„Ich muss nicht mehr in den Himmel, denn ich war in Paradise Bay.“ Marianne Elsner über ihre Antarktis-Reise mit der HANSEATIC inspiration
Dies ist keine Reisebeschreibung, sondern eher eine Erzählung. Ich wollte niederschreiben, wie es mir auf dieser „unglaublichen Reise“ ergangen ist. Der Text, so fürchte ich, ist etwas zu lang geraten. Aber es ist die Begeisterung, die mich treibt… Teil 1: Von Buenos Aires nach Grytviken.
Ein besonderes Jahr – und eine Saison, in der wir keine Reisen in die Antarktis durchführen konnten. Grund genug für einen Blick zurück: Da es uns nicht vergönnt war, die Schönheit dieser Welt am Ende der Welt zu erleben, begleiten wir Marianne Elsner. Sie hat den Jahreswechsel 2019/2020 an Bord der HANSEATIC inspiration verbracht. Ihr zweiteiliger Bericht über diese Reise in die Antarktis zeigt, warum wir uns darauf freuen, so bald wie möglich wieder ab Ushuaia aufzubrechen.
15. Dezember 2019. Buenos Aires
Trotz des langen Fluges kam ich gut erholt an. Auf dem Flughafen wurden wir bereits erwartet und in unser Tages-Hotel gebracht. Es war ein Jugendstil-Palast, in dessen luxuriöser Suite ich mich als Alleinreisende fast dauernd verlief. Am nächsten Morgen ging es früh weiter.
16. Dezember 2019. Ushuaia
Dreieinhalb Stunden dauerte der Flug in die kleine Hafenstadt, in der unsere Seereise beginnen sollte. In Ushuaia angekommen, warteten Busse für eine Fahrt durch einen grandiosen Nationalpark mit hohen Bergen, glitzernden Seen und dichten Wäldern.
Am Abend erreichten wir die HANSEATIC inspiration. Der Anblick dieses neuen Schiffes war überwältigend. Noch nie sah ich ein so schönes Schiff. Nach dem Boarding setzte sich das Staunen fort: eine gediegen, futuristische Ausstattung. Im HanseAtrium und hinter der Rezeption zeigten riesige Leinwände märchenhafte Projektionen von wandernden Eisbergen, wogenden Wellen und prustenden Walen. Die Vorträge der Wissenschaftler fanden auch in diesem Raum statt. Sie waren so interessant und abwechslungsreich, dass ich keinen versäumte.
Meine Kabine war ausgestattet mit feinsten Materialien. Das Mobiliar elegant und anspruchsvoll. Der französische Balkon erwies sich in vielerlei Weise als sehr praktisch. Durch eine bodentief verglaste Schiebetür konnte man in die Landschaft schauen und fotografieren. Ich fühlte mich wie „Alice im Wunderland“. Freunde sahen es als eine riesige Ressourcen-Verschwendung, dass nun ein halbleeres Doppelbett durch diese Ausnahme-Landschaft fahren sollte. Ich aber freute mich ungemein auf die bevorstehende Reise, fiel müde ins Bett und schlief wie ein Baby.
In den folgenden Tagen konnte man bei jeder Mahlzeit erkennen, dass das Schlaraffenland eine armselige Einrichtung ist im Vergleich zu diesem Schiff. Die Kreationen, die Qualität und der Geschmack der Speisen ließen jeden vermeintlichen Gourmet nur staunen. Das liebenswürdige Personal in den Restaurants erfüllte fast jeden noch so ausgefallenen Wunsch. Besonders muss man auch die Bäckerei erwähnen, was da jede Nacht gezaubert wurde, grenzte an ein Wunder.
17. Dezember 2019. Seetag
Es wurden warme Parkas und Gummistiefel ausgegeben für die Anlandungen mit den Zodiacs, dann folgten die Einweisungen – wie man in die Gummiboote ein- und aussteigt, wie man sich bei den so genannten „nassen Anlandungen“ verhält, wie man sich gegenüber den Tieren benehmen solle. Ich genoss diese Fahrten im Meer ganz besonders, das war Adrenalin pur. Neben unserem Zodiac schwammen oft Robben, Vögel begleiteten uns. Manchmal spritzte das Wasser, aber durch die hochwertigen Parkas war man bestens geschützt. Aber ich greife vor. Schließlich erfolgte eine ausgesprochen humorvolle Begrüßungsansprache des Kapitäns.
Warum „Expeditionsschiff“ mehr ist als ein blumiger Begriff
Hier noch einige Ausführungen zum Begriff Expeditionsschiff. Ich hielt es ja anfangs für eine recht blumige Bezeichnung. Doch hat die wirklich eine Daseinsberechtigung. Ein Beispiel: Der Kapitän kündigte eine Fahrt in eine Bucht an. Vom Schiff aus konnte man nicht erkennen, wie dort die Eisverhältnisse sind, wie der Strand beschaffen ist. Eine Vorhut erkundete mit dem Zodiac die Bucht. Erst dann wurde entschieden, ob eine Anlandung möglich wäre. Wir hatten das Glück, alle geplanten Ziele in voller Schönheit anfahren und genießen zu können. Aber mit all diesen Vorbereitungen fühlte es sich wirklich an wie eine Expedition.
Eine für mich besonders wertvolle Einrichtung an Bord war die Ocean-Academy. In einem ruhigen, gediegen ausgestattetem Raum befanden sich einige Touchscreens mit Informationen zu den Zielen und zur Tierwelt. Es war einer der Orte, an dem ich viel Zeit verbrachte.
Da man ständig durch spektakuläre Landschaften fuhr und das auch fotografieren wollte, war einer der schönsten Plätze das Oberdeck. Von der Brücke kamen laufend Informationen über gerade gesichtete Besonderheiten. Achtung, Steuerbord: Walfamilien. Backbord: Delfine. Besondere Vögel. Robben. Pinguine. Dazu Hinweise auf phänomenale Landschaften wie Gebirge, Gletscher oder Eisberge. Da oben zu stehen, war ein erhebendes Gefühl. Ich genoss jede Minute.
18. Dezember 2019. Falklandinseln
Diese Inseln im Atlantik gehören geographisch zu Süd-Amerika, sind aber britisches Überseegebiet. Wir machten die erste Zodiac-Fahrt mit nasser Anlandung, dabei watet man vom Boot durch das Wasser zum Strand. Die Landschaft: baumlos, doch mit lebendig-buntem Buschwerk. Und dann die erste Pinguin-Kolonie. Der Eindruck war unvorstellbar. Eine enorme Anzahl an Vögeln, bis zum Horizont, in schroffer Felslandschaft. Ich konnte kaum fassen, was ich da sah. Die Tiere hatten nicht die geringste Scheu vor uns. Wir waren gehalten, uns nicht näher als fünf Meter zu nähern. Doch die drolligen Wesen hielten sich nicht immer daran. Tief beeindruckte mich auch das harmonische und liebevolle Familienleben. So schmusten Mama und Papa auf hinreißendste Weise miteinander, unter ihnen ihr Küken, das auch sanfte Streicheleinheiten bekam. Ich war so berührt von diesem herzigen Anblick, dass mir die Tränen nur so liefen.
19. Dezember 2019. Stanley
Wir passierten die schmale Durchfahrt der Narrows und erreichten mit den Tenderbooten die Stadt, in der alles englischer ist als in England. An den Hausfassaden sah man noch viele Einschüsse des vergangenen Krieges. Ein Denkmal für den Falkland Krieg, eine katholische und evangelische Kirche, ein Postamt und ein Pub. Ich besuchte das Museum und freute mich, als wir wieder an Bord waren.
20. Dezember 2019. Seetag mit Kurs auf Südgeorgien
An diesem Tag nahm ich mir vor, die Brücke zu besuchen. Ich war überrascht über die aufgeräumte, fast spartanische Ausstattung. Das Steuer hat einen Durchmesser von circa 30 Zentimetern. Unser Kapitän, Roman Obrist, war in einem Ort geboren, in dem man eher Skilehrer wird – in Davos. Aber ich mochte seine humorvolle Art sehr.
21. Dezember 2019. Seetag mit Kurs auf Südgeorgien
Wir passierten die Grenze der Antarktischen Gewässer. Auf beiden Seiten des Schiffes begleiteten uns Buckelwale mit ihren Jungtieren. Fröhlich machten sie Luftsprünge, und es war ein unglaubliches Erlebnis. Dann erfolgte eine umfangreiche Aufklärung zu Südgeorgien, besonders die Bio-Sicherheit war ein wichtiges Thema. Nach dem Besuch verstanden wir, warum mit großer Sorgfalt die Jacken und Stiefel geprüft wurden, bevor wir die Insel betraten.
Das ökologische Gleichgewicht soll unbedingt erhalten bleiben. Um die Stiefel zu säubern, gab es an Bord eine elektrische Maschine. Man stellte sich in diese hinein und rotierende Bürsten fanden auch das letzte Staubkorn in der Sohle. Meine Frage, ob ich mir in dieser Stiefelwaschmaschine abends auch einmal die Füße waschen dürfte, wurde empört zurückgewiesen. Südgeorgien ist ein besonderer Ort, es leben hier einige Arten von Pinguinen, Robben, Seeelefanten und viele Arten von Vögeln.
22. Dezember 2019. Prince-Olav-Harbour
Eine berauschende Zodiac-Rundfahrt durch eine einsame Traumlandschaft. Unzählige Pelzrobben und eine alte Walfangstation waren zu sehen. Erstmals begegneten uns Kormorane. Später fuhren wir mit unseren Zodiacs in eine Bucht mit breitem Strand vor überwältigender Bergkulisse mit schneebedeckten Gipfeln. Wir sahen eine erste kleine Kolonie von Königspinguinen, dazwischen Pelzrobben und Seeelefanten. Auch hier wieder endloses Staunen über diese Tierwelt. Ich empfand Dankbarkeit besonders an meinen verstorbenen Mann, der mir diese Reise ermöglicht hat. Wie schade, dass er mich nicht mehr begleiten konnte.
23. Dezember 2019. Salisbury Plain
Ankunft 6 Uhr morgens. Über die Lautsprecher hieß es: zu den Zodiacs! Hier wäre vielleicht noch zu bemerken, dass es ein ausgeklügeltes System für die Ausbootung gibt. Zu Beginn der Reise wurde man einer Farbe zugeordnet, ich war gelb. Nach dieser Farbe erfolgte dann der Aufruf zum Einstieg in die Schlauchboote. Nach der Anlandung erwartete uns eine Kulisse, die sicher zu einer der schönsten Südgeorgiens zählt. Rundherum schneebedeckte, hohe Berge, eine weite Bucht, ein breiter Strand. Zudem schenkte uns Petrus strahlenden Sonnenschein. In dessen Licht eine Kolonie von ca. 300.000 Königspinguinen.
Wie ich schon schrieb, sind die Königspinguine sowohl in ihrem Äußeren als auch in ihrem Gehabe besonders noble Erscheinungen, sie laufen nicht, sie schreiten. Von allergrößtem Liebreiz sind ihre Kinder. Ihr Babykleid ist ein dicker, brauner Flaum, worin sie wie Kaffeewärmer auf Füßchen aussehen. Unter dem Flaum kommt ihr herrliches Gefieder zum Vorschein. Ins Wasser gehen sie erst, wenn das vollständig ausgeprägt ist. Während ihre Eltern auf Futtersuche sind, besucht der Nachwuchs den Pinguin-Kindergarten. Was bis heute noch nicht ganz erforscht werden konnte, ist das Phänomen, wie die Eltern ihre Kinder in diesem unendlichen Gewusel von Küken wieder finden.
Staunen über diese Gemälde des Friedens
Die Pinguine leben in Gemeinschaft mit unzähligen Seebären, Seeelefanten und Vögeln. Gegen Mittag trennten wir uns von dieser „Arche Noah“. Es war ein Tag, den ich niemals vergessen werde. Nachdem wir unser „Zuhause" wieder erreicht hatten, durften wir am Nachmittag noch eine Zodiac-Fahrt durch eine romantische, märchenhafte Bucht genießen: schroffe Felsen, ein hoher Wasserfall, ein Strand mit faulenzenden Seebären in großer Zahl. Staunend verharrten wir vor diesem Gemälde des Friedens.
24. Dezember 2019. Heiligabend
Alle waren wir gespannt, was sich die Besatzung für diesen besonderen Tag ausgedacht hat. Wir erreichten Fortuna Bay, wo einige Gäste aufbrachen zum Shackleton Walk. Ich blieb auf dem Schiff. Später machte ich einen Spaziergang durch Stromness. Die Seebären nahmen keine Notiz von uns ,,Blaujacken“. Eselspinguine und Raubmöwen – Skuas – kreuzten unsere Wege. Dann nahm die HANSEATIC inspiration Kurs auf Grytviken, eine ehemalige Walfangstation, die heute Museum ist. Nebendran der Friedhof mit dem Grab von Sir Ernest Shackleton.
Beherrschend jedoch ist eine wunderschöne weiße Holzkirche, welche aus Norwegen importiert wurde. Ich freute mich sehr, welch einen herrlichen Platz man für Heiligabend ausgesucht hatte. Am Ortseingang lagen faul dahin dösende Seeelefanten, deren Ausmaße beträchtlich waren. Träge machten sie hin und wieder ein Auge auf. In dem kleinen Kirchlein hatte unsere Besatzung einen berührenden Gottesdienst organisiert. Niemals werde ich diesen unter so besonderen Umständen gefeierten Heiligabend vergessen.
Nach der Kirche überraschte uns die Crew in einem aufgestellten Zelt mit Glühwein, Gebäck und Champagner. Der Gottesdienst, die Umgebung, die Bemühungen der Crew – das war Balsam für die Seele. Danach kehrten wir mit dem Tender auf unser festlich geschmückte Schiff zurück. Nun bereiteten wir uns auf das festliche Galadinner vor. Alle Damen hatten sich, so auch ich, mit einem langen Kleid ein wenig herausgeputzt. Das Essen war eine Folge von Delikatessen. Ich, die im Leben schon Flucht, Armut und Hunger kennengelernt habe, kam mir vor wie eine Königin.
Zeitweise dachte ich, was ich doch für ein Glückspilz bin. Noch keinen Moment hatte ich mich hier allein oder einsam gefühlt. Auch von den Passagieren erfuhr ich viel Freundlichkeit. Einmal bat ich einen Ehemann, mich doch bitte zu fotografieren. Gern tat er das und fortan waren er und seine Frau an entsprechenden Stellen sofort bei mir mit dem Satz: Dürfen wir Sie fotografieren? Ihnen verdanke ich es, dass ich beweisen kann, tatsächlich in der Antarktis gewesen zu sein. Außerdem hatten wir auch so manches gute Gespräch. Mein Anliegen ist es, Alleinstehenden Mut zu machen eine solche Reise zu wagen: Man reist nicht allein. Man fühlt sich wie in einer großen Familie.
Lesen Sie im zweiten Teil: Silvester am Ende der Welt und der Besuch im Paradies.
Marianne Elsner hat ein Leben auch in der Mode verbracht – und das sieht man ihr heute noch an. Sie mag kraftvolle Farben, edle Stoffe und große Brillen, sowie sehr klassische Musik und Literatur. Die Brillen erwiesen sich an Bord als ihr Erkennungsmerkmal. Eigentlich wollte sie die Reise mit unserer HANSEATIC inspiration in die Antarktis zusammen mit ihrem Mann unternehmen. Doch der verstarb leider. Es war Marianne Elsner ein Anliegen, diese Reise zu verwirklichen. Unser Blog-Beitrag ist eine gekürzte Fassung ihres Reiseberichts.
Fotos: Archiv, Privat