Expedition Nordostpassage: Vom Zauber des Eises
Mit der HANSEATIC eine Weltpremiere erleben: Als erstes nicht-russisches Passagierschiff wird sie die Nordostpassage befahren – den legendären Seeweg zwischen Beringmeer und Barentssee. Es ist eines der großen Abenteuer der Seefahrt. Im PASSAGEN BLOG begleiten wir die Reise mit Hintergrundinformationen und aktuellen Berichten von Bord – etwa über die Schönheit des Eises
Die Nordostpassage – der sagenumwobene Seeweg durch das Nordpolarmeer. Viele Entdecker haben danach gesucht, die erste Durchfahrung dauerte mehr als ein Jahr. Die HANSEATIC wird Neuland entdecken auf ihrer Expeditionsreise von Alaska nach Norwegen. Für den PASSAGEN BLOG berichtete ein Team von der Weltpremiere. Doch das Schiff fuhr Tage außerhalb der Reichweite der Kommunikationssatelliten. Wir publizieren die noch fehlenden und sehr schönen Stücke von Bord nachträglich.
Meer hinter Glas: Eine zarte Eisschicht bedeckt den Fjord und bricht klirrend am Bug der HANSEATIC (©Steffen Graupner)
von Steffen Graupner
Meldung von der Brücke +++ Datum: Sonntag, 31. August 2014, 1200 Uhr +++ Position: 80°36‘ Nord, 098°14‘ Ost +++ Ort: östlich der Insel Komsomol +++ Himmel: bedeckt +++ Lufttemperatur: 3,5 Grad +++ Wassertemperatur: 0 Grad +++ Wind: Süd 5 Beaufort +++ Wellenhöhe: 0 Meter +++ Eis: zwischen der HANSEATIC und der Insel liegt ein großes Eisfeld +++ Besonderheiten: Ausfahrt mit Zodiacs in der Mikoyana Bucht zum Eisberge anschauen.
Ein feines gläsern-metallisches Klirren dringt in meinen morgendlichen Schlaf. Noch traumtrunken suche ich nach einer Erklärung für diesen Klang, wo habe ich ein solches Geräusch schon einmal gehört habe? Am ehesten in einem Kriminalfilm, wenn der Meisterdieb mit seiner Beute in einem Sack türmt und das Silber klingelt. Doch dann fällt es mir wieder ein, und ich sprinte an Deck, um der HANSEATIC dabei zuzusehen, wie sie sich durch das dünne Eis bricht, das den Achmatow-Fjord bedeckt.
Minus sieben Grad Lufttemperatur zeigt das Thermometer an und dieser erste Nachtfrost des Herbstes hat den Fjord oberflächlich gefrieren lassen. Die Eisschicht ist weniger als einen Zentimeter dick und zerspringt in unzählige kleinerer und größerer Eisplättchen, wenn sich das Schiff hindurch schiebt. Weder für die HANSEATIC, noch für die Zodiacs ist das Herbsteis ein Hindernis, und wir können Anlanden zu einem Tundra-Spaziergang. Wie das Wasser sind auch die wenigen Pflanzen an Land von einer feinen Eis- und Raureifschicht überzogen. Zauberhaft glitzern die Blüten und Stengel, wie von einer Zuckerschicht überzogen. Perfekte Motive für eine ausgiebige Fotosession.
Fotosession zu den schockgefrosteten Schönheiten: Von zartem Raureif überzogen leuchten die Blumen (©Steffen Graupner)
Am Mittag – inzwischen hat die nun halbhoch stehende Sonne das Eis schmelzen lassen – fahren wir aus dem Achmatow-Fjord heraus und setzen Kurs Nord auf die nördliche der drei großen Inseln Sewernaja Semljas: die Komsomolzen-Insel. Bald sind wir von unzähligen Eisbergen umgeben, deren Form die Fantasie anregen und Anlass geben zu den abenteuerlichsten Namensgebungen. Mir gefällt „Die Eiskrone“ am besten.
Sewernaja Semlja ist zu mehr als der Hälfte seiner Landfläche mit mächtigen Gletschern überzogen, die bis zu 760 Meter dick sind. Insgesamt 5000 Kubikkilometer Eis lasten auf dem Archipel. Die Klimadynamik der vergangenen drei Jahrzehnte hat hier einen Masseverlust von etwa zwei Prozent erbracht, das sind keine dramatischen, aber doch ernstzunehmende Werte.
Ausfahrt in den Skulpturenpark des Frosts: Die HANSEATIC liegt vor Anker, die Zodiacs schwärmen aus (©Steffen Graupner)
Dabei zeigt sich auch hier, dass die Dinge in der Natur nicht immer so einfach liegen, wie wir Menschen es gerne hätten. Denn während die Gletscher auf der Ostseite der Insel schmelzen, wachsen sie an der Westseite an. Das ist insofern verwunderlich, als dass die Laptew-See im Osten etwa ein Grad Celsius kälter ist als die Karasee im Westen. Für dieses Paradoxon gibt es keine Erklärung.
Der große Akademie-der-Wissenschaften-Gletscher, von dem „meine“ Eiskrone ganz sicher stammt, schiebt sich derzeit mit 87 Zentimeter pro Tag in die Laptew-See hinaus, wo an seiner Kante die Eisberge abbrechen. Etwa einen halben Kubikkilometer Eis pro Jahr entlässt der Akademie-Gletscher auf diese Art in die Krenkel-Bucht und bereitet der HANSEATIC ein natürliches, weiß-blaues Amphitheater.
Auf einer Zodiacrundfahrt pirschen wir uns näher an die Eisberge heran, entdecken neue Formen. Als Bergsteiger begeistert mich besonders ein Matterhorn aus Eis. Zu schade, dass ich bei der Anreise nach Nome neben Anzug, Hemd, Laptop und Fotoausrüstung keinen Platz im Rucksack mehr hatte für Steigeisen und Steileisgeräte.
Man kann gar nicht genug davon kriegen, so wunderschön gleiten die Eisberge durch das Wasser (©Steffen Graupner)
Sie interessieren sich für die ganze Geschichte? Alle Einzelberichte zur Premierenreise der HANSEATIC durch die Nordostpassage finden Sie gesammelt hier.