast unmöglich machen, haben sich inzwischen zurückgezogen.
Eine Umkehr ist nicht mehr möglich: die BREMEN hat die Bucht verlassen
So meistern wir den kurzen, aber steilen Anstieg hinauf bis zum ersten Plateau. Damit liegt der anstrengendste Teil der Wanderung bereits hinter uns. Durch eine sanft ansteigende, flache Graslandschaft mit brütenden Riesensturmvögeln geht es höher und höher hinauf. Der Blick zurück zeigt uns, dass eine Umkehr nun keine Option mehr ist. Die BREMEN verlässt gerade die Fortuna Bay mit Kurs auf die Stromness Bay, wo sie uns wieder an Bord nehmen soll. Das Gras wird immer spärlicher, bis schließlich eine hügelige, von Gletschern und Frostsprengung geformte Schotterlandschaft aus Schiefern und Sandsteinen vor uns liegt. Nach etwa einer Stunde breitet sich dann in einer kleinen Talmulde vor uns der Crean Lake aus, benannt nach Thomas Crean, einem der zwei Begleiter Shackletons. Nach einer kleinen Pause geht es um den See herum in Richtung Nordnordost zum höchsten Punkt unserer Wanderung – auf immerhin 320 Meter (Shackleton musste bis auf knapp 1.900 Meter Höhe aufsteigen).
Jetzt kann man in der Ferne schon die Bergkämme erkennen, die das Tal von Stromness umschließen. Die Dampfpfeife, die einst die Männer der Walfangstation zur Arbeit rief, und deren Ton Shackleton und seine Männer von unserer Position aus hörten, ist längst verstummt. Bereits 1931 wurde der Walfang hier eingestellt, noch bis 1961 diente der Hafen als Schiffsreparaturwerft.
Bald stehen wir am steilen Abhang zum Tal von Stromness und genießen den überwältigenden Blick ins Tal und auf die Reste der alten Walfangstation. Was für ein Anblick musste das damals für Shackleton, Worsley und Crean gewesen sein, wissend, dass man den anderthalb Jahre dauernden, oftmals hoffnungslos scheinenden Überlebenskampf, tatsächlich gewonnen hatte. Auch für uns ein fantastischer Anblick – erst recht, weil pünktlich zu unserer Ankunft am Aussichtspunkt, die BREMEN in die Bucht einfährt.
Wir erreichen den Strand mit seinen Pelzrobben und rostenden Maschinen
Ein kurzer, steiler Abstieg führt uns zu einem Aussichtspunkt, an dem wir einen etwas längeren Fotostopp einlegen. Dann machen wir uns an den steilen, oftmals auch rutschigen Abstieg ins Tal. Zuerst über eine Schotterpiste. Dann gegen Ende über einen wassergesättigten steilen Grashang, der einige von uns doch auf den Hosenboden zwingt.
Schließlich erreichen wir den Talboden. Ein Abstecher führt uns noch zum Shackleton Wasserfall. Der findet in einem engen Tal, zwischen grell-grünem Moos, üppigem Gras und den allgegenwärtigen, überall an der Kleidung klebenden Stachelnüsschen seinen Weg in die breite Ebene von Stromness. Für Shackleton und seine Männer muss dieser Anblick ein unfassbares Glück gewesen sein. Umso mehr, als es dem Polarforscher später tatsächlich auch noch gelingen sollte, die auf Elephant Island zurück gelassenen Mitglieder seiner Mannschaft zu retten.
Wir erreichen durch eine von Wasserläufen durchzogene, weite Schotterebene den Strand mit seinen Pelzrobben und Pinguinen, den verlassenen Häusern und verrostenden Maschinen. In Sichtweite wartet bereits die BREMEN mit einer heißen Dusche, warmen Kabinen und einem dampfenden Mittagessen auf uns. Und da endet ein echtes kleines Abenteuer, in fantastischer Landschaft und geschichtsträchtiger Umgebung. So ereignisreich können Expeditionstage in der Antarktis sein.
Dr. Hans-Joachim Lauenstein wurde in Bremen geboren, doch schon während seines Studiums der Mineralogie und Geologie zog es ihn hinaus in die Welt. Fasziniert von fremdartigen Landschaften durchwanderte er Wüsten und Dschungel, Vulkan- und Hochgebirge. Seit 2007 arbeitet er als Lektor für Hapag-Lloyd Cruises.