Expedition Nordostpassage: Die große Reise der HANSEATIC!
Weltpremiere! Als erstem nicht-russischen Passagierschiff gelingt der HANSEATIC die Durchfahrung der Nordostpassage, die vor 135 Jahren entdeckt wurde. In diesem Reisebericht schreiben Kapitän Thilo Natke, Expeditionsleiter, Wissenschaftler und Lektoren über die Reise auf dem legendären Seeweg zwischen Beringmeer und Barentssee. Es ist eines der großen Abenteuer der Seefahrt…
Die Nordostpassage – der sagenumwobene Seeweg durch das Nordpolarmeer. Viele Entdecker haben danach gesucht, und die erste Durchfahrung dauerte mehr als ein Jahr. Die HANSEATIC wird Neuland entdecken auf ihrer Expeditionsreise von Alaska nach Norwegen
Die Stadt, die nie schläft: Im Sommer geht in Tromsø die Sonne nicht unter. Dieses Foto des Hafens, der heute noch Ausgangspunkt vieler Expeditionen ins Nordpolarmeer ist, entstand um 2 Uhr nachts
von Dirk Lehmann
Mehr als 100 Menschen stehen an der Kai-Mauer, winken, jubeln, wünschen Glück. Und als sich die zwei Schiffe langsam aus dem Hafenbecken schieben, laufen einige Erwachsene und viele Kinder noch eine Weile mit. Bis auch sie winkend stehen bleiben. Ein Hauch von Ungewissheit in der Luft: Was werden die nächsten Monate bringen? Wird diese Reise gelingen?
Wir schreiben den Sommer 1878. Es ist recht warm nördlich des Polarkreises, ein schöner Wind weht. Und immer kleiner erscheint nun Tromsø hinter dem Heck, „Paris des Nordens“ wird die Stadt genannt. Adolf Erik Nordenskjöld löst sich von dem Anblick. Er kennt das wahre Paris, hat da bereits Vorträge gehalten über seine Reisen in die Eiswelt der Arktis. Die Menschen waren fasziniert von seinen Berichten und Bildern. Ihn wiederum beeindruckten die Pläne, in der Stadt anlässlich der Weltausstellung einen gigantischen Turm aus Eisen zu errichten. 300 Meter hoch!
Das alte Bild der Erde: Die zeitgenössische Zeichnung zeigt Tromsø in jenen Jahren, das handkoloriertes Foto die VEGA
Das „Paris des Nordens“ ist nun nicht mehr zu sehen. Selbstverständlich hat Tromsø nur wenig vom Glanz der französischen Metropole. Doch wer nach langer einsamer Segelfahrt entlang der norwegischen Küste einläuft in den Hafen der Stadt mit ihrer hoch aufragenden Kirche und den mehrstöckigen Häusern, mit ihren breiten Straßen und dem bunten Treiben darauf, dem wird man jede Übertreibung verzeihen. Tromsø ist ein geschäftiger Expeditionsort, man lädt Lebensmittel und Ausrüstungsgegenstände. Man trifft erfahrene Seeleute, mit denen man sich austauschen kann über die Eisverhältnisse.
Viele große Entdecker haben sich von diesem Hafen aufgemacht. Und auch Nordenskjöld ist nicht das erste Mal hier. Adolf Erik Nordenskjöld hat zwischen 1858 und 1868 an diversen Expeditionen teilgenommen oder sie gar geleitet. Es waren Fahrten bis hinauf nach Spitzbergen und Grönland, er erkundete die Treibeiskante und lotete Meerestiefen aus von bis zu 4800 Metern, Dimensionen wie man sie seinerzeit eher in das Science Fiction-Reich eines Jules Verne verortet hatte. Und er kam mit dem Expeditionsschiff SOFIA dem Nordpol so nahe wie zuvor kein anderer.
Der alte Mann und das Eismeer: Das Ölgemälde zeigt den Entdecker Nordenskjöld als Held im Fellkragenmantel mit Fernglas und Spazierstock. Die arktische Wirklichkeit sah eher so aus – man trug Hightechkleidung aus Seehundfell
Aber er musste auch Fehlschläge hinnehmen. Seine Nordpolexpedition scheiterte. Seine ersten Fahrten nach Sibirien waren eher mäßig erfolgreich. Dennoch glaubt der Wissenschaftler fest daran, dass es einen Seeweg gebe von der Barentssee in die Beringstraße, von Norwegen nach Alaska, es treibt ihn die Sehnsucht nach der „Nordostfahrt“.
Die Nordostpassage fasziniert seit dem 16. Jahrhundert. Doch englische und niederländische Seefahrer scheitern im Packeis. Russische Robbenjäger bringen Kunde von Inseln jenseits aller bekannten Karten, von Menschen, die leben wie die Eskimos. Und sie bestärken Nordenskjöld darin, das „völlig unerforschte sibirische Eismeer“ erkunden zu wollen – auf der Suche nach einem Seeweg für eine „Umseglung der Alten Welt“.
Unter aufmerksamen Eisbären-Blicken: die Expeditionsschiffe LENA und VEGA in Fahrt, die VEGA ankernd
Der in Finnland geborene Wissenschaftler ist seit 1858 – im Alter von nur 26 Jahren – Professor für Mineralogie in Stockholm. Er hat seither an allen Arktisexpeditionen Schwedens teilgenommen, die letzten beiden sogar geleitet. Und schließlich König Oskar von Schweden überzeugen können, eine neue Expedition auszurüsten, die sich auf die Suche machen soll nach der Nordostpassage. Vier Schiffe stehen unter seinem Kommando: Die FRASER und die EXPRESS sollen an der Mündung des Flusses Yenisej eine Art Relaisstation sein, an der sich die beiden Hauptschiffe LENA und VEGA mit Lebensmitteln und Ausrüstungsgegenständen versorgen.
Bis dahin verläuft die Reise verblüffend reibungslos. Und auch ab dem großen russischen Strom kommen die Schiffe gut voran. Die Wissenschaftler an Bord der VEGA machen Aufzeichnungen, messen Temperaturen und Wassertiefen, beschreiben die „Ureinwohner Westsibiriens“ und das Polarlicht, entdecken Mammut-Knochen und beginnen mit einer Klassifizierung von Eis in sechs Kategorien. Ab dem hohen Norden wird es eine einsame Reise, die Seeleute begegnen keiner anderen Menschenseele. Das ändert sich erst auf der Tschuktschen-Halbinsel, wo sie mit den Einheimischen Handel betreiben. Und den Eindruck haben, die ersten Europäer in diesem Teil der Welt zu sein. Da endet Nordenskjölds bisher so erfolgreich Fahrt jäh.
Zehn Monate Winter: Im September friert die VEGA ein, bis zum nächsten Sommer. Die Mannschaft vertreibt sich die Zeit an Bord, man feiert gemeinsam Weihnachten und posiert für eine Gruppenaufnahme
Heute wissen wir, wie nah das Schiff schon im September seinem Ziel war. Nur noch wenige Seetage fehlten und die VEGA hätte die meist länger eisfreien Gewässer der Beringstraße erreicht. Doch das Wetter verschlechterte sich rapide, und innerhalb weniger Tage gab es kein Vorankommen mehr. Die Mannschaft muss im Eis überwintern. Fast zehn Monate liegt die VEGA fest, ehe sie im Juli 1879 ihre Reise fortsetzen kann. Bereits zwei Monate später erreicht Nordenskjöld mit seiner Mannschaft Japan.
Der wahre Triumph der Entdeckung wird erst im Frühjahr 1880 gefeiert, so lange dauert es, bis VEGA zurück nach Stockholm kommt, rund zwei Jahre nach der Abfahrt. Der Entdecker und Schriftsteller Sven Hedin beschreibt die Ankunft. „Die ganze Stadt war illuminiert. Die Häuser rings um den Hafen flammten im Schein unzähliger Lampen und Fackeln. Mit meinen Eltern und Geschwistern stand ich auf den Bergen von Södermalm. Größte Spannung hatte mich erfasst. Mein ganzes Leben lang werde ich an diesen Tag zurückdenken, er wurde entscheidend für meinen künftigen Weg. Von Kais, Straßen, Fenstern und Dächern dröhnte donnernder Jubel. `So will ich einst heimkommen´, dachte ich.“
Forschungsarbeiten: Das Nordlicht wird beobachtet und genau beschrieben
Und doch blieb die Entdeckung des Seeweges bis weit in unsere Zeit ohne Konsequenzen. Seit 2008 ist die Nordostpassage so eisfrei, dass Handelsschiffe in Begleitung großer Eisbrecher den nördlichen Seeweg nutzen können. Wirtschaftlich könnte es sich lohnen, verkürzt sich doch dadurch die Strecke von Tokio nach Rotterdam von rund 21.000 Kilometer durch den Suezkanal auf „nur“ 14.000 Kilometer. Doch noch machen sich nur wenige Schiffe an die große Nordostfahrt. Die Gründe: Der Aufwand ist zu hoch gemessen an den niedrigen Frachtraten.
Die HANSEATIC ist das erste nicht-russische Passagierschiff. Seit Jahren laufen die Vorbereitungen für diese Reise, die eine Weltpremiere sein wird, und die bereits seit Monaten ausverkauft ist. Für den PASSAGEN BLOG wird ein ganzes Team von Autorinnen und Chronisten die Expedition beschreiben. Wir werden mit ihnen fiebern.
Die Illustrationen entnahmen wir dem Buch “The Voyage of the Vega round Asia and Europa, Volume I and Volume II” von Adolf Erik Nordensjklöld, man kann es als eBook über das Gutenberg Projekt downloaden.
13. August 2014
Jetzt geht’s los – die HANSEATIC legt ab zur Nordostpassage
Gruppenbild mit Fahne: Die Mannschaft der HANSEATIC posiert zum Auftakt der Nordostpassage (©Steffen Graupner)
von Kapitän Thilo Natke
Pünktlich um 1700 Uhr verabschiedet sich die HANSEATIC mit drei langen Tönen des Schiffstyphons von Nome, dem westlichsten Hafen Alaskas. Unsere Expeditionsreise durch die russische Arktis ist eine Premiere, deren intensive Vorbereitung mehrere Jahre in Anspruch genommen hat. Endlich geht es los! Bei strahlendem Sonnenschein schiebt sich das Schiff langsam durch die enge Hafeneinfahrt.
Vor dem Bug der HANSEATIC liegen mehr als 4800 Seemeilen von Alaska bis nach Norwegen: die legendäre Nordostpassage! Noch nie zuvor hat ein nicht-russisches Schiff diese spektakuläre Reise unternommen. Nur wenige Menschen haben diese Gegend bisher auf dem Seeweg bereist.
An Bord unseres Expeditionsschiffes sind 148 Passagiere aus sechs Nationen. Sie werden bestens betreut von 129 Besatzungsmitgliedern, die aus zehn Ländern stammen. Die Treibstoffbunker sind voll bis zum Rand und unsere 70 Tonnen Proviant müssen für vier Wochen reichen. Unterwegs kann man nämlich nichts einkaufen…
Der erste Hafen auf dem russischen Festland ist Provideniya, wo wir die Einreiseformalitäten der Behörden erledigen. Auch im fernen Sibirien ist die Bürokratie zu Hause. Vorher überqueren wir jedoch in der Beringstraße die Internationale Datumsgrenze. Den 14. August überspringen wir einfach, da wir von der westlichen auf die östliche Erdhalbkugel wechseln.
Die lange Reise hat begonnen. Und alle an Bord sind gespannt, welche Erlebnisse und Abenteuer die Nordostpassage uns in den nächsten Wochen bieten wird: Werden wir Eisbären sehen? Wird das polare Eis unsere Passage behindern? Wie leben die Menschen in dieser unwirtlichen Gegend? Werden wir trotz vorliegender Genehmigungen Probleme mit den lokalen Behörden bekommen?
Seien Sie mit dabei und verfolgen Sie unsere täglichen Expeditionsberichte an dieser Stelle!
Es geht los: Nordostpassage – wir kommen!
15. August 2014
Ein Tag geht verloren – von Nome nach Prowidenija
Nome im Licht vor Himmel mit Regen: Die HANSEATIC verlässt Alaska – mit Ziel Nordostpassage (©Steffen Graupner)
von Steffen Graupner (Fotos) und Christine Reinke-Kunze (Fotos und Text)
Die HANSEATIC hat Nome verlassen, den amerikanischen Außenposten in Alaska, an einem für diese Weltregion mit rund 13 Grad geradezu sommerlich warmen Tag. Durch einen dramatischen Himmel ging es über die Beringstraße. Auf der anderen Seite, rund 350 Kilometer Luftlinie entfernt, haben wir Prowidenija erreicht – und auf dem Weg dahin einen Tag “verloren”, den 14. August 2014 werden wir alle aus unseren Kalendern streichen müssen. Denn beim Wechsel von der westlichen auf die östliche Hemisphäre überqueren wir die Datumsgrenze. Die Einklarierung, so nennt man das Erledigen aller Formalitäten wie Pass- und Zoll-Angelgenheiten, in Russland verlief reibungslos. Und MS HANSEATIC ist bereit für die Nordostpassage 2014.
Sturmerprobt: Moschusochse mit Scheitel in Windrichtung, die Kirche ist das Gemeindezentrum (©Steffen Graupner)
Am frühen Nachmittag des 15. August 2014 haben die Passagiere noch ausreichend Zeit gehabt, den Ort zu erkunden. Prowidenija ist die östlichste Stadt Russlands, Verwaltungszentrum für den gleichnamigen Distrikt und Teil der autonomen Tschuktschen-Republik. Die Stadt wurde 1936 gegründet. Sie entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Tiefwasserhafen und zur Basis für Schiffe auf dem nördlichen Seeweg. Etwa 500 liefen in den 1980ern jährlich den Hafen an. Als Tor zur Arktis und wegen ihrer Nähe zu den USA hatte die Stadt eine gewisse Bedeutung, und doch ist sie nur auf dem Seeweg bzw. aus der Luft zu erreichen. Ihre etwa 2000 Einwohner arbeiten überwiegend in der Verwaltung, der Schule, im Krankenhaus oder verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Fischfang.
Alltag in der Arktis: Wegweiser und Streetlife; in Nome, Alaska, und in Prowidenija, Russland (©Steffen Graupner)
Seit 1985 besitzt Prowidenija auch ein Museum, in dem eine Sammlung von Elfenbeinschnitzereien, örtliche völkerkundliche und archäologische Funde und einige historische Bilder des Ortes aus den 1930er und -40er Jahren ausgestellt sind. Wir besuchten es und wurden von den Mitarbeitern herzlich empfangen. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurden mehr als 15.000 Exponate zusammengetragen, die die Natur und Geschichte der Region erzählen. Zu den beeindruckendsten Ausstellungsgegenständen gehört eine Jaranga, das einst typische Wohnzelt der Tschuktschen.
Für Besucher: In Prowidenija wird getanzt, in Nome hängen sie ein Schild in die Tür (©Christine Reinke-Kunze)
Den Abschluss des Besuches der Passagiere bildete eine Folkloreshow im Kulturhaus der Stadt. Schwungvoll präsentierten zahlreiche junge Künstler ein vielseitiges Programm mit den unterschiedlichsten Tänzen ihrer Region. Christine Reinke-Kunze
Blick voraus: Der Leuchtturm von Prowidenija und die Aussicht auf ein vierwöchiges Abenteuer (©Christine Reinke-Kunze)
16. August 2014
Der Bärenwächter – Litke Harbour
Suchbild mit Security-Mann: Der kleine gelbe Punkt auf der Bergflanke ist Bärenwächter David Fletcher (©Trixi Lange-Hitzbleck)
von Trixi Lange-Hitzbleck und David Fletcher
Heute morgen hatten wir die erste Anlandung in offenem Gelände bei der verlassenen Siedlung Litke Harbour. Es bestand die Möglichkeit, dass auch Bären in der Nähe sein würden. Deshalb ließ ich mich mit dem Gewehr an Land bringen. Schon vom Boot aus habe ich das Ufer abgesucht, aber keine Bären sehen können. Doch weil Ruinen und Gebäude auch geeignete Verstecke hätten sein können, war Vorsicht geboten. Es ist wichtig, mit dem ersten Zodiac an Land zu gehen. Das Motorgeräusch stört die Tiere, sie ziehen sich zurück. Ich überprüfe, ob die Luft wirklich rein ist und suche mir einen Hügel, von dem aus ich das Areal überblicken kann. In einer Gegend wie dieser, in dem viele Fässer zurück gelassen wurden, ist äußerste Vorsicht geboten. Du musst ständig nach Bären Ausschau halten, denn die können sehr schnell sein. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit kann ernsthafte Konsequenzen haben. Heute blieb aber alles ruhig.
Wozu das Gewehr, mögen manche Leser fragen. Erschießen dürfen wir einen Bären nicht, und das wollen wir auch nicht. In der Regel reicht es in die Luft zu feuern, und das Tier ergreift die Flucht. Ich arbeite als Wissenschaftler seit mehr als 45 Jahren in der Arktis, habe diverse Expeditionen begleitet und bin seit 21 Jahren immer wieder für Hapag-Lloyd Kreuzfahrten im Einsatz. Unter anderem als Bärenwächter. David Fletcher
Der tut nix, der will nur aufpassen: Der Bärenwächter schießt mit dem Gewehr in die Luft (©Trixi Lange-Hitzbleck)
17. August 2014
Im fernen Osten – Diomede, Kap Deschnew
Russischer Rauschebart: Semjon Deschnew hat als erster die Beringstraße besegelt (©Christine Reinke-Kunze)
von Christine Reinke-Kunze (Text und Foto)
Strahlender Sonnenschein hat am Sonntagmorgen die Passagiere bei den Diomedes-Inseln in der Beringstraße begrüßt. Frühaufsteher wurden belohnt, denn am Ufer von Big Diomede, der größeren der beiden Inseln, tummelten sich zahlreiche Walrosse. Zudem bot die Insel eine interessante Vogelwelt: Hornlunde, Dickschnabellummen, Dreizehenmöwen und Rotschnabelalken waren in großer Zahl zu beobachten.
Walross-Kolonie: Vom Schlauchboot aus fotografiert – die Walrosse auf Big Diomede (©Christine Reinke-Kunze)
Am späten Vormittag erreichte MS HANSEATIC ihr nächstes Ziel, die Küste des Russischen Fernen Ostens bei Naukan. Bis in die fünfziger Jahre gab es hier eine Eskimosiedlung. Sie befand sich an einem steinigen Hang und war mit 350 Einwohnern die zweitgrößte einheimische Gemeinde auf der Tschuktschen-Halbinsel. Ein markanter Punkt unweit der ehemaligen Siedlung ist ein 1955 errichteter Leuchtturm, an dem eine Büste von Semjon Deschnew angebracht ist. Damit wird an Deschnews Reise im Jahre 1648 erinnert, in deren Verlauf der Kosak erstmals die Meerenge zwischen Asien und Amerika durchfuhr. Der Leuchtturm ist einer der berühmtesten in ganz Russland und landesweit in Schulbüchern vertreten. Die Passagiere erfreuten sich trotz des starken Windes am herrlichen Blick über die Beringstraße. Christine Reinke-Kunze
Am äußersten Osten Asiens: Kap Deschnew ist das Ende des Festlands Asiens (©Christine Reinke-Kunze)
18. August 2014
Ziesel, Walrosse und eine Insel wie ein Schweizer Käse – Kolyushin
Scheue Tiere mit großen Hauern: 1500 Walrosse leben auf Kolyushin, 6000 weitere werden erwartet (©Ha-Jo Spitzenberger)
von Hans-Joachim Spitzenberger
+++Meldung von der Brücke+++Datum: Montag, 18.August, 1200 Uhr+++Ort: Am Anker vor Kolyuchin Island+++Himmel: bedeckt+++Luft: 8 Grad+++Wasser: 7 Grad+++Wind: NW 3 Bft+++Wellenhöhe: 1 Meter+++Eis: kein Eis
Dieser Tag war wieder einmal prall gefüllt mit Aktivitäten. Von Inchoun kommend erreichten wir um 07.00 Uhr die Nordwestspitze der Kolyushin-Insel, ein kleines, nur 4,5 Kilometer langes und bis zu 1,5 Kilometer breites Eiland. Bis auf wenige Abschnitte im Süden sind die Küsten steil und ragen bis zu 70 Meter senkrecht auf. Schmale Felsbänder und kleine Vorsprünge in diesen Steilwänden sind ideale Brutplätze für Hunderttausende Dickschnabel- und Trottellummen, Dreizehenmöwen, Hornlunde und Taubenteisten. Mit unseren wendigen Zodiacs fuhren wir an den Brutfelsen entlang und konnten trotz bewegter See – die Wellen erreichten bis zu 1,5 Meter Höhe – phantastische Beobachtungen der ständig ab- und anfliegenden Vögel machen.
Eigentlich wäre damit der Vormittag ausgefüllt gewesen. Aber da wir früher als geplant bei der Insel angekommen waren, wollten wir noch den Versuch starten, auf der Insel zu landen. Unterhalb einer schon vor Jahrzehnten aufgegebenen Wetterstation liegt ein winziger Strandabschnitt an dem angelandet werden kann. Der Weg dorthin ist allerdings im wahrsten Sinne des Wortes mit Steinen gepflastert. Große, runde Granitblöcke müssen im Slalom umfahren werden um die Schrauben der Boote nicht zu beschädigen. Eine schwierige Aufgabe, die von den routinierten Zodiacfahrern der HANSEATIC ohne Probleme gemeistert wurde. Auch die Gäste hatten Herausforderungen zu bewältigen: Nach der Anlandung ging es ein kurzes Stück über dicke Felsbrocken am Ufer, bevor der steile Aufstieg zum Plateau der Insel begann. Die Mühe aber hatte sich gelohnt, denn von dort aus bot sich ein beeindruckendes Bild von den Vogelfelsen.
Aussichtsplatz auf dem Vogelfelsen: Hornlunden auf ihrem “Balkon” auf Kolyushin (©Ha-Jo Spitzenberger)
Am Nachmittag wurde Kap Vankarem erreicht, ein kleines Dorf an der Küste, das wegen der dort im Sommer lagernden Walrosse berühmt ist. Etwa 1.500 dieser riesigen Robben waren in den letzten Tagen dort angekommen, weitere 6.000 werden noch erwartet. Schon bei der Anfahrt auf das Dorf konnten viele Tiere im Wasser beobachtet werden, aber erst vom Dorf aus wurde deutlich, welch gewaltige Zahl von Walrossen sich hier versammelt hatte. Aus sicherer Entfernung sah man die Tiere neben- und teilweise übereinander am Strand liegen. Walrosse sind sehr störungsempfindlich und flüchten bei Beunruhigungen panikartig ins Wasser. Wir konnten uns unter Leitung einheimischer Führer bis auf etwa 300 Meter an den Lagerplatz heranpirschen und den Anblick der Tiere genießen. Fast vergessen wurden dabei die Parry-Ziesel, eine Erdhörnchenart, die zu Hunderten die Tundra bevölkern. Die Hänge der Strandwälle sind von den Bauten der Tiere durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Mit ein wenig Geduld lassen sich die Ziesel aus kurzer Entfernung sehr gut beobachten und fotografieren.
Um 19.00 Uhr fuhr das letzte Zodiac vom Strand zum Schiff zurück. Ein gelungener Tag. (Foto und Text Hans-Spitzenberger)
Erdhörnchen sei wachsam: Doch dieses wurde perfekt erwischt – für ein seitliches Portrait (©Ha-Jo Spitzenberger)
19. August 2014
Eisbären-Alarm – im Nebel vor der Wrangelinsel
Spiegelbild: Aus dem Nebel, der die HANSEATIC umgibt, taucht plötzlich ein Eisbär auf (©Trixi Lange-Hitzbleck)
von Trixi Lange-Hitzbleck (Foto und Text)
+++Meldung von der Brücke+++Datum: Dienstag, 19.August, 1200 Uhr+++Position: 70°54‘ Nord; 179°40‘ West+++Ort: vor Anker bei Wrangel Island in der Krania Bay+++Himmel: bedeckt+++Luft: 8 Grad+++Wasser: 3 Grad+++Wind: 2 Bft
+++Wellenhöhe: 0 Meter+++Eis: vereinzelte Schollen
Seit Stunden schiebt sich die HANSEATIC durch dichten Nebel, umschifft behutsam unzählige Eisschollen, die wie Wattebäusche im glänzenden Wasser treiben. Plötzlich ein lauter Ruf: „EISBÄR! EISBÄR!!“ Alle rennen an Deck. In Sporthose, weil man gerade auf dem Joggingband war. In Badelatschen, weil man gerade in der Sauna saß. Oder im dicken NOP-Parka, weil man ahnte, dass so etwas passieren würde. Und da, tatsächlich, auf einer Scholle, ein Eisbär: Er schaut zu uns. Wir sehen zum Eisbär. Wird er ins Wasser springen und verschwinden? Aber er scheint unser Sehnen zu spüren und bleibt, wo er ist. Er schreitet hin und her. Hebt den Kopf. Blickt zu uns. Reißt das Maul auf. Betrachtet sein Spiegelbild. Und hunderte Kameras machen mehr als 100.000 Bilder.
Kaum fahren wir weiter, wieder das Rufen: „EISBÄR! EISBÄR!!“ Wieder rennen alle an Deck. Diesmal auf die Backbordseite: „Ein Bär auf einer Scholle!“. Und dann steuerbords, Schiffs voraus…. EISBÄR! EISBÄR!! EISBÄR!!! Wir sind umzingelt. Was ein Traum. Trixi Lange-Hitzbleck
Berühmte Bewohner: Die Wrangelinsel ist das nördlichste UNESCO-Weltnaturerbe – und bekannt für ihre große Eisbären-Population (©Trixi Lange-Hitzbleck)
21. August 2014
Fisch-Geschenk – unterwegs von Ayon nach Chetyryokhstolbovoy
Eine große Ehre für die HANSEATIC: Als Gastgeschenk erhalten wir Wandersaiblinge (©Trixi Lange-Hitzbleck)
+++ Meldung von der Brücke: Position: 70°40‘ Nord +++ 162°30‘ Ost +++ Ort: auf See +++ Himmel: sonnig +++ Lufttemperatur: 10 Grad +++ Wassertempertaur: 3 Grad +++ Wind: Süd 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1,5 Meter +++ Eis: zur Zeit kein Eis +++
von Trixi Lange Hitzbleck (Foto und Text)
Ein Gastgeschenk der Einwohner Ayons. Sie übergeben an Joachim Herrmann, den Hotel Inventory Controller – kurz: HIC– der HANSEATIC, vier prall gefüllte Tüten mit Wandersaiblingen! Der Arctic Char, auch Seesaibling genannt oder Rotforelle, ist eine 40 bis 70 Zentimeter lange Delikatesse und ein Verwandter der Lachse. Wie sie wechseln auch die Wandersaiblinge zum Laichen vom Salz- ins Süßwasser, allerdings ohne dabei ihr Leben zu lassen. Die Fische sehen nicht nur appetitlich aus, sie schmecken hervorragend – und zählen zu den beliebtesten Speisefischen des “Hohen Nordens”. Ein solches Geschenk mag befremdlich wirken, ist aber eine große Geste, erst recht wenn man bedenkt, unter welchen teils widrigen Bedingungen die Fische in diesen Weltregionen gefangen werden. Wir freuen uns auf ein Festmahl und rufen unseren Gastgebern zum Abschied winkend zu: “Bolshoe Spasibo!” Herzlichen Dank.
am selben Tag
Vom Leben in der Tundra – eine Begegnung auf Ayon
Erzählen die Geschichte eines Lebens in der Tundra: die Hände von Oma Olga (©Steffen Graupner)
von Steffen Graupner (Foto und Text)
Zart rotglühend glimmt ein winziger Punkt im Dunkel, bewegt sich von Zeit zu Zeit wie ein schlaftrunkenes Glühwürmchen. Hält für Sekunden inne. Nimmt wieder Fahrt auf, verharrt, vergrößert seinen Lichtschein, wird heller und leuchtendorange. Nur um dann wieder in ein schwaches Rot zu verblassen, in der Dunkelheit fast ganz zu verschwinden. Es ist das einzige für mich sichtbare Zeichen von Leben, rechts hinten, in den Tiefen der Jaranga.
Als sich meine Augen an das Dunkel im Wohnzelt der Tschuktschen gewöhnt haben, kann ich erkennen, dass das „Glühwürmchen“ kein Eigenleben führt, sondern der sicheren Hand einer alten Frau folgt. Genussvoll zieht sie an ihrer Zigarette, inhaliert den Rauch tief, und dann füllt ihr Ausatmen den Tschottagin – den Wohnraum – mit weißen Wolken. „Oma Olga“ heißt die Raucherin, und obwohl sie längst gebrechlich und schwerhörig ist, sind ihre Hände kraftvoll und sehnig und führen die Zigarette mit Bestimmtheit. Es sind Hände, die von Falten überzogen sind. Schöne Hände, wie sie sich die Menschen nur in einem langen Leben voll schwerer, ehrlicher, selbstbestimmter Arbeit in der Tundra verdienen können. Und von diesem Leben erzählt uns Oma Olga jetzt.
Doch erst kommt ihr Enkel Wanja, facht das Holzfeuerchen an, hängt den Teekessel darüber und prüft den seiner Großmutter zustehenden Platz. Den Alten gebührt traditionell der beste Sitzplatz in der Jaranga, bequem, mit vielen weichen Kissen. Wanja schenkt der alten Dame Tee ein, dann bewirtet er uns Gäste. Jetzt sitzt er aufmerksam neben seiner Oma, die er zärtlich und respektvoll Olja nennt, das ist die Koseform ihres Namens, und wiederholt ihr laut unsere Fragen ins Ohr.
Oma Olja wurde in der Jaranga geboren. Wann? Das kann sie nicht genau sagen. Aber dass es die Jaranga war, das weiß sie genau. Anders kann es nicht sein. Nicht damals, als das Leben der Tschuktschen noch fast unbeeinflusst war von der Zivilisation. Die Jaranga ist mehr als die Wohnstatt dieses nomadischen Hirtenvolkes, sie ist Teil ihres Lebens, zieht mit über die Tundra, wird von Generation zu Generation weiter gereicht. In einem Durchmesser von fünf bis sechs Metern stellt man ein Holzgerüst auf, darüber kommt eine „Zeltplane“ aus Dutzenden zusammengenähter Rentierfelle. In der Mitte der Jaranga brennt ein Feuerchen, das wärmt, und auf dem gekocht wird. Der Rauch entweicht durch einen kleinen Abzug.
Die Jaranga besteht aus zwei Räumen, dem Tschottagin und dem Polog. Im Tschottagin, dem „kalten Raum“ findet das tägliche Leben statt, die Hausarbeit, das Kochen und Essen. Im Polog, dem warmen Raum, wird geschlafen. Der Polog wird im hinteren Teil der Jaranga errichtet, besteht aus einer Lage von vier dicken Winterfellen der Rentiere, um die ein dichter Vorhang aus weiteren Rentierfellen gehängt wird. Wenn es in der Tundra im Winter bei -40 Grad Celsius stürmt und schneit, dann ist es im Polog dank der guten Isolation durch die Rentierfelle und der Eigenwärme der Bewohner immer noch kuschelige 20 Grad warm.
Der Komfort des Hirtendaseins: Oma Olga mit ihrem Enkel Wanja, der auch Rentierhüter ist (©Steffen Graupner)
Hier wurde Oma Olja geboren, irgendwo in der Tundra. Da, wo ihr Vater im Winter 1941 oder 1942 gute Futtergründe gefunden hatte für die Herde, die er zusammen mit anderen, zwischenzeitlich zwangskollektivierten Hirten bewacht hat. Wann genau das war, kann Oma Olja nicht sagen. Sie erinnert sich noch, dass sie das in der Sowjetunion fürs Heiraten notwendige Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht hatte. Da sie aber „zum Glück“ keinen Pass oder Ausweis hatte, haben ihre Eltern das Problem gelöst, in dem sie ein „passendes“ Geburtsjahr nannten.
In der Tundra, so Oma Olja, war es sowieso egal, wie alt man war bei der Hochzeit. So wie sich zwei Menschen verliebt haben, und beschlossen, zusammen zu leben, haben sie in die Jaranga der Eltern einen eigenen Polog eingehängt und waren fortan offiziell „verheiratet“. Ohne Trauschein und all die Papiere die die neuen Machthaber mit in die Tundra brachten. Papier, so Oma Olja, ist nur in den Städten zu irgendetwas nutze.
Zeit ihres Lebens war Olja die Frau eines Rentierzüchters, ist mit ihm und der gemeinsamen Jaranga im Rhythmus der Jahreszeiten von Weideplatz zu Weideplatz gezogen. Irgendwann in den 70er Jahren hat man ihnen dann ein Häuschen in der zentralen Siedlung Ajon auf der gleichnamigen Insel zugewiesen. Ihre Kinder sind im Dörfchen zur Schule gegangen und haben in der Gebietshauptstadt Pevek Berufe gelernt. Aber die Ferien, vom ersten Juni bis zum ersten September, verbrachten sie mit den Eltern in der Tundra bei den Rentieren.
Im Gesicht die Spuren der Zeit: Oma Olga im Sommer-Pelz, selbst im August ist es hier eher kühl (©Steffen Graupner)
So ist auch ihr Sohn Rentierhirte geworden. Und ihr Enkel ebenso. Wanja schenkt Tee nach, und er bedient sein Smartphone mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie die jahrtausende alten Systeme der Jaranga. Oma Oljas Jaranga, erzählt uns Wanja, hat noch immer das Holzgerüst des Urgroßvaters. Gut gepflegt, kann es mehrere Generationen überdauern. Nur der Bezug aus Rentierfellen muss alle paar Jahre erneuert werden, wenn Wind und Sonne das Leder mürbe gemacht haben. Wanjas Frau näht bereits einen neuen Bezug.
Oma Oljas Jaranga steht zur Zeit hinter dem Dorf, das Zelt wurde anlässlich des alljährlichen „Fests der jungen Rene“ aufgebaut. Für die Ankunft der HANSEATIC vor der Insel Ajon hat man es stehen lassen, um uns das traditionelle Leben in der Tundra zeigen zu können. Die alte Dame schwärmt davon, wie gut es sich hier drin lebt. Selbstverständlich seien Krankenhaus und Dorfladen nicht zu verachten. Doch vor allem freut es Oma Olja, dass ihre Enkel selbstbestimmt entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Und dass sie sich das beste heraus suchen können – aus der neuen und aus der alten Zeit.
Wieder zieht Oma Olga an ihrer Zigarette. Das Rot der Glut flammt auf. Und verblasst. Rauch weht durch das Zelt.
Einst Wohnstatt für Generationen: Heute wird die Jaranga vor allem zu Anlässen aufgebaut (©Steffen Graupner)
22. August 2014
Eine Welt wie nicht von dieser Welt – Chetyryokhstolbovoy
Eine Botschaft Außerirdischer? Stonehenge in Sibirien? Die Felsnadeln der Medweschji-Inseln (©Franz Gingele)
von Franz Gingele
Meldung von der Brücke +++ Datum: Freitag, 22. August 2014, 1200 Uhr +++ Position: 70°40‘ Nord; 162°30‘ Ost +++ Ort: auf See, bei den Medvehzi Inseln +++ Himmel: sonnig +++ Lufttemperatur: 10 Grad +++ Wassertemperatur: 3 Grad +++ Wind: Süd 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1,5 Meter +++ Eis: kein Eis +++ Besonderheiten: Ankern vor der Insel Chetyryokhstolbovoy (Östlichste Medvehzi Inseln): ‚Burg mit den vier Zinnen‘, es stehen vier Fels-Nadeln auf dem höchsten Punkt der Insel.
Chetyryokhstolbovoy – was ein Zungenbrecher! Übersetzt heißt es: “Burg mit vier Zinnen”. Sie ist unser erstes Ziel in den 100 Kilometer vor der Kolymamündung gelegenen Medweschji-Inseln. Schon von weitem sind die zwei spitzen Felspfeiler auf der kuppelförmigen Insel zu erkennen. Bereits Nordenskjøld hatte sie während der ersten erfolgreichen Befahrung der Nordostpassage richtig als Verwitterungsreste eines großen Granitplutons bestimmt. Plutone entstehen, vereinfacht gesagt, wenn flüssiges Magma in bereits feste Gesteinsschichten eindringt und den Fels quasi nach oben drückt. Doch kann es dabei zu bizarren Erscheinungen kommen wie die Greifensteine im Erzgebirge oder die Formationen in der Sierra Madre. Und wenn man mit dem Boot auf eine karge, eher wie ein umgestülpter Teller aussehende Insel zufährt, dann wirken die aufrecht stehende Felsnadeln fast unheimlich.
Wie ein ferner Planet: Schwarzes Geröll, braunes Land, ein blass-blauer Himmel und bizarrer Fels (©Franz Gingele)
Von unserer Anlandestelle bei einer verlassenen Polarstation scheint es, als könne man die beiden Felspfeiler in einem kurzen Spaziergang erreichen. Doch erst nach einer Stunde Marsch über weiche, wassergetränkte Tundra und große Felsblöcke stehen wir unterhalb der Nadeln. Sie sind viel höher als es von weitem den Anschein hat. Wir schätzen den höchsten der beiden Felsen auf knapp 40 Meter. Warum sie stehenblieben während der sie umgebende Granit in den Jahrmillionen sichtbar zu Scherben zerfiel, können wir nur vermuten. Es fällt auf, dass beide Felsnadeln sehr glatt sind und einen ungewöhnlich hohen Quarzgehalt aufweisen. Das harte Mineral Quarz hat wohl dafür gesorgt, dass dieser Bereich des Granitplutons der Verwitterung so lange widerstehen konnte.
Die Gruppe der Reisenden, die am Landausflug zu den Felsnadeln teilgenommen hat, zerstreut sich. Manche streifen ein wenig umher. Andere inspizieren den Fels. Und wieder welche sitzen in der arktischen Sonne und betrachten die krassen Gesteinsformationen. Wer als Teilnehmer der Fahrt mit der HANSEATIC durch die Nordostpassage danach gesucht hat, eine Bestätigung dafür zu erhalten, dass dies eine Reise ist, die einen in eine Welt führt fern ab von dieser Welt, dann kann man dem hier nach spüren.
Puzzlesteine: Man weiß, wie Plutone entstehen. Warum aber dieser noch steht, weiß man nicht (©Franz Gingele)
24. August 2014
Vom Leben in der Tundra – ein ganz und gar ungewöhnliches Tier
Vielleicht schon ein Teenager? Diese Raupe hat eine ganz eigenwillige Überlebensstrategie (©Sylvia Stevens)
von Sylvia Stevens
Meldung von der Brücke +++ Datum: Sonntag, 24. August 2014, 1200 Uhr +++ Position: 75°00‘ Nord; 136°36 Ost +++ Ort: auf See, nahe der Neusibirischen Inseln +++ Himmel: bedeckt +++ Lufttemperatur: 8 Grad +++ Wassertemperatur: 3,5 Grad +++ Wind: SüdOst 6 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1,5 Meter +++ Eis: zur Zeit kein Eis +++ Besonderheiten: am 24. August vormittags viel Eis an der Küste der südlichsten Neusibirischen Insel
“Woolly Bear”. Woran denken Sie, wenn Sie diesen Namen lesen, “Wolliger Bär”? Doch nicht an eine Raupe, oder? Dabei war eine solche das Highlight unserer heutigen Anlandung auf Krestovsky, die zu den Medwetschi Inseln gehört. Die kleine Raupe mit dem putzigen Namen lebt in der Tundra. Und sie hat einen faszinierenden Lebenszyklus: Werden die meisten Raupen nur zwei bis vier Wochen alt, dann verpuppen sie sich zu Faltern, lebt diese Raupe erstaunliche 14 Jahre!
Im Sommer krabbelt sie für etwa drei Wochen durch die Tundra, frisst Polarweide und lässt sich die Sommersonne auf den braun-schwarzen Pelz scheinen. Dann verschwindet sie, gräbt sich ein und bleibt für die verbleibenden elf Monate und den ganzen Winter unter der Schneedecke. Das geht 13 Jahre lang so, im Winter wird sie tief gekühlt und im Sommer wieder aufgetaut. Und dann, im 14. Jahr, spinnt sie einen Kokon, verpuppt sich und wird zu einer Motte, zur Tiger-Motte. Die Weibchen suchen sich einen Partner, sie paaren sich, das Weibchen legt ihre Eier und stirbt. Nach 14 Jahren und zwei Wochen.
Diese Raupen können den eisigen Winter überleben, indem sie Antifroststoffe, also Glycol, in ihrem Blut haben, die den Gefrierpunkt in ihren Zellen senken und die Bildung von Eiskristallen verhindern. In Kanada und im Osten der USA gibt es den Aberglaube, dass man am Fell der Motte die Härte des kommenden Winters absehen könne, dafür gibt es richtige Woolly-Bear-Festivals. Doch dabei ist die eigentliche Aufgabe des Tiers, für die Bestäubung der Pflanzen zu sorgen. Wie das in dieser kalten Region funktioniert, dazu später mehr. Wir lassen den kleinen wolligen Bären jetzt weiter die Sonne genießen.
am selben Tag
Einsame Welt im hohen Norden – Neusibirische Inseln
Einsam im hohen Norden liegen die Neusibirischen Insel, oft umgeben von einem dichten Packeisgürtel, wie ihn auch diese Satellitenaufnahme zeigt (©„New Siberian Islands MODIS“, Satellite image created by the MODIS Rapid Response System)
von Matthias Meyer
Meldung von der Brücke +++ Datum: Sonntag, 24. August 2014, 1200 Uhr +++ Position: 75° 00′ Nord, 136° 36′ Ost +++ Ort: auf See, nahe der Neusibirischen Inseln +++ Himmel: bedeckt +++ Lufttemperatur: 8 Grad +++ Wassertemperatur: 3,5 Grad +++ Wind: Süd-Ost 6 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1,5 Meter +++ Eis: hier kein Eis +++ Besonderheiten: Am Vormittag viel Eis an der Küste der südlichsten Neusibirischen Insel.
Heute erreichen wir die Neusibirischen Inseln, eine unbewohnte Inselgruppe in der Laptev See, einsam im hohen Norden gelegen. Hier wurden vielerorts Knochen und Stoßzähne von Mammuts gefunden. Wir steuern Kotelny an, eine der größeren Inseln, am Morgen taucht sie aus dem Nebel auf. Auf der Insel gibt es eine aktive Polarstation, unser Besuch wird für die russischen Stationsmitglieder sicherlich eine willkommene Abwechslung sein, eine Kiste mit Gemüse und Obst haben wir bereits vorbereitet. Aber ein dichter Eisgürtel liegt vor der Insel, ein Durchkommen mit unseren Zodiacs ist unmöglich, und auch die Hanseatic kann sich nicht näher heranpirschen, das Wasser ist zu flach.
Wieder einmal ist Flexibilität gefragt. Wir setzen uns zusammen (Kapitän, Expeditionsleiter, ich) und studieren die Karten. Welchen alternativen Landeplatz könnten wir anlaufen. Wir entscheiden uns für die im Westen von Kotelny gelegene Insel Belkowsky. Am Nachmittag erreichen wir sie. Zwischen schroffen Steilküsten öffnen sich Buchten. Wir suchen uns eine landschaftlich schöne Bucht aus. Zodiacs werden zu Wasser gelassen. Wir setzen über, stoßen auf einige Hütten, die aus angeschwemmten Treibholz gebaut wurden. Und nachdem wir verwitterte Fallen entdeckt haben, wissen wir, hier haben früher Pelzjäger wahrscheinlich Polarfüchse gejagt. Wir machen uns daran, die Landschaft zu erkunden… (und ich werde erst bei der Rückkehr feststellen, dass ich vor lauter Organisationseifer vergessen habe, eine Kamera mitzunehmen).
Blick durch das Bullauge auf das “Pfannkucheneis” vor den Neusibirischen Inseln (©Trixi Lange-Hitzbleck)
25. August 2014
Extremisten im Eis – Pflanzen und Flechten in der Arktis
Portrait einer Gruppe von Extremisten: Flechten überstehen sogar eine Reise ins All (©Brigitte Fugger)
von Brigitte Fugger (Foto und Text)
Meldung von der Brücke +++ Datum: Montag, 25.August, 1200 Uhr +++ Position: 76°46‘ Nord; 149°31 Ost +++ Ort: auf See, 2 Meilen westlich der Bennett Insel +++ Himmel: neblig +++ Lufttemperatur: 3,5 Grad +++ Wassertemperatur: 2 Grad +++ Wind: Süd 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1 Meter +++ Eis: zur Zeit kein Eis +++ Besonderheiten: Umrundung der Bennett Insel, viel Nebel, wenig zu sehen, trotz einer geringen Distanz von nur 1 nautischen Meile.
Wir durchpflügen die Laptew-See auf unserem Weg zu den De-Long-Inseln ganz im Norden der Neusibirischen Archipels, und das bedeutet: Wir sind unterwegs in das Reich der Arktischen Kältewüsten. Das klingt genauso frostig wie es ist: Die mittlere Temperatur des „wärmsten“ Monats Juli steigt nicht über zwei Grad Celsius (immerhin noch im Plus-Bereich), der Jahresniederschlag liegt bei nur 100-200 Millimetern, die Bodenbildung ist minimal. Dazu kommen extreme Lichtverhältnisse: eine harte UV-Strahlung und jede Menge Wind – eine Pflanze, die hier überleben will, muss besonders hart im Nehmen sein.
Doch es gibt nicht nur eine, mehr als 60 Blütenpflanzen-Arten trotzen mit raffinierten Strategien dem „Kältetod“. Dass sie hier aber überhaupt wachsen können, verdanken sie einem unansehnlich gräulichen Teppich aus winzig kleinen Pilzen, Moosen, Flechten, grünen und blaugrünen Algen. Diese Mikrobiotische Kruste ist der Anfang und die Basis allen Lebens auf lockeren arktischen Böden. Sie stabilisiert das Erdreich, saugt Feuchtigkeit auf und liefert die notwendigen Nährstoffe für die Ansiedlung höherer Pflanzen.
Blütenpflanzen spielen in den Arktischen Kältewüsten jedoch nicht die Hauptrolle, obwohl uns ihre nurmehr Zentimeter durchmessenden Kissen und Blattrosetten immer wieder begeistern. Die Hauptproduzenten organischer Materie in diesem extremen Lebensraum sind vielmehr die Härtesten der Harten: die Moose und vor allem die Flechten. Letztere können auf – und sogar in (!) – blankem Fels wachsen. Sie überleben in 5.000 Meter Höhe im Himalaya, und auf dem superkalten Antarktischen Kontinent sind sie bis zum 86. südlichen Breitengrad vorgedrungen.
Ihr Trick: Bei extremen Temperaturen verfallen die Flechten in Trockenstarre und können so sowohl minus 50 Grad Kälte als auch 80 Grad Hitze wegstecken. Im Experiment haben sie sogar schon ein Bad in flüssigem Stickstoff und damit eine radikale Abkühlung auf minus 196 Grad überstanden. Und als man einige Flechten im Jahr 2005 zur Internationalen Weltraumstation mitnahm und sie zwei Wochen ungeschützt nach draußen setzte – haben sie auch das überlebt!
Was aber sind eigentlich Flechten? Nun, sie sind weder Pflanze noch Pilz, sondern vielmehr eine extrem enge, symbiotische Lebensgemeinschaft von Schlauchpilzen und einzelligen grünen oder blaugrünen Algen. Dabei bietet der Schlauchpilz der Alge einen Platz zum Leben in seinem Vegetationskörper, schützt sie damit vor der harten UV-Strahlung und hält sie so lange es geht feucht. Und die grüne oder blaugrüne Alge bezahlt ihre „Miete“ mit den Produkten ihrer Photosynthese, also mit Zuckeralkoholen, reiner Glukose oder mit reduziertem Stickstoff.
Flechten wachsen in den unterschiedlichsten Formen: Da gibt es Gallert-, Becher- und Krustenflechten, Strauch-, Blatt- und Laubflechten. Und sie alle produzieren über 600 verschiedene Stoffe, darunter viele Säuren, von denen einige als Sonnen- und Frostschutz dienen, während andere das Gestein angreifen, auf dem sie wachsen. Undzwar seeeehr langsam wachsen. Einige Zehntelmillimeter pro Jahr, das ist für so eine arktische Krustenflechte, wie die jetzt vor uns liegt, schon recht flott. Dafür werden Flechten aber auch sehr alt – mehrere hundert Jahre, in einem Fall konnte man ein Alter von mehr 4.500 Jahren nachweisen.
Schönheit liegt im Auge des Betrachters: Portrait einer Krustenflechte im Regen (©Brigitte Fugger)
am selben Tag
Wahre Walross-Liebe – Bennett Island
von Trixi Lange-Hitzbleck (Foto und Text)
WAHRE WALROSS-LIEBE. Ganz am Ende des Strands sollen zwei Walrosse schmusen, so hieß es. Mit einer kleinen Gruppe von Gästen schleichen wir uns an. Schon ein paar andere Nordostpassagen-Parka haben sich in Position gebracht. Anders als die See-Elefanten von Südgeorgien, die bis zu drei Tonnen schweren Beachmaster, sind die hiesigen Walrosse kleiner, haben dafür aber schwere Hauer. Die beiden Tiere mustern uns gründlich. Und fangen an, sich gegenseitig mit ihren Hauern zu kratzen. Ahh, dafür dienen also die großen Zähne.
Keine 15 Meter trennen mich von ihnen. Der russische Ranger Sergej nähert sich den beiden ganz langsam. Sie robben ins Meer, nur, um gleich wieder an Land zu kommen. Schließlich kuscheln sie sich am Strand aneinander, das eine Tier legt seine Flossen auf den Rücken des anderen. Und sie schlafen gemeinsam ein. Das nenne ich wahre Walrossliebe.
27. August 2014
NORD-REKORD!
Gestern Mittag erreichte das Schiff die nördlichste Position, die bisher je mit einem Passagierschiff befahren wurde: 85° 40,7′ Nord und 135° 39,6′ Ost. Auf dieser Breite war die HANSEATIC nur noch 480 Kilometer vom Nordpol entfernt.
Kapitän Natke: „Eine ungewöhnliche Eislage hat diesen Rekord ermöglicht. Nördlich der neusibirischen Inseln in der russischen Arktis erstreckte sich eine große eisfreie Zone des Polarmeeres Richtung Norden, die zu diesem spontanen Abstecher genutzt wurde.“ Die Passagiere unternahmen bei Temperaturen um null Grad und frischem Nordostwind eine Zodiac-Rundfahrt entlang der Packeiskante. Anschließend wurde dieses Ereignis bei einer Party an Deck gebührend gefeiert.
Hinweis: Dies ist die Facebook-Version der Pressemeldung. Wir hatten längere Zeit keinen Kontakt zum Schiff. Deshalb haben wir vom Blog-Team versucht, diesen Punkt in einer Google Maps-Darstellung zu visualisieren. Und mussten die Erfahrung machen: Die HANSEATIC befindet sich außerhalb des Empfangsbereichs eines Kommunikationssatelliten, sondern auch außerhalb der Google-Welt. Eine kurze Recherche ergab, die meisten Kartendarstellungen enden bei 85.05115, also deutlich unterhalb des vom Schiff erreichten Punktes (85.668611). Google Maps stellt das gar nicht dar, oben ein Screen-Shot aus Bing-Maps. Sobald die HANSEATIC wieder Kontakt zu einem Kommunikationssatelliten hat, werden wir aktuelles Material zeigen.
Bug mit Eis und Eisbär: HANSEATIC am nördlichsten Punkt, den je ein Passagierschiff erreicht hat (©Trixi Lange-Hitzbleck)
NORD-REKORD! Eine E-Mail vom Kapitän der HANSEATIC
von Kapitän Thilo Natke
Es ist heutzutage nicht mehr ganz einfach, neue Rekorde in der Polar- und Seefahrtsgeschichte zu schreiben, aber durch einen glücklichen Umstand ist es der HANSEATIC am 27. August gelungen: Unser Expeditionsfahrplan durch die Nordostpassage ließ ein wenig Zeit, die wir zu einem spontanen Abstecher in den hohen Norden weit abseits unseres Kurses nutzen wollten. Unser Ziel: „Phi max“ – die höchste geografische Breite, die ein Passagierschiff mit konventionellem Antrieb jemals erreicht hat. Und es glückte!
Die Eiskarte zeigte eine ungewöhnliche Eislage. Der arktische Sommer hatte eine große Zone eisfreien Wassers in Richtung Nordpol geschaffen. Unter guten Wetterbedingungen mit „angenehmen“ Temperaturen um null Grad ging es von den Neusibirischen Inseln 470 Seemeilen direkt nach Norden. Erst auf 85 Grad trafen wir auf einzelne Packeisfelder, die der Nordwind der letzten Tage von der Packeiskante gelöst und nach Süden gedrückt hatte. Mit langsamer Fahrt tasteten wir uns, zeitweise im Nebel, voran, bis auf der Breite von 85° 40,7‘ N nichts mehr ging: Polares Packeis mit einer Bedeckung von 9/10 erstreckte sich bis zum Horizont. Nur noch 479 km bis zum Nordpol!
Schnell waren die Zodiacs zu Wasser gelassen und die Passagiere konnten aus der „Höhe null“ bei einer Fahrt entlang der Packeiskante ein besonderes Eis-Feeling bekommen. Die Stimmung war ausgelassen, fast alle wollten auf der Brücke die Anzeige auf dem GPS-Gerät fotografieren. Der Beweis!
Dann eine Durchsage: „Alle Passagiere auf die Back!“ Es sollte ein gemeinsames Erinnerungsfoto an dieses denkwürdige Ereignis geschossen werden. Eine spontane Party an Deck mit Glühwein und Hot Dogs rundete das Programm ab. Drei Stunden später wendete die HANSEATIC ihren Bug nach Süden, Kurs Kap Tscheljuskin. Ein spektakuläres Erlebnis ging zu Ende.
Beweise für einen besonderen Rekord: GPS-Daten und das making of des Gruppenbilds (©Trixi Lange-Hitzbleck)
am selben Tag
Happy Birdwatching
Text: Brigitte Fugger, Foto: Florian Heuer
Heute wurde der arktische Traum eines manchen Vogelfreundes wahr. Es geschah auf 85° 40′ nördlicher Breite während der Reise mit der HANSEATIC über die Nordostpassage, auf einer Zodiakfahrt entlang der Kante des nordpolaren Meereises. Im Anflug plötzlich vier kleinere, sehr helle Möwen. Schnell der Griff zum Fernglas, sind es wieder Dreizehenmöwen, die uns bis in den “Hohen Norden” begleitet haben? Ein kritischer Blick, dann der Aufschrei: Das ist sie! Der zarte Bau, der keilförmige Schwanz, der kurze schwarze Schnabel – die sagenhafte Rosenmöwe!Der Verbreitungsschwerpunkt der Rosenmöwe liegt zwar so etwa zwischen der Wrangel-Insel und den Neusibirischen Inseln, und damit in unserem Fahrtgebiet. An ein Zusammentreffen mit dieser äußerst seltenen Möwenart wirklich geglaubt hat wohl niemand, weder Gast noch Experte… Und dann gleitet sie einfach so über unsere Köpfe hinweg. Meine Güte!Noch zwei, drei weitere Male können wir einen Blick auf die Rosenmöwen werfen. Drei dieser Seltenheiten tragen noch ihr weiß-graues Jugendkleid mit den schwarzgesäumten Handschwingen und dem auffälligen schwarzen “W” auf den Oberflügeln. Aber bei Vogel Nummer vier erkennen wir deutlich rote Füße, einen Überrest des schwarzen Brutzeit-Halsbands und den typischen – im Deutschen namensgebenden – altrosa Schimmer auf Brust und Bauch.Ob diese ausgefallene Farbe der Rosenmöwen aus dem Öl ihrer Bürzeldrüse stammt, mit dem sie ihr Gefieder imprägnieren oder von den kleinen planktonischen Krebsen, die sie aus dem Meer fischen, wird kontrovers diskutiert. Noch weiß man einfach zu wenig von dieser nördlichen Rarität, die übrigens erstmals von dem Polarforscher James Clark Ross im Juni 1823 durch Abschuss entdeckt wurde. So bekam sie ihren englischen Namen “Ross’s Gull”.
31. August 2014
Wenn die Luft nach Winter riecht – Komsomol Insel
Eisblume: Von einer zarten Eisschicht überzogen leuchten dieser rote Steinbrech im Mittagslicht (©Christine Reinke-Kunze)
von Christine Reinke-Kunze
Meldung von der Brücke +++ Datum: Sonntag, 31. August 2014, 1200 Uhr +++ Position: 80°36‘ Nord, 098°14‘ Ost +++ Ort: östlich der Insel Komsomol +++ Himmel: bedeckt +++ Lufttemperatur: 3,5 Grad +++ Wassertemperatur: 0 Grad +++ Wind: Süd 5 Beaufort +++ Wellenhöhe: 0 Meter +++ Eis: zwischen der Hanseatic und der Insel liegt ein großes Eisfeld, ansonsten vereinzelte Schollen und Eisberge, um die es zu umfahren gilt +++ Besonderheiten: Nachmittägliche Ausfahrt mit Zodiacs in der Mikoyana Bucht zum Eisberge schauen.
Bei Temperaturen um Null Grad Celsius absolvierten die Passagiere auf der zum Archipel von Sewernaja Semlja gehörenden Komsomolez-Insel einen wunderschönen Spaziergang am Sonntagmorgen. Einsetzender Schneefall signalisierte, dass der Winter hier in Kürze Einzug halten wird. Auch die Begegnungen der beiden vorangegangenen Tage mit diesem erst seit 1913 entdeckten und kartierten Archipel beinhalteten für die Besucher zahlreiche wunderschöne Naturerlebnisse.Tags zuvor hatten sie die Bolschewik-Insel erkundet und eine zauberhafte Tundralandschaft mit ihren kleinen arktischen Pflanzen näher kennengelernt. Besondere Aufmerksamkeit fanden die Blüten verschiedener Steinbrecharten, die von winzigen Eiskristallen überzogen waren. Im Wasser tummelten sich zudem Bartrobben, die ihrerseits neugierig ihre Hälse reckten und die seltsamen Zweibeiner beäugten.
Wenn die Kälte kommt: glitzern die Pflanzen in der Sonne und vergehen im Schnee (©Christine Reinke-Kunze)
Den Besuch einer mittlerweile aufgegebenen russischen Polarstation vereitelte ein mächtiger Eisbär. Er hatte in Sichtweite der alten Hütten Position bezogen und machte keine Anstalten sich zu entfernen.Ein weiterer Höhepunkt der Zeit auf der Bolschewik Insel war eine Zodiacfahrt zwischen zahlreichen, bizarren Tafeleisbergen in der Mikojana Bucht. Derartige Eisberge gibt es nur an ganz wenigen Orten in der Arktis, sie bestimmen normalerweise das Bild antarktischer Gewässer. Doch einige der ganz großen Gletscher dieser abgelegenen Inselwelt sind die Quelle dieser mächtigen, eisigen Gebilde.
Slalom im Eis: Mit dem Zodiac durch die bizarre Welt der Tafeleisberge (©Christine Reinke-Kunze)
31. August 2014
Eisfahrt – durch die zart überfrorene Mikoyana Bucht
Meer hinter Glas: Eine zarte Eisschicht bedeckt den Fjord und bricht klirrend am Bug der HANSEATIC (©Steffen Graupner)
von Steffen Graupner
Meldung von der Brücke +++ Datum: Sonntag, 31. August 2014, 1200 Uhr +++ Position: 80°36‘ Nord, 098°14‘ Ost +++ Ort: östlich der Insel Komsomol +++ Himmel: bedeckt +++ Lufttemperatur: 3,5 Grad +++ Wassertemperatur: 0 Grad +++ Wind: Süd 5 Beaufort +++ Wellenhöhe: 0 Meter +++ Eis: zwischen der HANSEATIC und der Insel liegt ein großes Eisfeld +++ Besonderheiten: Ausfahrt mit Zodiacs in der Mikoyana Bucht zum Eisberge anschauen.
Ein feines gläsern-metallisches Klirren dringt in meinen morgendlichen Schlaf. Noch traumtrunken suche ich nach einer Erklärung für diesen Klang, wo habe ich ein solches Geräusch schon einmal gehört habe? Am ehesten in einem Kriminalfilm, wenn der Meisterdieb mit seiner Beute in einem Sack türmt und das Silber klingelt. Doch dann fällt es mir wieder ein, und ich sprinte an Deck, um der HANSEATIC dabei zuzusehen, wie sie sich durch das dünne Eis bricht, das den Achmatow-Fjord bedeckt.Minus sieben Grad Lufttemperatur zeigt das Thermometer an und dieser erste Nachtfrost des Herbstes hat den Fjord oberflächlich gefrieren lassen. Die Eisschicht ist weniger als einen Zentimeter dick und zerspringt in unzählige kleinerer und größerer Eisplättchen, wenn sich das Schiff hindurch schiebt. Weder für die HANSEATIC, noch für die Zodiacs ist das Herbsteis ein Hindernis, und wir können Anlanden zu einem Tundra-Spaziergang. Wie das Wasser sind auch die wenigen Pflanzen an Land von einer feinen Eis- und Raureifschicht überzogen. Zauberhaft glitzern die Blüten und Stengel, wie von einer Zuckerschicht überzogen. Perfekte Motive für eine ausgiebige Fotosession.
Fotosession zu den schockgefrosteten Schönheiten: Von zartem Raureif überzogen leuchten die Blumen (©Steffen Graupner)
Am Mittag – inzwischen hat die nun halbhoch stehende Sonne das Eis schmelzen lassen – fahren wir aus dem Achmatow-Fjord heraus und setzen Kurs Nord auf die nördliche der drei großen Inseln Sewernaja Semljas: die Komsomolzen-Insel. Bald sind wir von unzähligen Eisbergen umgeben, deren Form die Fantasie anregen und Anlass geben zu den abenteuerlichsten Namensgebungen. Mir gefällt „Die Eiskrone“ am besten.Sewernaja Semlja ist zu mehr als der Hälfte seiner Landfläche mit mächtigen Gletschern überzogen, die bis zu 760 Meter dick sind. Insgesamt 5000 Kubikkilometer Eis lasten auf dem Archipel. Die Klimadynamik der vergangenen drei Jahrzehnte hat hier einen Masseverlust von etwa zwei Prozent erbracht, das sind keine dramatischen, aber doch ernstzunehmende Werte.
Ausfahrt in den Skulpturenpark des Frosts: Die HANSEATIC liegt vor Anker, die Zodiacs schwärmen aus (©Steffen Graupner)
Dabei zeigt sich auch hier, dass die Dinge in der Natur nicht immer so einfach liegen, wie wir Menschen es gerne hätten. Denn während die Gletscher auf der Ostseite der Insel schmelzen, wachsen sie an der Westseite an. Das ist insofern verwunderlich, als dass die Laptew-See im Osten etwa ein Grad Celsius kälter ist als die Karasee im Westen. Für dieses Paradoxon gibt es keine Erklärung.Der große Akademie-der-Wissenschaften-Gletscher, von dem „meine“ Eiskrone ganz sicher stammt, schiebt sich derzeit mit 87 Zentimeter pro Tag in die Laptew-See hinaus, wo an seiner Kante die Eisberge abbrechen. Etwa einen halben Kubikkilometer Eis pro Jahr entlässt der Akademie-Gletscher auf diese Art in die Krenkel-Bucht und bereitet der HANSEATIC ein natürliches, weiß-blaues Amphitheater.Auf einer Zodiacrundfahrt pirschen wir uns näher an die Eisberge heran, entdecken neue Formen. Als Bergsteiger begeistert mich besonders ein Matterhorn aus Eis. Zu schade, dass ich bei der Anreise nach Nome neben Anzug, Hemd, Laptop und Fotoausrüstung keinen Platz im Rucksack mehr hatte für Steigeisen und Steileisgeräte.
Man kann gar nicht genug davon kriegen, so wunderschön gleiten die Eisberge durch das Wasser (©Steffen Graupner)
1. September 2014
White Beauty – die Elfenbeinmöwe
von Steffen Graupner (Fotos und Text)
Meldung von der Brücke +++ Datum: Montag, 01. September 2014, 1200 Uhr +++ Position: 80° 41‘ Nord, 092° 57‘ Ost +++ Ort: Schmidt Insel +++ Himmel: sonnig, bewölkt +++ Lufttemperatur: 1 Grad +++ Wassertemperatur: 0 Grad +++ Wind: Süd 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 0 Meter +++ Eis: Eisberge, vereinzelt Eisschollen +++ Besonderheiten: Anlandung mit Zodiacs in der Zhuravlyov Bucht.
Pagophila Eburnea erweist ihrem lateinischen Namen alle Ehre. „Pagophila“ bedeutet „die Eisliebende“, und „Eburnea“ deutet auf das elfenbeinfarbene Gefieder hin. Einen passenderen Ort für die Eis-, bzw. Elfenbeinmöwe als die Schmidt-Insel kann man sich nicht vorstellen: Die Insel an der Nordspitze Sewernaja Semljas auf über 81 Grad Nord ist nahezu kreisrund, hat einen Durchmesser von 30 Kilometern und zur Gänze mit einem mehr als 300 Meter mächtigen Gletscher bedeckt. Wie ein perfekter Schild fällt der von der Inselmitte zu den Rändern hin ab, um in einer wenige Meter hohen Eiskante ins Meer einzutauchen. Nur an einer winzigen Stelle im Norden hat der Gletscher einen einzigen winzigen Quadratkilometer Landfläche vom Eis verschont. Platz genug also für eine Brutkolonie Eismöwen, die ihre Nester direkt auf dem Frostschuttboden anlegen und im Meer um die Schmidt-Insel nach Nahrung fischen. Auf diesen Ausschnitt konzentriert sich alles Leben der Insel.
Ihren Namen hat die Insel vom deutschstämmigen russischen Polarforscher Otto Juljewitsch Schmidt, und der hätte garantiert seine Freude gehabt an der Verbindung seines Namens mit einer Kolonie dieser eleganten Vögel. Denn ein besonderer „Paradiesvogel“ war er selbst: ein genialer Mathematiker und Geophysiker, in Gnade beim Zaren und in der jungen Sowjetunion, Impulsgeber, Organisator und Expeditionsleiter zahlreicher Polarfahrten in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, politisch einflussreicher Strippenzieher im russischen Norden, erster Chef der neuen sowjetischen Hauptverwaltung des nördlichen Seeweges (= unsere Nordostpassage), abgelöst von Stalin und mit Glück und Geisteskraft Überlebender der schlimmen 1930er Jahre, und heute wieder in Ehren stehender Held der russischen Polargeschichte.
Am Strand wartet schon ein Eisbär auf uns, deshalb verschiebt sich unsere Landestelle ein wenig. Als wir dann endlich am Ufer stehen, scheint direkt vor dem Gletscher ein Schneesturm aufzustieben – überall sind weiss wirbelnde Flocken in der Luft. Doch beim Näherkommen lösen sich diese „Schneeflocken“ auf, und wir erkennen einen großen Schwarm Elfenbeinmöwen. Ursi und Bruno, unsere begeisterten Ornithologen aus der Schweiz, zählen im Spektiv etwa 800 Tiere. Die bislang bekannten größten Brutkolonien der Elfenbeinmöwe in Grönland umfassen je reichlich 100 Tiere. Offensichtlich bietet die Schmidt-Insel hier beste Bedingungen.
Die Möwen leben oft in der Gesellschaft von Eisbären, ergänzen ihren Speiseplan mit den Resten seines Robbenfangs. Mit einem Lebensraum zumeist jenseits der 75° Nord ist die Elfenbeinmöwe die nördlichste Vogelart der Welt.Und für mich ist sie auch die Schönste: Der Körper ist fast schneeweiß mit einem leicht cremefarbenen Ton, die Beine sind komplett schwarz, um das dunkle Auge hat die Elfenbeinmöwe einen roten Strich Eyeliner gezogen, der Schnabel ist grau-blau mit einer gelb-orangenen Schnabelspitze. Wenn sie elegant in der Luft steht, ist sie vor dem hellgrauen Himmel nur an Schnabel und Augen auszumachen und die Handschwingen scheinen mit den Wolken zu verschmelzen.
am selben Tag
Schönheiten der Arktis – die Blumen Sibiriens
Perfekt angepasst: Wie eine Satellitenschüssel einen Trabanten auf seinem Weg am Firmament verfolgt, richtet sich die Blüte des Arktis Mohns immer an der Sonne aus (©Sylvia Stevens)
von Sylvia Stevens (Fotos und Text)
Meldung von der Brücke +++ Datum: Montag, 01. September 2014, 1200 Uhr +++ Position: 80° 41‘ Nord, 092° 57‘ Ost +++ Ort: westlich der Komsomolsk Insel +++ Himmel: sonnig, bewölkt +++ Lufttemperatur: 1 Grad +++ Wassertemperatur: 0 Grad +++ Wind: Süd 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 0 Meter +++ Eis: Eisberge, vereinzelt Eisschollen +++ Besonderheiten: Anlandung mit Zodiacs in der Zhuravlyov Bucht.
Kahl und karg sieht das Land manchmal aus, wenn man vom Schiff auf die Inseln der Arktis blickt. Doch nichts ist der Wahrheit ferner als dieser erste Eindruck. Denn es gibt erstaunlich viel zu sehen und zu entdecken. So bin ich bei unseren Anlandungen immer wieder verblüfft, wie viele wunderschöne kleine Pflanzen und Blumen in der Tundra der Hocharktis gedeihen. Dabei ist der Sommer wahrlich sehr kurz, selten länger als sechs bis acht Wochen.Es macht Spaß, diese Pflanzen mit unseren Gästen zu entdecken und ihre Überlebensstrategien zu entschlüsseln. Um auf der kalten, immer windigen Tundra wachsen zu können, müssen sich die Pflanzen an einem warmen und windgeschützten Platz festhalten. So findet man sie in Senken, hinter Hügeln, an Bachbetten.
Zart aber hart, die Blumen der Arktis: Knöterich leuchtet in der Wiese, im Silberwurz hockt eine Fliege (©Sylvia Stevens)
Oft werde ich gefragt, wie diese Pflanzen bestäubt werden, wo es doch hier keine Bienen gibt. Aber selbst in dieser kalten Region lebt eine Vielzahl von Insekten – Hummeln, Schmetterlinge und Motten. Wenn es kalt und windig wird, verkriechen sich etwa Fliegen und Mücken in den Blüten, wo die Wärme gespeichert bleibt. Dadurch werden die Pflanzen ebenfalls bestäubt.
Einige Arten, wie die arktische Mohnblume, haben eine Blüte entwickelt, die wie eine Satellitenschüssel aussieht. Und so wie letztere ihrem künstlichen Trabanten am Firmament folgt, richtet sich die Blüte des arktischen Mohns ganz konsequent an der Sonne aus. Und schafft es dadurch, dem entwickelten Samen Wärme zuzuführen. Die Temperatur in einer Arktismohnblume kann bis zu 18 Grad Celsius erreichen. Drinnen ist es für die Mücken und Fliegen dann ganz kuschelig.
2. September 2014
Der Akademik Gletscher – Nowaja Semlja
von Hajo Spitzenberger (Text und Bild)
Meldung von der Brücke +++ Datum: Dienstag, 02. September 2014, 1200 Uhr +++ Position: 79°20‘ Nord, 076°34‘ Ost +++ Ort: westlich der Insel Nowaja Semlja +++ Himmel: bedeckt, regnerisch +++ Lufttemperatur: 2 Grad +++ Wassertemperatur: 2 Grad +++ Wind: Nord 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1 bis 1,5 Meter +++ Eis: kein Eis +++ Besonderheiten: Driften südlich der Wiese Insel und erkunden mit dem Scout-Zodiac, ob eine Anlandung möglich ist – auf Grund von viel Wind, hohen Wellen und sehr sehr flachem Wasser vor der Landestelle fand leider keine Anlandung statt..
Am Morgen des vierten Tages bei den Severnaja Semlja waren wir an der Westküste der Komsomolets-Insel angekommen. Das erste Ziel war der Zhuravlov-Golf, ein tief in die Insel eingeschnittener Fjord, auf der einen Seite von der hocharktischen Wüste der Kosareva-Halbinsel, auf der anderen Seite vom Eis des Akademik-Gletschers eingerahmt. Anfang der 1990er Jahre hatte ich die Gelegenheit den Fjord mit einem Hubschrauber zu besuchen, erinnerte mich an die grandiose Landschaft und wollte nun einen weiteren Versuch starten mit der Hanseatic dorthin zu gelangen. Aber mit einem Hubschrauber zu landen oder mit einem Schiff in solche Gegenden vorzudringen sind zwei Paar Schuhe. Mit dem Schiff ist dort sicher noch nie jemand vor uns gewesen, so dass wir uns viel Zeit mit der Erkundung lassen mussten. Nach etwa einer Stunde hatten wir auf der Westseite des Fjordes eine geeignete Landestelle gefunden. Kurze Zeit später kamen unsere Gäste an Land und konnten bei strahlendem Sonnenschein von den Schnee bedeckten Hügeln der Halbinsel den atemberaubenden Anblick des Akademik-Gletschers auf der anderen Seite des Fjordes genießen, der den größten Teil der Komsomolets-Insel bedeckt.
Das nächste Etappenziel dieses Tages war die Schmidt-Insel, eine fast völlig von einem Schildgletscher bedeckte Insel westlich der Komsomolets-Insel. Nur ein winziger Teil im Norden der Insel ist eisfrei und lässt Anlandungen zu. Mit dem Scoutboot war auch schnell eine geeignete Stelle gefunden, doch in der Nähe schien ein Eisbär nur auf uns gewartet zu haben, denn er kam langsam aber stetig auf die Landestelle zu. Es war ein großes, etwa 4 – 5 Jahre altes Männchen, das offensichtlich den Absprung auf das Packeis verpasst hatte und nun auf der Insel gestrandet war. In aller gebotenen Eile wurde eine andere, weiter entfernt gelegene Landestelle gesucht und gefunden. Der Eisbär war zwar immer noch in Fernglas-Sichtweite, es trennten uns aber doch mindestens drei Kilometer von ihm. Trotzdem wurden Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um nicht von dem mit Sicherheit sehr hungrigen Tier überrascht zu werden. Die Wachposten wurden verstärkt, der Aktionsradius der Gäste an Land begrenzt und alle Aktionen des Bären ständig beobachtet. Der näherte sich im Verlauf der Anlandung auch ständig der Landestelle, blieb aber doch so weit entfernt, dass die Gäste nicht mit den bereit stehenden Zodiacs evakuiert werden mussten. So blieb ausreichend Zeit, um die vielen Elfenbeinmöwen zu beobachten, die auf diesem kleinen eisfreien Flecken der Insel eine Brutkolonie haben und den Blick auf den etwa 400 Quadratkilometer großen Gletscher zu genießen.
Die Bilanz am Ende dieses Tages hieß: Wir waren als Erste mit dem Schiff im Zhuravlov-Golf und sicher auch das erste Expeditionskreuzfahrtschiff auf der Schmidt-Insel.
4. September 2014
Ein Ort des Respekts – Nowaja Semlja
Gedenkstätte in der Weite der Arktis: ein Grundriss aus Holz, ein Kreuz und ein weiter Himmel, durch den Wolken ziehen – an diesem Ort überwinterte der Entdecker Willem Barents mit seiner Crew (©Christine Reinke-Kunze)
von Christine Reinke-Kunze (Foto und Text)
Meldung von der Brücke +++ Datum: Sonntag, 04. September 2014, 1200 Uhr +++ Position: 76°59‘ Nord, 066°54‘ Ost +++ Ort: westlich der Insel Nowaja Semlja +++ Himmel: bedeckt, regnerisch +++ Lufttemperatur: 2 Grad +++ Wassertemperatur: 2 Grad +++ Wind: Nord 3 Beaufort +++ Wellenhöhe: 1 bis 1,5 Meter +++ Eis: kein Eis +++ Besonderheiten: Ankern in der Vitney Bucht mit Zodiac Ausbootung um das Gedenkkreutz für Vitus Barent zu besuchen und die Überreste seiner Überwinterungs-Hütte anzusehen.
Gleich zehn Eisbären hielten sich am Mittwochmorgen bei der russischen Polarstation am Kap Shelanija von Nowaja Semlja auf. Zwei Tage soll die HANSEATIC die Inselgruppe erkunden. Doch aus Sicherheitsgründen wurde auf die erste Anlandung verzichtet, und die Zodiacs holten nur die beiden Ranger ab, die das Schiff während des Besuches auf Nowaja Semlja begleiteten.
Am Nachmittag dann ein grandioser Moment. Wir machen einen Spaziergang in der Bukt Vitney durch die arktische Kältewüste zu einem für die Entdeckungsgeschichte der Nordostpassage wichtigen Ort. Im Spätsommer 1596 fror das Schiff des niederländischen Entdeckers Willem Barents hier ein. Er und seine Männer hatten die Bäreninsel entdeckt und Spitzbergen. Und nun mussten sie in einer winzigen selbstgezimmerten Hütte der Kälte trotzen.
Im Frühsommer 1597 bauten sie zwei kleine Boote und segelten nach Lappland, wo sie gerettet wurden. Die überwiegende Zahl der Teilnehmer der Barents-Expedition hat so die Heimat wieder erreicht. Willem Barents selber ist jedoch auf Novaja Semlja gestorben, sein Grab wurde nie gefunden.
Es war für die Gäste von MS HANSEATIC ein bewegender Moment vor den Fundamenten der kleinen Hütte zu stehen, die ahnen lassen, in welcher Enge die Männer damals gelebt haben müssen. Im arktischen Winter, bei kompletter Dunkelheit und Durchschnittstemperaturen (!) von 15 Grad unter Null. Forscher errichteten hier ein Gedenkkreuz und legten einen Gedenkstein ab. Und wer immer hier steht, wird sich der Magie dieses Ortes nicht entziehen können.
Einst waren Reisen in die Arktis lebensgefährlich: Die Teilnehmer der Barents-Expedition überwinterten in einer winzigen Hütte, Barents selbst verstarb an den Folgen der enormen Strapazen (©Christine Reinke-Kunze)
7. September 2014
Hommage an unsere Begleiter – Murmansk
Die Flügelspitzen schwarz, wie in Tinte getaucht: ein Merkmal unserer Begleiter – der Dreizehenmöwen (©Brigitte Fugger)
von Brigitte Fugier (Foto und Text)
Meldung von der Brücke +++ Datum: 7. September 2014, 1200 Uhr +++ Position: 68°57‘ Nord, 033°02‘ Ost +++ Ort: Murmansk Fischereihafen +++ Himmel: bedeckt +++ Lufttemperatur: 9 Grad +++ Wassertemperatur: 9 Grad +++ Wind: leichte Brisen +++ Wellenhöhe: 0 Meter +++ Eis: kein Eis +++ Besonderheiten: am frühen Morgen Ankunft in Murmansk.
In der Barentssee hat sich ihre Zahl vervielfacht – in ganzen Scharen umkreisen Dreizehenmöwen unser Schiff: Altvögel mit dem kräftig gelbgrünen Schnabel und den typischen schwarzen Flügelspitzen, die aussehen wie in Tinte getaucht. Und ihr Nachwuchs, deren Schnäbel noch dunkel sind, auf den Flügeldecken tragen sie ein schwarzes “W” und hinter dem Auge einen schwarzen Halbmond. Dreizehenmöwen waren unsere stetigen Begleiter auf der Nordostpassage, sogar bis in den nördlichsten Norden.
Dreizehenmöwen sind eher zarte Möwen mit einer Flügelspannweite von nur 90 Zentimetern. Aber was ihnen an Größe fehlt, machen sie durch Lautstärke wett. Oft hört man Dreizehenmöwen-Kolonien schon lange bevor man sie sieht. Ihr typischer Ruf “Kittiwake” prägt deren englischen Namen. Im Deutschen ist die Namensgebung dagegen etwas weniger durchsichtig, denn drei Zehen haben eigentlich alle Möwen?!
Dreizehenmöwen sind die häufigsten Möwen der Arktis, allein auf Nowaja Semlja gibt 40.000 bis 50.000 Brutpaare. Sie sind auch die Möwen, die es am weitesten hinaus aufs Meer zieht. Und sie haben eine Schwäche für Schiffe, sie spielen mit den Luftströmungen und haben immer ein scharfes Auge auf das Kielwasser. Spülen die Schiffsschrauben etwas Fressbares in die Reichweite ihrer hungrigen Schnäbel, stürzen sie sich in gewagten Manövern ins Wasser – oder auf die Kollegin, die schneller war. Mit wenigen Flügelschlägen gewinnen sie dann wieder an Höhe und begleiten uns weiter. Mit unübertrefflicher Leichtigkeit und Eleganz…
Und dafür gilt es jetzt, in den letzten Tagen dieser Reise, Danke zu sagen. Ohne die spielerische Begleitung durch die Dreizehenmöwen wäre es fast ein bisschen einsam gewesen auf dieser Reise.
Je gelber der Schnabel, desto älter das Tier: Dreizehenmöwen sind gute Flieger und sehr neugierig (©Brigitte Fugger)
am selben Tag
Ich kann sagen: Ich war dabei.
Klein im Vergleich zu vielen Kreuzfahrtschiffen. Groß was die Bedeutung für die Kreuzfahrt betrifft: die HANSEATIC
von Kapitän Thilo Natke
Als wir am 7. September um 7 Uhr bei trübem Wetter in den russischen Hafen Murmansk einlaufen, geht für die HANSEATIC eine denkwürdige Reise zu Ende. Es ist geschafft: Die erste Passage eines nicht-russischen Schiffes auf dem „Nördlichen Seeweg“, quer durch die russische Arktis. Obwohl die Reise für unsere Passagiere noch bis ins norwegische Bodö führt, darf heute schon gefeiert werden. Die Querung des Längengrades 33° Ost in der Barents See markiert das Ende einer Expeditionskreuzfahrt, die vor 23 Tagen in Provideniya in der Beringstraße begonnen hatte. 5500 Seemeilen liegen hinter uns – und unzählige Erlebnisse:
Seien es Eisbären, für die unsere Strichliste auf der Brücke zum Schluss nicht mehr ausreichte, Walrosse zu Hunderten, verlassene Polarstationen umgeben von blühender Tundralandschaft, die Landung aller Passagiere auf einer riesigen Eisscholle in der Vilkitzki Straße, der Nordrekord eines Passagierschiffes an der Packeisgrenze nur 480 km vor dem Nordpol, 22 Anlandungen mit unseren Zodiacs, Tageslicht rund um die Uhr oder Eisfelder, die zu durchfahren waren…
Mehr als einmal mussten wir unser Tagesprogramm völlig umstellen. Plan B und C wurden in Kraft gesetzt, wenn eine Landung nicht klappen wollte. Mal war es Nebel, der eine Anlandung verhinderte, mal eine Eisbarriere vor der Landestelle, oder gar Eisbären in Sichtweite an Land, die den Landgängern gefährlich werden konnten. Pioniergeist und Flexibilität waren oft gefragt, und alle haben begeistert mitgespielt in einem Fahrtgebiet, das uns bisher völlig unbekannt war.
Mit dabei war auch immer das Bewusstsein, Teilnehmer einer ganz besonderen Reise zu sein, einen historischen Seeweg neu zu entdecken, der vor 134 Jahren zum ersten Mal von Erik Nordenskjöld gemeistert wurde.
Unsere Passagiere und Besatzungsmitglieder werden sicher noch lange brauchen, um alle Eindrücke, auch die digital festgehaltenen, für sich zu verarbeiten. Und mit einem gewissen Stolz werden unsere Gäste sicher sagen, wenn sie künftig etwas über die Nordostpassage hören oder lesen:
„Ich war dabei, damals im August 2014 auf der Premierenreise der HANSEATIC.“
Rund 30 Menschen diverser Nationalitäten, geeint von einer Erfahrung: die Nordostpassge bewältigt zu haben
14. September 2014
Die stillen Helden der HANSEATIC – Ankunft in Hamburg
Zurück vom Ende der Welt: Am frühen Morgen läuft die HANSEATIC mit langsamer Fahrt in den Hamburger Hafen ein
von Susanne Baade (Fotos) und Dirk Lehmann (Text)
Es ist kurz nach sechs Uhr morgens. Langsam lichtet sich die Dunkelheit im Hafen von Hamburg, und doch sehen nur wenige Menschen das kleine Kreuzfahrtschiff, das die Elbe hinauf fährt. An Bord der HANSEATIC aber sind alle wach, betrachten von den Außendecks die aufwachende Stadt. Und suchen die Ufer ab nach Jubelnden. Müsste man ihnen nicht einen großen Empfang bereiten? Am Cruiseterminal in der Hafencity hat sich eine Schar aufgebaut, ein Transparent haltend, das zur Weltpremieren-Fahrt durch die Nordostpassage gratuliert. Als erstes nicht-russisches Passagierschiff bewältigte die HANSEATIC den Seeweg von der Beringstraße in die Barentssee, von Alaska nach Norwegen. Eine Sensation. Und doch: ganz schön ruhig hier.
Am Kreuzfahrtterminal liegt auch die EUROPA, auch sie hat gerade erst hier fest gemacht, wurde “verholt” – so nennt man das, wenn ein Schiff umgeparkt wird – von der Überseebrücke. Da hatte man an Bord des Luxusschiffes die Hamburger Gourmetnacht gefeiert, ein rauschendes Fest mit rund 500 Teilnehmern. So kommt es zu einer der eher seltenen Begegnungen zweier Schiffe von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten in einem Hafen. Die so unterschiedlich zu sein scheinen. Dem einen rieselt quasi noch das Konfetti aus dem nach Parfum duftenden, kleinen Schwarzen, das diesmal aus Motto-Gründen ein kleines Weißes war, dagegen stecken im Expeditionsparka des anderen noch Sandkörner von einem Strand auf den Neusibirischen Inseln und der Duft der Weite. Und doch verbindet die Schiffe viel – beide sind Vorreiter ihrer Branche.
Großer Bahnhof im Hamburger Hafen: Die Passagiere der HANSEATIC blicken auf die Pier, ein Empfangskommitee steht bereit, und der Kapitän der EUROPA, Mark Behrend, eilt herbei – um mehr zu erfahren von der großen Reise
An Bord der HANSEATIC herrscht eine faszinierende Stimmung, eine seltsame Mischung aus Glück und Wehmut, Bedauern und Stolz. Man sieht den Passagieren förmlich an, dass sie sich schwer tun, ihre Kabinen zu verlassen. Rund vier Wochen waren sie auf dem Schiff, haben eine Reise erlebt, die so vor ihnen noch kein Mensch gemacht hat – das ist ein so ungeheuerlicher Satz, dass man ihn eigentlich fett und unterstrichen publizieren müsste, mit vielen Ausrufezeichen versehen –, es war eine Reise, die Passagiere und Crew zusammen geschweißt hat, eine Reise, von der man noch lange, sehr lange zehren wird. Eine Reise, die so profan doch nicht einfach enden darf.
Auch viele Mitglieder der Crew wirken noch ganz “woanders”. Diese Redewendung beschreibt auf sehr schöne Weise, wie man selbstverständlich dazu in der Lage ist, konzentriert und professionell seinen Job zu erledigen, und dass man doch so einen eigentümlichen Glanz im Gesicht hat. Und als wir uns bei denen erkundigen, die in den vergangenen Tagen für den PASSAGEN BLOG über diese Nordostpassage berichtet haben, wie es denn war, da erhalten wir als Antwort oft erst “großartig”, “fantastisch”, “sensationell”. Doch dann kommt eine Pause, ein kurzes Sich-Sammeln, und schließlich winken sie ab: “Es ist alles noch so frisch.” Oder: “Fragt später noch einmal.” Und: “Man kann das nicht so einfach beschreiben…”
Gruppenbild mit Karte: Nicht mehr alle, die als Autoren und Fotografen über die Nordostpassage mit am PASSAGEN BLOG gewirkt haben, sind an Bord. Das Foto zeigt Matthias Mayer, Hajo Spitzenberger, Thilo Natke, Karl J. Pojer, Claas Stanko, Trixi Lange-Hitzbleck – und die rot gepunkteten Positionen der HANSEATIC auf ihrem Weg von der Beringstraße in die Barents-See
Inzwischen hat sich eine größere Runde eingefunden an Bord der HANSEATIC. Mark Behrend, der Kapitän der EUROPA ist gekommen, um den Kollegen Thilo Natke zu beglückwünschen. Karl Pojer, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, gratuliert “seinem” erfolgreichen Kapitän. Er lässt sich von ihm auf der Karte den Kurs zeigen, den das Expeditionsschiff in den vergangenen Wochen genommen hat. Fotos werden gemacht. Dann setzt sich der Geschäftsführer lachend in den Kommando-Sessel, eine sympathische Geste des Respekts. Er blickt hinaus über die glitzernde Elbe und sagt: “Es ist toll, was Sie und Ihr Team geleistet haben.” Man spürt, dass das nicht einfach ein Satz für das Protokoll ist.
Später treffen wir Thilo Natke in seiner Kabine hinter der Brücke. Es ist ein kleines Reich, viele nautische Bücher stehen hier, Karten liegen auf dem Tisch. Schon seit Jahren, so der Kapitän, sei die Nordostpassage ein Thema für die Expeditionsschiffe von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, quasi seit der ersten erfolgreichen Durchfahrung der Nordwestpassage fragte man sich, ob man nicht auch den anderen großen Seeweg angehen solle. Doch erst vor drei Jahren fiel die Entscheidung, den Versuch wirklich zu wagen. Warum es so lange gedauert hat? Der Aufwand ist ungleich größer, schon allein wegen der Sprache. Englisch könne jeder, das mache es leichter mit den Behörden Kanadas zu kommunizieren. Für die Nordostpassage musste alles ins Russische übersetzt werden. Zudem liegen weniger Informationen über das Seegebiet vor. Natke hat die Pilotbooks durchgearbeitet, in denen die Gewässer, Anlandungsmöglichkeiten und wenigen Häfen beschrieben werden, er hat Berichte und Blogs im Internet studiert. Etwa 720 Seekarten haben er und seine Nautiker gekauft, rund 200 haben sie dann tatsächlich verwendet. Nur mal zum Vergleich: Für die etwa gleich-weite Reise von Bremerhaven nach New York brauche man etwa 50 Seekarten…
Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise: Thilo Natke hat seit mehr als 15 Jahren das Kommando über die HANSEATIC, die sich im Hafen von Hamburg auf die nächste Fahrt vorbereitet – rund um England. An Deck erinnern noch die Fotos, die zum Teil auch schon im PASSAGEN BLOG publiziert wurden, an die erfolgreich absolvierte Nordostpassage
Es ist für einen Kapitän ein großes Privileg, eine solche Reise machen zu dürfen. Und jeder, der bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten das Kommando führt über ein Schiff, wäre gern der erste gewesen auf der Nordostpassage. Thilo Natke ist bereits seit 22 Jahren auf der HANSEATIC und seit 15 Jahren Kapitän des besonderen Expeditionsschiffes. Er ist ein ruhiger, sehr besonnener Mensch, der sich gründlich vorbereitet. Drei Jahre hat er an dieser Fahrt gearbeitet. Nicht durchgängig, Tag für Tag. Aber immer wieder. Und er sagt, dass es für ihn sehr wichtig war, zu wissen, dass er das absolute Vertrauen des Unternehmens hatte. “Noch nie wurde diese Route von einem Schiff befahren. Ich habe immer gesagt, der Weg ist das Ziel, und es kann sein, dass wir umkehren müssen.”
Jetzt liegt die Reise hinter ihm, und er hat einen weiteren Rekord für sein Schiff errungen: So weit nach Norden ist noch kein Kreuzfahrtschiff vorgedrungen. Auf die Frage, was ihn am meisten beeindruckt hat, nennt Kapitän Natke denn auch “Phi Max”, das Erreichen des nördlichsten Punktes bis fast auf 86 Grad nördliche Breite. Besondere Umstände seien dafür verantwortlich gewesen, eine ungewöhnlich große, eisfreie Zone. Dann spricht er von den Kaps, die sie umfahren haben, die eigentlich nur geographische Punkte seien, aber doch einen gewissen Mythos hätten, und das habe man spüren können. Thilo Natke erzählt von den einfachen Siedlungen am Polarkreis, von der Natur und der Weite. Dann macht er eine Pause: “Es sind Tausende von Eindrücken. Was wir gesehen haben, war spektakulär. Es braucht Zeit, all das zu verarbeiten.”
Hapag-Lloyd Kreuzfahrten-Parade: Hintereinander verlassen HANSEATIC und EUROPA den Hamburger Hafen. Gute Reise!
Die Autorinnen und Autoren, Fotografinnen und Fotografen:
David Fletcher. Seit mehr als 45 Jahren arbeitet er als Wissenschaftler und Teilnehmer diverser Expeditionen in der Arktis. Er bietet Exkursionen für junge Leute an und Touren für Reisende. Diesen extremen Teil der Welt zu verstehen und verständlich zu machen, das ist sein Lebensinhalt. Für Hapag-Lloyd Kreuzfahrten ist er seit mehr als 21 Jahren tätig, meist als Experte – oft aber auch als Bärenwächter, dessen Aufgabe es ist, für die Sicherheit der Reisenden zu sorgen.
Brigitte Fugger. Seit 32 Jahren unterwegs als Studienreiseleiterin und seit 22 Jahren als Lektorin auf Expeditions- und Kreuzfahrtschiffen hat sich Brigitte Fugger der Erkundung der Tier- und Pflanzenwelt unserer Erde verschrieben. Das Spektrum ihrer Vortragsthemen reicht von der Plattentektonik bis zu den Seevögeln, von den Walen über die Tropenpflanzen bis zu den Haien, vom Eisbär über die australische Fauna bis zum Pinguin, von der Qualle bis zum Kolibri.
Franz Gingele. Expeditionsleiter und Experte für Geologie. Er wuchs in den Oberstdorfer Alpen auf, studierte Geologie, Glaziologie und Klimatologie in Erlangen und promovierte am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Als Lektor und Expeditionsleiter bereiste er alle Kontinente. Seit 2000 ist er an der Universität Canberra in Australien als Wissenschaftler in den Forschungsbieten der Meeresgeologie und Klimaforschung tätig.
Steffen Graupner. Der studierte Geophysiker, Geologe und Vulkanologe forscht über die aktiven Vulkane Südamerikas. Seine Entdeckerlust führte ihn in zahlreichen Reisen nach Kamtschatka, Tschukotka, Kirgistan, Tadschikistan, Afghanistan, Südamerika, Indonesien und Ostafrika. Zudem ist Steffen Graupner leidenschaftlicher Bergsteiger und ein passionierter Fotograf. Für Hapag-Lloyd Kreuzfahrten ist er seit 2011 aktiv.
Trixi Lange-Hitzbleck. Ihr Großvater war Kapitän. Deshalb begann sie früh, auf Segelschiffen zu jobben. Die gelernte Hotelkauffrau und studierte Amerikanistin wollte eigentlich Botschafterin werden. Doch nach dem Studium entdeckte sie ihre Leidenschaft für die See neu, fährt seit 1996 vor allem auf der BREMEN und der HANSEATIC. Es gibt kaum einen Hafen der Welt, den sie nicht kennt. Die Bezwingung der Nordostpassage ist einer ihrer großen Träume.
Thilo Natke. Der gebürtige Niedersachse ist seit 34 Jahren auf den Weltmeeren zu Hause. Nach Einsätzen auf Frachtschiffen hat er 1990 zum ersten Mal auf einem Kreuzfahrtschiff Polarluft geschnuppert. Das hat seinen weiteren Berufsweg entscheidend geprägt. Seit 1999 ist er Stammkapitän der HANSEATIC und hat fast jeden Winkel der Welt bereist. Sein Herz hängt an den Polargebieten, mehr als 150 Expeditionsreisen stehen inzwischen in seinem Seefahrtsbuch.
Frauke Nehmiz. Geboren im wunderschönen Göttingen wuchs sie fern der See mit drei Geschwistern auf. Trotzdem trat schon im Alter von 13 Jahren ihr Interesse für die Seefahrt zu Tage. Sie beschloss, Nautik zu studieren und die Welt kennen zu lernen. Das Studium führte Frauke Nehmiz an die amerikanischen Küsten. Danach fuhr sie erst auf Tankschiffen, bis sie zu Hapag-Lloyd Kreuzfahrten kam. Von ihr erhalten wir so oft als möglich die “Meldung von der Brücke”.
Dr. Christine Reinke-Kunze. Die Journalistin, Autorin und promovierte Publizistikwissenschaftlerin hat für zahlreiche Rundfunksendungen alle Kontinente bereist. Dabei stellte sich ihre Vorliebe für die Polarregionen heraus. Ihre Erlebnisse hat sie in mehr als 20 Büchern verarbeitet. In den vergangenen Jahren wurden zudem Russland, China und die Mongolei weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit. Sie begleitet MS HANSEATIC und MS BREMEN seit deren Indienststellung.
Sylvia Stevens. Ihre Reisen führten die gebürtige Schottin zu den Pinguinkolonien der Antarktis und zu den Walrossherden der Arktis, sowie zu vielen anderen Zielen. Als Naturforscherin hält sie seit 25 Jahren ihre Vorträge auf Schiffen und leitet Expeditionen, etwa zu den Eisbären in Kanada und auf die Galapagosinseln. Ihr enormes Interesse und ihre Begeisterung für die Natur, den Umweltschutz und die Tierwelt vermittelt sie den Menschen mit fundiertem Fachwissen und großem Enthusiasmus.