Philosophen der See: Kapitän Christian van Zwamen über Herausforderungen

Datum: 18.10.2015
Tags: #europa2 #kapitänsgespräche #philosophendersee #vanzwamen

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Philosophen der See. In diesen „Kapitänsgesprächen“ bitten wir in loser Folge die Kapitäne von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten zum Interview. Dabei geht es um große Themen: Autorität, Verantwortung, Umwelt, Großzügigkeit. Mit Christian van Zwamen, Kapitän der EUROPA 2, reden wir über Herausforderungen…

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Zum Kapitänsgespräch treffen wir uns auf der Brücke der EUROPA 2. Anfangs ist Kapitän Christian van Zwamen noch im Gespräch mit seinem Team, und wir bieten ihm an, später wieder zu kommen. Aber, nein, kein Problem, er hat diese Zeit extra für uns eingeplant. Er bittet uns, an dem kleinen Tisch neben der Kaffeemaschine Platz zu nehmen. Ein Teller mit belegten Brötchen steht bereit. Nicht für uns, sondern für die Nachtschicht. Der Kapitän schaut noch einmal von der Nock nach unten, dann setzt er sich zu uns…

E2MAG: Lieber Herr van Zwamen, in unserem Gespräch geht es um Herausforderungen. Ist diese Situation, die wir jetzt gerade erleben – Sie geben ab an Ihr Team – für Sie eine Herausforderung?

Christian van Zwamen: Ich kann nicht 24 Stunden am Tag auf der Brücke sein, ich muss meinen Offizieren vertrauen. Und das tue ich. Allerdings lege ich zwar die Entscheidungen in die Hände meines Teams, nicht aber die Verantwortung. Sollte also etwas passieren, stehe ich dafür ein. Wenn wir in weniger bekannten Fahrtgebieten unterwegs sind, ist mein Platz auf der Brücke. Dann bestünde für mich die Herausforderung darin, nicht hier zu sein.

Das Kommando zu haben, 24 Stunden am Tag, für mehrere Monate die Verantwortung zu tragen, ist durchaus eine Bürde. Wie kommen Sie damit klar?

Man wird ja nicht über Nacht Kapitän. Ich bin in den vergangenen sechs Jahren als leitender Offizier auf diversen Schiffen gewesen, zuletzt auf dem Expeditionsschiff MS BREMEN. Dabei übernimmt man mehr und mehr Führungsaufgaben. Man wächst in diese Rolle hinein.

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Da stellt sich die Frage nach der Herausforderung, diesen Beruf ergreifen zu wollen. Sie sind im Ruhrgebiet aufgewachsen. Wie kamen Sie zur See?

Wir haben früher oft Ferien am Meer gemacht, ich fand Schiffe toll. Während meiner Kindheit habe ich davon geschwärmt, Schiffskoch zu werden. Später machte ich dann eine Tischlerlehre, wollte studieren, um Innenarchitekt zu werden, erhielt sogar die Zusage für einen Studienplatz, doch dann musste ich zur Bundeswehr. Ich habe mich zur Marine gemeldet und wurde genommen. Es war eine gute Zeit auf See, und ich entschied, Schiffbau zu studieren. Ich dachte, ich würde Traumschiffe entwickeln, solche wie die EUROPA 2. Es war aber ein stinklangweiliges Maschinenbau-Studium. Nach zwei Semestern habe ich auf Nautik gewechselt. Man kann also sagen: Ich habe mich in meinen Beruf hineingearbeitet.

Wie hat ihre Familie reagiert als sich herausstellte, Sie werden Kapitän?

Meine Eltern haben es bedauert. Ihnen missfiel, dass ich so lange von Zuhause weg sein würde. Mein Bruder hat mich sogar ein wenig beneidet für die Reisen.

Das soll jetzt nicht falsch klingen, aber: Ist „Damen-Besuch“ während der Reise erlaubt?

Selbstverständlich darf mich meine Frau an Bord besuchen. Doch so schön es ist, die Partnerin dabei zu haben, für mich ist es keine Kreuzfahrt, kein Urlaub. Ich muss präsent sein, habe meine Arbeit ständig im Hinterkopf.

Wie kamen Sie zur Passagierschifffahrt?

Eigentlich geht man nach dem Studium auf ein Frachtschiff. Ich habe bei einer kleinen Containerschiff-Reederei angefangen, hatte aber noch Kontakt zu einem Kommilitonen, der bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auf der HANSEATIC war. Der Job auf einem Containerschiff ist einsam, alle bleiben irgendwie unter sich, man hat kaum Kontakt mit den anderen. Nach sechs Monaten an Bord tat ich mich richtig schwer, mich mit Freunden zu treffen. Ich merkte, dass mir das nicht gut tut. Und als mein früherer Kommilitone sagte, bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten suchen sie Leute, nahm ich die Herausforderung an und bewarb mich. Für mich ist es ein großes Glück, hier zu sein. Die Schiffe sind nicht zu groß, hier kennt man noch alle. Zudem sind die Fahrgebiete für einen Nautiker perfekt.

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Was sind das für nautische Herausforderungen, die ein Seemann sucht?

Ich bin lange Jahre auf der MS BREMEN gefahren. Ich bin an Orte gereist, die würde ich bei kaum einer anderen Reederei je zu sehen bekommen. Und in der Antarktis habe ich Momente erlebt, da fehlten mir manchmal einfach die Worte, die Wucht der Eindrücke zu beschreiben. Wenn ich dann als Seemann bedenke, unter welchen Bedingungen etwa die Teilnehmer der Shackleton-Expedition überlebt haben, dann weiß man, welche Herausforderungen andere Zeiten bereit hielten.

Ist Shackleton auch für Sie jemand, dessen navigatorisches Werk Sie bewundern?

Für uns macht es heute schon einen Unterschied, ob wir einen Hafen um 1700 Uhr oder um 1800 Uhr erreichen. Damals ist man ins Unbekannte gefahren. Shackleton hat diese Herausforderungen gesucht. Er ist daran gescheitert und dennoch ein gutes Beispiel dafür, wie man Krisen meistern kann. Dafür bewundere ich ihn. Ich weiß aber nicht, ob ich selbst so ein Abenteurer bin.

Was unterscheidet die Herausforderung vom Risiko?

Wir habe große Freiheiten, etwa Passagen so zu legen, dass wir unseren Gästen etwas bieten können. So ist es unglaublich eindrucksvoll, nachts mit der EUROPA 2 nah am Stromboli vorbei zu fahren. Aber wir meiden das Risiko und prüfen ständig die Bedingungen. In der Seefahrt kann sich alles blitzschnell ändern. Das Wetter, etwa an einem regnerischen Tag wie heute, schlägt um. Ohne Vorwarnung zieht eine Wind- oder gar Sturmböe durch. Deshalb stimmen wir uns im Team in Situationen, die nicht eindeutig sind, ständig ab. Das ist auch eine Herausforderung, die Meinung der anderen zuzulassen.

Was sind eigentlich die größten Herausforderungen im Alltag auf einem Schiff wie der EUROPA 2?

Wir sind eine junge Besatzung, und an Bord gibt es die gleichen Probleme wie auch an Land: Heimweh, Liebeskummer, auch mal Stress, eine ständig neue Umgebung. Doch hier lebt man sogar miteinander, kann abends nicht nach Hause gehen und Abstand nehmen. Dennoch müssen wir im Beruf täglich Höchstleistungen erbringen. Denn das ist es, was unsere Gäste erwarten dürfen. Nicht 95 oder 98 Prozent. Sondern 100 Prozent. Und das ist unsere größte Herausforderung – diese Erwartungen zu erfüllen oder gar zu übertreffen. Es macht Stolz, dass das oft auch gelingt.

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Interview: Dirk Lehmann, Fotos: Susanne Baade

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