Die Taufpatin unserer HANSEATIC spirit! Ulrike Meinfelder, Stellvertreterin von Nemi, im Interview
Erstmals taufen wir ein Schiff im Rahmen einer Reise, erstmals feiern wir eine Hochseetaufe vor Helgoland, und erstmals ist die Taufpatin nicht – der Tradition folgend – eine Frau, sondern ein Weibchen: die Kegelrobbe Nemi. An Bord wird die symbolische Taufpatin vertreten von Tierärztin Ulrike Meinfelder. Im Interview spricht sie über Nemi und das Leben in einer Seehundstation
Am Anfang sagt Ulrike Meinfelder, sie sei doch etwas aufgeregt. „Ich habe noch gar nicht so recht realisiert, wo ich hier bin.“ Die Tierärztin lacht. Das schöne Schiff, die vielen Menschen, das große Tauf-Event. Ganz anders als ihr Alltag mit den Robben. Die 31-jährigen Tierärztin der Seehundstation Friedrichskoog vertritt die eigentliche Taufpatin der HANSEATIC spirit, die Kegelrobbe Nemi. Nemirseta, so ihr voller Name, symbolisiert unsere Verbundenheit mit der Natur und dem Lebensraum Meer. Jahr für Jahr werden Hunderte von Robben-Waisen an den Stränden gefunden und zur Seehundstation gebracht. Mit der Taufe der HANSEATIC spirit beginnt eine langjährige Kooperation zwischen Hapag-Lloyd Cruises und der Seehundstation Friedrichskoog.
Hapag-Lloyd Cruises Blog: Liebe Ulrike Meinfelder, wie wird man eigentlich Tierärztin einer Seehundstation?
Ulrike Meinfelder: Vor etwas mehr als 12 Jahren habe ich mein Abi gemacht und mir die Frage gestellt „Wie geht es weiter?“ Ich hatte an Work and Travel gedacht, an ein Gap Year, an ein Freiwilligenjahr. Und da las ich von der Seehundrettungsstation in Friedrichskoog. Da wusste ich noch nicht, dass die Praktikumsplätze zu den beliebtesten in Deutschland zählen. Mehr als 250 Bewerberinnen und Bewerber gibt es auf drei Plätze für das Freiwillige Ökologische Jahr. Ich habe es probiert, und es hat geklappt. Dann hat mich die Arbeit so erfüllt, dass meine Freiwilligenzeit verlängert und verlängert wurde. Ich war weit mehr als ein Jahr da – und wollte gar nicht mehr weg.
Kann man da auch Tiermedizin studieren?
Haha, nein. Das Studium habe ich in Leipzig gemacht. Während aber meine Kommilitonen in den Semesterferien nach Hause fuhren, habe ich nicht im Zug nach Meiningen in Thüringen gesessen, wo ich ursprünglich herkomme, sondern nach Friedrichskoog. Am Ende des Studiums musste ich nicht lange nachdenken und nahm eine Stelle in der Seehundstation an. Heute bin ich die stellvertretende Leiterin.
Was ist die Aufgabe der Station?
Kurz gesagt haben wir drei Aufgaben: Information, Aufzucht, Forschung. Die Station verfügt über 27 Becken, in denen wir die Tiere, die bei uns sind, erst quarantänisieren und dann aufziehen, bevor wir sie auswildern. In der Station haben wir Publikumsverkehr. 150.000 bis 160.000 Gäste besuchten uns jährlich in Vor-Corona-Zeiten. Wir informieren darüber, wie Robben leben und wie man sich diesen Wildtieren gegenüber verhält. Dabei machen wir verständlich, dass die Robbe nur die Spitze der Nahrungskette ist. Zur Natur, die wir schätzen, gehören auch die Krabbe und der Wattwurm, es ist der Lebensraum Meer. Bei der Aufzucht geht es um die 200 bis 300 Tiere, die bei uns jährlich aufgenommen werden. Wir ziehen sie so weit auf, dass sie wieder rund und gesund sind. In der Forschung unterstützen wir die Vorhaben verschiedener Universitäten und Institute und bereiten die Ergebnisse der Arbeiten für die Besucher der Seehundstation allgemeinverständlich auf.
Wie kommt eine Robbe in die Seehundstation?
Meist ist es so, dass Badegäste oder Anwohner ein Tier entdecken. Dann rufen sie die Polizei oder melden sich direkt bei uns. Wir bitten einen unserer freiwilligen Helfer vor Ort, einen der so genannten „Seehundjäger“, die vom Land Schleswig-Holstein beauftragt sind, um eine Einschätzung. Wenn es sich um einen Fall für uns handelt, wird das Tier abgeholt und zur Station gebracht.
Wie wird ein Tier ein Fall?
Meist sind es verlassene Jungtiere. Rund 50.000 Robben – etwa 40.000 Seehunde und 10.000 Kegelrobben – leben im gesamten Wattenmeer. Jährlich gibt es mehr als 12.000 Jungtiere. Einige von ihnen werden während der Säugezeit dauerhaft von der Mutter getrennt. Neben natürlichen Ursachen, wie Krankheit oder Tod des Muttertieres, können auch wir Menschen für eine solche Trennung verantwortlich sein. Zum Beispiel, weil das Junge berührt wurde und so von der Mutter nicht mehr am Geruch erkannt wird. Oder die Mutter traut sich an ihr Junges nicht heran, weil der Weg abgeschnitten ist, etwa durch Menschen oder Boote. Manchmal sind es aber auch schreckliche Irrtümer. Wenn jemand etwa ein Robbenjungtier für verlassen hält, und – statt uns Bescheid zu geben – es eigenmächtig ins Auto legt und einfach zu uns bringt. Davor warnen wir eindringlich. Dieses Verhalten ist lebensgefährlich für die Tiere. Bei einem Robbenfund sollte immer ein Experte vor Ort entscheiden.
Was braucht es, um eine Robbe wieder aufzuziehen?
Etwa 10 Wochen Pflege. Wir verfüttern anfangs einen Fischbrei an die Jungtiere. Viermal täglich gibt es das Futter über einen Schlauch. Schrittweise werden die Tiere an die spätere Nahrung gewöhnt, die sie sich bald selbst aus dem Wasser holen. Wir verfüttern hauptsächlich Heringe, den die jungen Robben bestens im Ganzen verschlingen können.
Wie hoch ist der Aufwand, den man dafür betreiben muss?
Ziemlich groß. Futter, Personalaufwand, Medikamente, Strom, etc. verursachen in der Größenordnung von etwa 1.500 Euro pro Tier. Beispielsweise verbrauchen wir in der Hauptsaison täglich bis zu 800 Kubikmeter Salzwasser, welches aufbereitet und in die Becken gepumpt werden muss. Eine Vielzahl an helfenden Händen ist insbesondere in den Sommermonaten von Nöten. Bei uns arbeiten inzwischen 20 Festangestellte und viele Freiwillige.
Sprechen wir über Nemi, die Kegelrobbe, die zur Taufpatin unserer HANSEATIC spirit auserkoren wurde.
Nemi ist eine besonders kluge und wählerische Dame. Sie wurde an der Küste des litauischen Ortes Nemirseta gefunden. Auf Deutsch heißt das so viel wie Nimmersatt, ein Name, der gut passt. Wir nennen sie Nemi. Sie wurde bereits vor 16 Jahren eingeliefert, und weil sie Probleme hatte mit der eigenständigen Nahrungsaufnahme, gehört sie zu den sechs Dauerhaltungstieren unserer Station. Als wir gefragt wurden, welches unserer Tiere sich besonders eignen würde als Taufpatin, haben wir alle sofort an Nemi gedacht. Und jetzt hier an Bord finde ich: sie passt perfekt.
Welche Botschaft verbinden Sie mit Nemi?
Wir haben uns wirklich sehr gefreut über die Anfrage von Hapag-Lloyd Cruises. Denn wir finden es wichtig, Wildtiere auch in der freien Wildbahn zu erleben. Was man mit eigenen Augen gesehen und dem nötigen Respekt erlebt hat, was man versteht und liebt, das schützt man auch. Zudem teilen wir den One-World-Gedanken, wonach alles miteinander verbunden ist. Auch deshalb freut es uns, an der Taufe teilnehmen zu dürfen. Für mich ist es ein Once-in-a-lifetime-Erlebnis. Zudem freue ich mich über die Patenschaften, die für die Gäste dieser Taufreise übernommen werden.
Dürfen wir Nemi auch mal besuchen kommen?
Aber klar! Bitte vorher anmelden für eine Führung. Und wenn es passt, kommt gern auch eine Expertin oder ein Experte von uns an Bord, wenn eines der Expeditionsschiffe wieder in der Nähe ist – für einen Vortrag über die Robben im Wattenmeer und die Heuler vor Helgoland.
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Fotos: Susanne Baade, Christian Wyrwa