Weltreise mit Stil: Mit der EUROPA zur Meuterer-Insel Pitcairn

Mit MS EUROPA von Miami nach Dubai – in 141 Tagen von der Neuen in die Alte Welt: Panamakanal, Südsee, Osterinsel, Great Barrier Reef, Philippinen, Indien, Dubai. In den 20 Wochen berichten wir von Bord, führen Interviews, publizieren Nachrichten von unterwegs – Statusmeldungen einer sehnsüchtig machenden Reise. Etwa über den Besuch der Meuterer-Insel Pitcairn

Datum: 27.11.2014
Tags: #meuterei #pitcairn #kapitänhartmann #besonderemomente #bounty

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Pitcairn: eine paradiesische Insel, die den Meuterern der “Bounty” als Zuflucht diente – aber kein Paradies war

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ein Beitrag von Kapitän Olaf Hartmann

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Die magischen Augen der steinernen Moais richteten noch lange ihre unergründlichen Blicke auf uns, als wir den Kurs von Rapa Nui, der Osterinsel, zu unserem nächsten Ziel absetzten. 2000 Kilometer grenzenloser Ocean lagen vor dem Bug unserer EUROPA, bevor sich der einsame Felsen aus dem Meer erhob: die Insel Pitcairn! Seit Tagen ist die Spannung unter unseren Gästen spürbar und die bangen Fragen, ob eine Anlandung möglich sein würde, häufen sich. Jeder hat von der berühmtesten Meuterei der Seefahrt gehört, doch das historische Eiland, auf das die Meuterer flüchteten und sich niederließen, haben nur wenige Menschen betreten. Am heutigen Morgen wird die vor uns liegende Insel sanft von der hinter dem Schiff aufgehenden Sonne beschienen. Die grünen, von Bäumen, Buschwerk und anderen tropischen Pflanzen bedeckten Hänge, der bis zu 347 Meter hohen Insel, sind eine Wohltat für unsere Augen. Auch rötlich-brauner Lavaboden kommt an einigen erodierten Stellen oder schroffen Kanten zum Vorschein. Es ist ein malerisches und eindrucksvolles Bild, dass uns nach den Seetagen in seinen Bann zieht; dennoch präsentiert sich uns diese, von Wellen und Gischt umsäumte und nur viereinhalb Quadratkilometer große Insel, ebenso unnahbar, wie anziehend. Auffällig und eindrucksvoll ist eine große Tanne, die alleinstehend, auf dem höchsten Punkt der Insel, wie ein stolzer Christbaum an der Mastspitze thront und uns erinnert, dass morgen 1. Advent ist.

Wir navigieren unser Schiff an die Nordseite der Insel heran, an der zwischen dem üppigen Grün die weißen Häuschen der Bewohner von Adamstown hervorscheinen. Diese, verstreut am Hang liegenden Häuser, bilden die Hauptstadt der Insel, des letzten britischen Überseeterritoriums im Pazifik. Langsam, fast tastend, nähern wir uns mit unserer EUROPA dem Ufer der Bounty Bay, an der die Meuterer einst landeten. Später wurde dort der jüngst erneuerte, schützende Kai des winzigen Hafens gebaut, der unterhalb der flachen Häuser des Ortes liegt, zu dem ein steiler Weg hinaufführt. Doch es steht schlecht um unser Abenteuer, auf dieser, von weltbekannter Geschichte umwobenen Insel, anlanden zu können. Die Dünung, diesmal aus dem Nordosten kommend, ist viel zu hoch, als dass wir unsere Gäste sicher aus- und einbooten könnten. Einige kräftige Wellen rütteln schon ordentlich an unserem Schiff, als wir das Boot mit den britischen Amtsträgern von Pitcairn zur Einklarierung erwarten. Keinesfalls wollen wir aber unseren Plan zu schnell aufgeben und versuchen unser Glück dicht an den Klippen der felsigen Westküste der Insel, in deren Nähe auch der kleine Versorgungfrachter, die „Claymore 2“, ankert. Unsere Hartnäckigkeit erweist sich als richtig, denn die Insel bietet dort einigermaßen Schutz vor der Dünung, so dass wir unter Zuhilfenahme unserer Manövriereinrichtungen hinreichend sichere Bedingungen für den Bootsverkehr gewährleisten können.

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Die wahre Meuterei auf der “Bounty”: Der ungeheure Vorgang wird dokumentiert im Museum von Pitcairn

Nachdem die Insulaner ihre beiden Langboote aus Aluminium einsatzbereit gemacht haben, beginnen wir mit dem Ausbooten, das unseren Gästen sowie den helfenden Matrosen, eine ordentliche sportliche Leistung abverlangt, denn die See ist hier immer bewegt. Mit etwa 35 Menschen an Bord, verlassen die Boote unser Schiff und fahren eineinhalb Seemeilen durch das unruhige Meer und entlang der Küste der Insel, bevor sie zur Anlegestelle in Bounty Bay gelangen. Dabei sind gelegentlich einige Spritzer Seewasser über die Reisenden gehuscht, doch hat es sich vermutlich nur um segnendes „Taufwasser“ gehandelt, denn alle 300 Landgänger sind gesund zurückgekehrt – dafür bin ich besonders dankbar!

Die einheimischen Insulaner, fast ausnahmslos Nachfahren der Meuterer und durch die Familiennamen wie Christian, Heywood oder Adams ausgewiesen, empfangen uns mit Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und großartigem Einsatz. Wir dürfen neugierig durch den kleinen Ort spazieren, den Friedhof mit dem Grabstein des letzten, 1829 verstorbenen „Meuterers“ John Adams besuchen oder einen Blick von dem wild zerklüfteten „Christian’s Cave“ auf den Ort und die Bounty Bay werfen. Die Kirche und das kleine Museum sind geöffnet und Relikte des in der Bucht versunkenen Schiffes erwecken die Erinnerung an die Romane, Theaterstücke und Filme der vielfach erzählten Geschichte der „Meuterei auf der Bounty“. Der smarte Clark Gable als Fletcher Christian kommt einem ebenso in den Sinn, wie der furchteinflößende, menschenverachtende und düstere Charles Laughton in der Rolle des Captain Bligh. Andere, unvergessliche Paarungen der Bounty-Verfilmungen sind Marlon Brando, vereint mit der tahitianischen Schönheit Tarita, und Trevor Howard oder Mel Gibson und Anthony Hopkins. Gut und Böse stehen einander in Literatur und Film unversöhnlich gegenüber, doch durch die befreiende Flucht nach Pitcairn wird die Wahrheit zur schönen romantischen Legende verklärt, einem Happy End, dem man nur zu gerne Glauben schenken möchte.

Historisch ist allerdings lange belegt, dass es viele Gründe gab, die die Meuterei auslösten und dass William Bligh kein Unmensch war, sondern einer der hervorragendsten Seefahrer seiner Zeit, der schon auf der dritten Weltumsegelung bei James Cook als Offizier diente. Sicher haben die unbeschreiblich schlechten Bedingungen, unter denen Seeleute damals leben und arbeiten mussten, eine große Rolle gespielt. Viel angenehmer ist der Gedanke, in einem Südseeparadies mit bezaubernden, freizügigen Mädchen zu leben, was den Meuterern nach ihrem 5-monatigen Aufenthalt auf Tahiti, als eine realistische Möglichkeit erschienen sein mag. Das Paradies ist auf Erden für gewöhnlich nicht so leicht zu entdecken und auch die Meuterer mussten sich in erster Linie vor der harten englischen Justiz in Sicherheit bringen. Die Insel Pitcairn, die erst 1867 gesichtet und nach seinem Entdecker, dem Seekadetten Robert Pitcairn benannt wurde, bot lange Zeit Schutz vor der gnadenlosen englischen Strafverfolgung, denn sie war um die erhebliche Distanz von 180 Seemeilen falsch kartographiert und lag auf keiner kommerziellen Schifffahrtsroute.

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Das Prinzip der Unerreichbarkeit: Noch heute ist es nicht leicht, in Pitcairn anzulegen. Blick auf die Hafenmole

HMS „Bounty“, deren Name Wohltat und Güte ausdrücken soll, ist durch Brand nahe der Landebucht versunken und konnte nicht mehr von vorbeifahrenden Schiffen entdeckt werden oder der Flucht dienen. Die Stecklinge der Brotfruchtbäume, die dem Auftrag entsprechend in die Karibik transportiert werden sollten, um den Hunger der dortigen Sklaven zu lindern, gelangten dorthin erst Jahre später mit anderen Schiffen. Auf Pitcairn gab es bereits die Brotfrucht, die vermutlich durch frühere polynesische Siedler eingeführt wurde. 2 Kanonen, der Anker und andere Ausrüstungsgegenstände der Bounty konnten durch Tauchexpeditionen in den 50er und 60er Jahren geborgen werden und sind heute als Überreste des kleinen, nur 27,5 Meter langen Schiffes ausgestellt.

Die unglaublichen Verfehlungen, die 2006 zum Prozess wegen Kindesmissbrauch auf der Insel geführt haben, sind Geschichte. Heute wird mit diesem Thema sehr offen umgegangen, denn man hat erkannt, dass eine isolierte Gesellschaft Auswüchse entwickeln kann, die sich als eine Art Normalzustand verfestigen können. Viele Kinder gehen heutzutage in Neuseeland zur Schule oder sind dort zur Ausbildung oder im Urlaub. Die Anzahl der dauerhaft auf der Insel lebenden Einwohner nimmt ab und Arzte oder Lehrer kommen nur für eine befristete Vertragsdauer nach Pitcairn.

Die Reisenden von der EUROPA erleben freundliche, sanftmütige Menschen auf der Insel, die gerne mit uns reden und Auskunft geben. Auch der Tausch von Waren kommt sowohl den Inselbewohnern, als auch den Menschen auf der EUROPA sehr gelegen. Gegen Reis, Mehl, Zucker, Salz und Butter tauschen wir frischen Fisch und schmackhafte Bananen von der Insel ein.

Am Nachmittag, ein bisschen später als geplant, verlassen wir das Pitcairn Island. Ein wunderbares Abenteuer hat uns dieser Tag beschert, an dem wir Zeugen von Vergangenheit und Gegenwart, von Kultur und Geschichte, von Verfehlung und Romantik auf dieser einsamen Pazifikinsel sein durften. Aus den Bordgesprächen am Abend klingt ungebrochen Begeisterung für unseren kurzen, intensiven Besuch. Wir sind uns einig, dass wir eine glückliche Zeit auf Pitcairn verbringen durften. Brenda Christian, dem Pitcairn Island Police & Immigration Officer, habe ich eine Mail geschrieben und mich sehr herzlich für alles bedankt, was die Insulaner für uns Besucher getan haben. Hätten wir nicht auf der Insel anlanden können, dann hätte es vielleicht eine kleine Meuterei auf der EUROPA gegeben… und der Kapitän säße jetzt mit seinen Getreuen auf unbestimmtem Kurs im Rettungsboot.

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