Sir Ernest Shackleton: Der selbstlose Held und seine Antarktis-Expeditionen
Wenn unsere Expeditionsschiffe aufbrechen in die Antarktis, wird im Verlauf der Reise immer auch des letzten großen Entdeckers gedacht – Sir Ernest Shackleton. Doch wer war der Mann, dessen Expeditionen scheiterten, und der doch von allen Seeleuten bis heute verehrt wird? Eine Ausstellung in Südgeorgien gibt Aufschluss.
„Das ist es, was ‚der Boss‘ für sich selbst gewollt hätte: allein auf einer Insel und fernab der Zivilisation, umgeben von der stürmisch tobenden See, in der Nähe einer seiner größten Heldentaten“, schrieb der Schiffsarzt in sein Tagebuch. Er war es, der den berühmten Expeditionsleiter leblos in seiner Kabine an Bord des Expeditionsschiffes „Quest“ gefunden hatte und die Diagnose stellte: Herzinfarkt. Er war es auch, der den Wunsch der Ehefrau umsetzte: Sie hatte telegrafiert, dass ihr Mann es sicherlich bevorzugen würde, statt in seiner britischen Heimat, auf Südgeorgien beerdigt zu werden. Und deshalb finden wir auf einigen Reisen in das Südpolarmeer und in die Antarktis einen Moment des Gedenkens in Grytviken – am Grab von Sir Ernest Shackleton, der am 5. Januar 1922 gestorben ist. Vor 100 Jahren.
Eine unfassbare Rettungstat macht ihn zum Vorbild für Seefahrer
„Der Boss“ – so wurde Shackleton voller Ehrfurcht von seiner Mannschaft genannt. An drei großen Antarktis-Expedition war der ehrgeizige Seemann beteiligt. Und obwohl keine davon erfolgreich verlief, verehrten die Briten den Entdecker, der in Vorträgen von seinen Abenteuern berichtete. Und den eine unglaubliche Rettungstat unsterblich machte: Nachdem sein Expeditionsschiff „Endurance“ im Packeis gesunken war, erreichten die Überlebenden im April 1916 das einsame, nur von Pinguinen besiedelte Elephant Island. Ende des Monats machte sich Shackleton mit fünf Seemännern in einem kleinen Rettungsboot auf, um Hilfe zu holen. In 15 Tagen segelten sie rund 800 Seemeilen – 1.500 Kilometer – nach Südgeorgien. Da wanderten sie quer über die Insel zur Walfangstation Stromness. Vier Monate später konnte Shackleton die zurück gelassenen Männer abholen. Alle überlebten. Für diese enorme nautische Leistung, für diese selbstlose Tat wird er bis heute verehrt. Und für die Tragik seines Lebens, dass er in den ersten Tagen seiner vierten Expedition an Bord seines Schiffes einem Herzinfarkt erlag.
„Sir Ernest Henry Shackleton, Explorer“ heißt es auf dem Grabstein des kleinen Friedhofs der Walfangstation Grytviken auf Südgeorgien. Die Insel ist eng verbunden mit dem Schicksal des Polarforschers, der an vier Antarktis-Expeditionen beteiligt war, von denen er drei leitete, dabei epische Leidensmomente im Eis überlebte, und der in den ersten Tagen seiner vierten einem Herzinfarkt erlag. Obwohl der Brite nie wirklich das Ziel erreichte, wird er für den selbstlosen Umgang mit seiner Mannschaft als Held gefeiert. Ein Mitglied einer der Expeditionen, die Shackleton leitete, nannte ihn „ohne Einschränkung den bedeutendsten Führer, der jemals über Gottes Erde wandelte“. Dieser Führungsstil ist das Thema vieler Management-Seminare und -Bücher. Und einer faszinierenden Online-Ausstellung über Shackleton des South Georgia Museums von Grytviken.
Shackleton ist allgegenwärtig, wenn unsere Schiffe in der Antarktis sind, unsere Experten berichten in ihren Vorträgen über den Entdecker. Und in Gedenken an seine Leistungen bieten wir unseren Gästen auf ausgewählten Reisen die Möglichkeit, auf den Spuren von Sir Ernest Shackleton zu Fuß einen Teil der Insel zu queren – von Fortuna Bay nach Stromness. Der „Shackleton Walk“ erinnert an die letzte Etappe einer noch heute beeindruckenden Rettungsaktion. Dafür verlassen die Gäste in Begleitung von unseren Experten früh morgens in Fortuna Bay das Expeditionsschiff und wandern sieben Kilometer durch eine sanft ansteigende Graslandschaft. Immer mit dem nötigen Abstand zu den Riesensturmvögeln geht es höher und höher hinauf. Bis schließlich der Blick in das Tal von Stromness fällt – auf die Ruinen der alten Walfangstation und das Expeditionsschiff, das am Horizont bereits zu sehen ist.
Eine Wanderung und eine Ausstellung bringen Shackleton näher
Hier kann man sich in etwa vorstellen, welchen Anblick damals Shackleton, Worsley und Crean hatten, wissend, dass man den anderthalb Jahre dauernden, oftmals hoffnungslos scheinenden Überlebenskampf, tatsächlich gewonnen hatte. Heute erleben unsere Gäste den Shackleton Walk als beeindruckende Wanderung mit fantastischen Ausblicken. Ein Abstecher führt noch zum Shackleton Wasserfall. Ergänzt werden alle Ausflüge durch spannende Vorträge im HanseAtrium und durch eigene Studien in der Ocean Academy. Auf den Reisen, die nach Südgeorgien führen, legen wir selbstverständlich auch einen Stopp in Grytviken ein, wo wir gemeinschaftlich einen Schnaps zum Andenken an den „Boss“ trinken und das South Georgia Museum besuchen, das anlässlich des 100. Todestages des letzten der großen Entdecker eine faszinierende, digitale Ausstellung präsentiert.
„Männer für gefährliche Reise gesucht. Geringer Lohn, bittere Kälte, lange Monate kompletter Dunkelheit, ständige Gefahr, sichere Rückkehr ungewiss. Ehre und Anerkennung im Erfolgsfall.“
Ernest Shackleton soll diese berühmte Anzeige aufgegeben haben, um Teilnehmer für seine Expedition anzuheuern. Inzwischen ist ihre Echtheit allerdings umstritten.
Fotos: Archiv, Dietmar Denger, Susanne Baade, Text: Dirk Lehmann