„Schneehasen im Spätsommer.“ Die Experten unserer Expeditionsreisen: Oliver Krüger, Biologe und Verhaltensforscher
Erst das besondere Wissen um ein Reiseziel macht eine Destination erlebbar. Experten und Wissenschaftler an Bord unserer Expeditionsschiffe sorgen für tiefe Einblicke, überraschende Begegnungen und unvergessliche Momente. Wir stellen einige dieser Menschen vor – zum Beispiel: Oliver Krüger.
Hapag-Lloyd Cruises: Für welchen Bereich der Wissenschaft stehen Sie?
Oliver Krüger: Biologie, Verhaltensforschung.
Gibt es ein Schlüsselerlebnis, das Sie mit Ihrer Disziplin in Verbindung gebracht hat?
Vor 40 Jahren hat mir als kleines Kind ein Höckerschwan eine Brottüte entrissen, die ich extra zur Fütterung dieses Schwanes dabei hatte. Ich verstand nicht, warum der Schwan so „gierig“ war, das Brot war doch eh für ihn gedacht. Mit diesem Erlebnis begann für mich das Fragenstellen über das Verhalten der Tiere.
Prof. Dr. Oliver Krüger leitet seit 2010 den Lehrstuhl für Verhaltensforschung der Universität Bielefeld. Forschungs- und Studienreisen haben ihn bereits auf alle Kontinente geführt. Als Experte begleitet er regelmäßig Reisen mit unseren Expeditionsschiffen.
Wie lautet der Titel Ihrer letzten Veröffentlichung?
„Intraspecific variation in boldness and exploration shapes behavioral responses to stress in Galápagos sea lion pups“, DeRango, E., Schwarz, J. F. L., Piedrahita, P., Paez-Rosas, D., Trillmich, F. & Krüger, O. (2019) in Behav. Ecol. Sociobiol. 73:166.
Wie kam es zum ersten Einsatz auf einem unserer Schiffe?
Nach zwei mehrmonatigen Expeditionen an Bord der „Polarstern“ war für mich klar, dass ich aufgrund der hohen logistischen Unwägbarkeit nicht in der Antarktis forschen wollte. Aber der Lebensraum hat mich in den Bann geschlagen. Ich bewarb mich bei Hapag-Lloyd Cruises und hatte das Glück, dass das Meeting der IAATO – der International Association of Antarctica Tour Operators –, an dem auch Vertreter des Expeditions-Teams teilnehmen, im Jahr 2002 in Cambridge stattfand, wo ich zu der Zeit als Wissenschaftler arbeitete. Daher fand mein Kennenlern-Gespräch auf einer Parkbank in Cambridge statt. Es war sehr angenehm.
Welche Reise war es?
Die Weihnachtsreise in die Antarktis mit der BREMEN im selben Jahr.
Auf welchen Schiffen und in welchen Destinationen waren Sie mit uns bereits?
Ich bin weltweit in allen Gebieten unterwegs und dies eigentlich auf allen Expeditionsschiffen – auf der BREMEN, der alten HANSEATIC, HANSEATIC nature, HANSEATIC inspiration – und auf Kreuzflügen.
Was ist das Besondere an einer Schiffsreise in diese Regionen?
Die meisten Regionen sind sehr schwer auf dem Landweg zu erreichen, und die Flexibilität der kleinen Schiffe erlaubt einen Einblick in die faszinierendsten Küstenökosysteme der Erde. Dies gilt besonders in den Polregionen, aber auch Inselhopping in der Südsee wäre jenseits eines Expeditions-Kreuzfahrtschiffes nicht so spannend zu realisieren.
Wann beginnt für gewöhnlich der Arbeitstag während einer Expedition?
Ich bin ein ausgesprochener Frühaufsteher, daher schaue ich meist zwischen 4 und 5 Uhr morgens oder bei Sonnenaufgang raus. Es ist auch nach 20 Jahren wunderschön, einen Sonnenaufgang in der Arktis oder Antarktis miterleben zu dürfen. Manchmal beginnt auch die Anlandung schon sehr früh, wenn das Wetter oder die Aktivität der Tiere das sinnvoll erscheinen lassen. Wer einmal um 5 Uhr morgens auf den Salisbury Plains die Königspinguine miterlebt hat, wird das niemals vergessen.
Wie verläuft ein typischer Tag an Bord?
Das Schöne ist, dass es meist keine typischen Tage gibt. Wir reagieren immer wieder auf die Möglichkeiten, die uns gegeben werden. Aber grob gesagt kommt nach dem Frühstück eine Aktivität wie Landung oder Zodiacrundfahrt, dann nach dem Mittagessen wieder eine und nach dem Abendessen entweder noch ein Vortrag oder nochmal raus, denn dafür sind wir ja hier. An Seetagen steht dann eher die Wissensvermittlung im Vordergrund, damit die Gäste das Gesehene einordnen können und Hintergründe noch besser verstehen können.
Was sind die schönsten Momente einer Expeditionsreise?
Es sind für mich die Beobachtungen von Tieren in ihren Lebensräumen, ob klein oder groß. Ich durfte in 2014 mal miterleben, wie eine Schule Orcas einen Buckelwal gejagt hat, 30 Minuten sind wir nah dabei gewesen ohne zu stören und das koordinierte Verhalten war unglaublich spannend. 2015 war ich auf der Premierenreise bis zur westlichen Fjordwelt von Ellesmere Island und dort waren im September überall Schneehasen, die trotz des Spätsommers ihr schneeweißes Winterfell nicht abgelegt hatten, da der Sommer so weit oben so kurz ist. 2017 schafften wir es durch gute Vorbereitung, im Februar im Rossmeer mehrere hundert Kaiserpinguine an einem Tag zu sehen, unbeschreiblich.
Werden Sie auch die Ocean Academy nutzen?
Auf jeder Reise nutze ich die Ocean Academy, denn das akkumulierte Wissen über das jeweilige Ökosystem übersteigt mein Erinnerungsvermögen bei weitem. Auch werden Zusammenhänge hier sehr anschaulich dargestellt, das ist auch eine didaktische Inspiration für Vorträge.
Was darf im Gepäck nie fehlen?
Trotz Ocean Academy die passenden Bücher und Fachliteratur, zum Glück heute zunehmend digital. Zudem bei mir eine Kamera zum Festhalten des Augenblicks.
Beschreiben Sie einen perfekten Glücksmoment für den Experten an Bord…
Wenn in einem der schönsten Ökosysteme der Erde eines der schönsten Tiere der Erde ein spannendes Verhalten zeigt, das ich beobachten und den Gästen näherbringen kann und ich danach durch das Strahlen der Gäste weiß, dass sie diesen Glücksmoment niemals vergessen werden – und allein dadurch zum Botschafter für eben dieses einzigartige Ökosystem werden.
Fotos: Oliver Krüger, Archiv