Lieblingsplätze. Das große Interview. Kevin Fehling

Datum: 22.11.2015
Tags: #europa2 #lieblingsplätze #kevinfehling

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Lieblingsplätze. Das große Interview. Kevin Fehling. Für das E2MAG laden wir Entscheider und Persönlichkeiten ein auf ein intensives Gespräch: Es geht um das Leben als Reise und um die Arbeit als Leben, um Verantwortung und Wettbewerb, Widersprüche und Zahlen. Den Ort für das Gespräch bestimmt der Gast.

Vor zehn Jahren war Kevin Fehling der jüngste Koch Deutschlands, der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Inzwischen ist er ein Wagnis eingegangen und hat in Hamburg ein Restaurant mit einem völlig neuen Konzept eröffnet – im Zentrum von „The Table“ steht ein großer Tisch vor einer offenen Küche. Im November wurde Fehling, der lange in der Küche der MS EUROPA gearbeitet hat, erneut mit drei Sternen ausgezeichnet.

Sein Lieblingsplatz: überall, wo er sich zu Hause fühlt, im Moment „The Table“ in Hamburg

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The Table, Kevin Fehling, 3 Guide Michelin Sterne Restaurant in Hamburg. ©Susanne Baade, The Smiling Moon
The Table, Kevin Fehling, 3 Guide Michelin Sterne Restaurant in Hamburg. ©Susanne Baade, The Smiling Moon
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Hamburg-Hafencity. In der Shanghai-Allee wird viel gebaut, durch die bodentiefen Fenster des Restaurants „The Table“ kann man den Arbeitern zu sehen. Geht der Blick in die andere Richtung, zeigt sich ein hoher offener Raum: die Wände grauer Sichtbeton, die Decke mit Filzflügeln abgehängt, die Kunstwerk sein könnten oder Akustikmaßnahme, eine große Küche und der Star des Restaurants – ein langer Holztisch in fließender Form und mit schwerer Holzplatte, umgeben von 18 sehr bequmen Lederstühlen. In der Küche laufen die Vorbereitungen für den Abend auf Hochtouren, ein Taxi bringt Ware. Kevin Fehling trägt noch eine Strickjacke, setzt sich zum Interview zu uns und stellt das Smartphone stumm…

E2MAG: Bevor wir dieses Gespräch beginnen: Herzlichen Glückwunsch! Hat es Sie überrascht, dass der Guide Michelin Ihr erst im August 2015 eröffnetes Restaurant „The Table“ bereits im November desselben Jahres mit drei Sternen bewertet?

Kevin Fehling: Es hat mich gefreut, und es erfüllt mich mit Stolz. Wir haben viel und hart gearbeitet für diese Auszeichnung. Allerdings kommt sie nicht von ungefähr, im Restaurant „La Belle Epoque“ des Hotels Columbia in Travemünde waren durften wir ebenfalls drei Sterne tragen. Und inzwischen arbeitet fast das ganze Team aus Lübeck hier. Man könnte auch sagen: Wir sind unserem Anspruch treu geblieben.

Klingt sehr selbstbewusst…

Eine der meist gestellten Frage von Journalisten heißt: „Wie gehen Sie mit dem Druck um?“ Das irritiert mich. Und irgendwann begann ich, mich selbst zu fragen: Habe ich Druck? Inzwischen antworte ich auf diese Frage: „Das ist kein Druck. Schließlich wollte ich es so.“ All die Arbeit, das Streben nach Perfektion, das soll auch belohnt werden. Und als Lohn empfinde ich diese Auszeichnung.

Kochen ist immer Leidenschaft. Es ist mein Leben, ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun.

Sind die drei Sterne auch Lohn für den Mut, dieses Restaurant eröffnet zu haben?

Was ist daran mutig? Es gibt Millionen Restaurants, täglich werden weltweit einige hundert eröffnet… Mut ist für mich etwas anderes. Es verlangt mir Respekt ab, wenn Menschen anderen helfen. Sich aufopfern, das ist mutig. Bei einem Restaurant zeigt sich nach einer gewissen Zeit, ob es funktioniert. Schlimmstenfalls muss man schließen.

Sie haben „The Table“ im Sommer erst eröffnet. Was ist das Konzept dahinter?

Nach zehn Jahren in einem klassischen Gourmet-Tempel hatte ich das Bedürfnis, mich weiter zu entwickeln. Gleichzeitig kam die Frage auf, ob der Gast immer auch den Pomp eines solchen Restaurants möchte. Der hat zweifelsohne seine Berechtigung, in vielen Hotels möchte ich all das gar nicht missen – den gut sortierten Aperitiv-Wagen, den Digestif-Wagen, den Petit Four-Wagen, den Brot-Wagen, den Käse-Wagen… Doch kristallisierte sich für mich so langsam ein Bild heraus von einem Ort mit der Atmosphäre eines Esszimmers bei sehr gut kochenden Freunden, ein lang gezogener Tisch, an dem sich alle treffen, mit einem Glas Wein in der Hand geht der Blick in die Küche, in der ein großartiges Mahl nach und nach Formen annimmt. Aus dem vermeintlichen Paradoxon, Ungezwungenheit und Perfektion zu vermählen, entstand „The Table“.

The Table, Kevin Fehling, 3 Guide Michelin Sterne Restaurant in Hamburg. ©Susanne Baade, The Smiling Moon
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Wie passt das zusammen – Essen wie bei Freunden und drei Sterne?

Genießen ist eigentlich ein geselliger Akt. Wer etwas Besonderes auf dem Teller hat, gerät ins Schwärmen, möchte am liebsten seiner Begleitung oder den Freunden etwas abgeben. Viele Gourmet-Restaurants zelebrieren zwar gute Küche, sie haben sich aber entfernt von dieser Lust am Genuss. Mir fiel auf, dass sich die Menschen gar nicht richtig unterhalten, sie sitzen steif beieinander und „tafeln“. Und selbst nach einem mehrgängigen Menü „mit Weinreise“ – Champagner, begleitende Weine, Digestif – reißt man sich zusammen. Es wird nicht gelacht, keine Fröhlichkeit gezeigt. Ich liebe es, in den Niederlanden oder Belgien zu essen, da herrscht eine ganz andere Atmosphäre. Im „The Table“ wollen wir zeigen, dass Essen auch Spaß und Lebensfreude ist, selbst auf höchstem Niveau.

Wie wird das Konzept angenommen?

Die Atmosphäre ist jeden Abend sehr schön. Die Gäste können kommunizieren, müssen aber nicht. Die Plätze am Tisch sind einander nah genug für das Gespräch über den eigenen Kreis hinweg, aber auch weit genug voneinander entfernt, um Zweisamkeit zu erleben. Einige Gäste haben schon drei, vier Mal bei uns gegessen.

Wie läuft er ab, so ein Abend im „The Table“?

Die erste Stunde verläuft meist recht ruhig. Wir spüren regelrecht, dass unsere Gäste geflashed sind – vom hohen Raum, vom langen Tisch und vom völlig neuen Gourmet-Konzept. Ich begrüße jeden Gast persönlich, anschließend erklären wir die Menüs und Gerichte. Später richten wir direkt am Platz an. Die Qualität ist die gleiche wie in Travemünde, die Atmosphäre allerdings eine ganz andere. Im Laufe des Abends lockert die Stimmung auf, es gibt viele schöne, sehr positive Gespräche.

Essen geht uns alle an. Essen ist Kultur. Wir wollen, dass die Gäste wieder mehr Spaß daran haben.

Diese Gesprächsrunde heißt „Lieblingsplätze“. Ist dies Ihr Lieblingsplatz?

Den Reisen mit der MS EUROPA verdanke ich die Erkenntnis, dass es viele Orte gibt, an denen ich mich wohl fühle, eigentlich überall auf der Welt. Besonders gern bin ich bei meinen Kindern, deshalb ist mein Zuhause mein Lieblingsort. Mein Restaurant ist aber auch mein Zuhause. Also ist das Restaurant ebenfalls ein Lieblingsplatz. Ein Ort, an dem ich angekommen bin. Sie sehen, es ist nicht ganz einfach…

Ein Lieblingsplatz ist vor allem eins nicht – festgelegt?

Kein Ort auf Dauer jedenfalls. Ich gehe gern snowboarden. Das sind intensive Momente, die ich erlebe. Und manchmal sitze ich einfach auf einem Berg, schaue und genieße die Ruhe. Dann ist das mein Lieblingsplatz.

Man bekommt den Eindruck, dass Sie es lieben, unterwegs zu sein. War das schon immer so?

Ich stamme aus Delmenhorst. Bereits im Alter von 17 Jahren begann ich meinen Auszug zu planen, mit 18 war ich weg. Bremen, Hamburg, Süddeutschland, Baiersbronn, MS EUROPA. Wie sehr ich den Stationen meines Lebens verbunden bleibe, zeigte sich im Mai 2015, ich war Gastkoch beim Gourmet-Event EUROPAs Beste. Der Geruch der Küche war für mich wie nach Hause zu kommen, auch ein Lieblingsplatz wenn Sie so wollen.

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Drei Sterne bekommt man nicht für ein ungewöhnliches Restaurant-Konzept, sondern für die Kochkunst. Der Guide Michelin lobt, dass bei Kevin Fehling „jedes Gericht zu einem emotionalen Erlebnis“ wird. Woher nehmen Sie Ihre Kreativität?

Der kreative Prozess ist immer da. Ich schlafe damit ein, ich wache damit auf, manchmal träume ich sogar von Rezepten. Heute Morgen zum Beispiel war da die Idee, ein Tauben-Gericht weiter zu entwickeln. Statt des Geflügels möchte ich einen Rehrücken verwenden, ihn mit Mohn, Hagebutte und einem Kakao-Jus servieren. Aus einer Vorspeise kann auch mal ein Dessert werden und umgekehrt. Die Freiräume für diese Kreativität schaffe ich mir, in dem ich viel Verantwortung auf meine Mitarbeiter übertrage.

Manche Köche entwickeln Rezepte, die den Gast ratlos machen. Wie verhindern Sie, die Bodenhaftung zu verlieren?

Verkopft darf es nur für mich sein, der Gast soll einfach nur schlemmen. Der Geschmack muss überzeugen, auch ohne dass sich die kulinarische Intelligenz in den Vordergrund spielt oder gar aufdringlich wird. So servieren wir eine Bouillabaisse auf drei Tellern – als Maccaron, in einem Tomatenzylinder mit Aioli und als Kabeljau mit einem mit Räucheraal abgeschmeckten Jus. Diese Bouillabaisse ist ein Erlebnis, aber eigentlich eine einfache Küche.

Das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit ist mein Antrieb.

Sie sprechen oft vom „wir“. Sind Sie ein Team-Player?

Ich duze meine Mitarbeiter, sie siezen mich. Hier arbeiten ehrgeizige Köche, die Karriere machen wollen. Und dennoch herrscht eine gewisse Lockerheit. Unser Anspruch ist hoch. Die Rezepte sind komplett nieder geschrieben, abgewogen bis aufs letzte Gramm, so besteht die Gewissheit, dass die Qualität stabil bleibt. Ich möchte, dass wir die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre wirtschaftlich erfolgreich sind. Und ich wünsche uns eine gute Zeit als „The Table“-Family. Denn dieser Beruf ist mehr als Arbeit. Wenn man nur für die zwei freien Tage in der Woche schuftet, dann lohnt sich das ganze Leben nicht.

Sie sind ein spiritueller Mensch?

Mein Hobby ist die Astronomie, ich interessiere mich für Grenzwissenschaften und Religion. Und ich bin mir über die Endlichkeit des Lebens sehr bewusst. Deshalb strebe ich auch danach, so nah wie möglich an der Perfektion zu kochen. Weil ich mir dereinst sagen können möchte, ich habe das Optimum herausgeholt, es hat sich gelohnt, gelebt zu haben. Das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit ist mein Antrieb…

…der Grund für Ihren Ehrgeiz?

Der Tod kann Ansporn sein, im Leben außergewöhnliches zu leisten. Es ist die Quintessenz des Schaffens. Ich habe ein spannendes Buch gelesen, das heißt „Blick in die Ewigkeit“. Es handelt von den Nahtod-Erfahrungen eines Neuro-Chirurgen. Er beschreibt, was ich fühle, wenn ich über mein Leben nachdenke. Darin gibt es den Satz: „Man hat mir nichts erklärt, aber ich habe alles verstanden.“ Das drückt eine Vertrautheit mit dem Sein aus, die auch ich irgendwann erfahren möchte.

The Table, Kevin Fehling, 3 Guide Michelin Sterne Restaurant in Hamburg. ©Susanne Baade, The Smiling Moon
The Table, Kevin Fehling, 3 Guide Michelin Sterne Restaurant in Hamburg. ©Susanne Baade, The Smiling Moon
The Table, Kevin Fehling, 3 Guide Michelin Sterne Restaurant in Hamburg. ©Susanne Baade, The Smiling Moon

Reisen für Genießer

Die Leidenschaft ist es, die Kevin Fehling mit den Genusshandwerkern gemein hat, die an Bord der EUROPA 2 ihre Kunst zeigen: Sterne-Köche, Winzer, Gin-Destillateure, Sommeliers, Barkeeper, Speiseeis-Hersteller und und und. Eine kleine Auswahl:

 

Wer neugierig ist auf die Küche von Kevin Fehling, muss etwas Geduld mit bringen, die Plätze am Tisch sind gut gebucht. Ein Anruf lohnt sich trotzdem.

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