City-Guide: 10 Tipps für 2 perfekte Tage in.... HAVANNA
Havanna – die bunte Hauptstadt Kubas, die letzte und wohl einzige lebensfrohe Metropole des realexistierenden Sozialismus. Von der Promenade Malecón ist es nur ein Katzensprung zum Luxushotel „Saratoga“ (1) und zum Gran Teatro de La Habana (6). In den sonnendurchfluteten Bars gibt es feine Drinks, und ein Restaurant wie „La Cocina de Lilliam“ überzeugt nicht nur mit seiner Küche, sondern auch mit einem wunderschönen Garten (3); Fotos: ©Lutz Jäkel
+++ÜBERNACHTEN+++
1. Schräg gegenüber dem Capitolio, dem einstigen Sitz des kubanischen Repräsentantenhauses und Senats bis zur Revolution unter Fidél Castro, verbirgt sich hinter einer klassizistischen Fassade das Luxushotel Saratoga. Es steht am Paseo del Prado, der Ende des 18. Jahrhunderts nach Madrider Vorbild angelegten Prachtpromenade. Auf ihr flanieren, skaten und flirten heute vor allem junge Habaneras und Habaneros. Im Frühjahr 2016 hatte der Modeschöpfer Karl Lagerfeld hier seine Models über den Catwalk laufen lassen. Das Saratoga gehört zu den exklusivsten Hotels der Altstadt. Es wurde 1930 errichtet und war die Adresse für den Jetset als Havanna noch vor allem in der Hand der US-Amerikaner und für sündiges Nachtleben berühmt war. 2005 wurde das Hotel aufwändig renoviert. Auf der Terrasse mit eleganter Bar und Swimming-Pool genießt man bei Cuba Libre oder Mojito den einzigartigen Blick auf Altstadt, Capitolio und das Barrio Chino, die Chinatown Havannas, unübersehbar mit ihrem Drachentor.
2. Die Fassaden bröckeln seit Jahrzehnten, und es wird Jahrzehnte dauern, bis La Habana Vieja, die Altstadt Havannas, instand gesetzt ist. Mit UNESCO-Geldern versucht man das Weltkulturerbe (seit 1982) zu retten. Es gibt viele architektonische Juwelen zu entdecken. Eine davon ist das Hotel Raquel in einer ruhigen Gasse zwischen Plaza de San Fransisco und Plaza Vieja gelegen. Es beeindruckt mit barocker Fassade und Ankunftshalle mit Säulen, überspannt von einem Buntglasbaldachin. 1905 vom venezolanischen Architekten Naranjo Ferrer als Textilwarenhaus entworfen, wurde es bald zum Hotel. Biblische Porträts an den Wänden erinnern an das Judentum auf Kuba. Das Hotel, die Bar – „Jardín del Edén“ (Garten Eden) – und die Zimmer tragen alttestamentarische Namen. Von den Balkonen und der Dachterrasse geht der Blick auf das Gewirr der Altstadtgassen. Das Hotel gehört zur Firma „Habaguanex“ des Stadthistorikers Eusebio Leal, sie investiert sämtliche Erlöse ihres Geschäfts in die Sanierung der Altstadt.+++
+++ESSEN+++
3. Es muss nicht immer La Habana Vieja sein. Nehmen Sie ein Taxi und fahren Sie nach Miramar, dem eleganteren Stadtteil mit vielen Villen und Botschaften. Ihr Ziel: La Cocina de Lilliam, „die Küche von Lilliam“. Es ist das Reich von Lilliam Dominguez Palenzuela, die 72-jährige ist Kubas erste und damit dienstälteste Besitzerin eines „Paladar“. So heißen die privaten, fast ausschließlich familiengeführten Restaurants. Hier kocht meist die Mama, die Kinder sind im Service, der Mann ist der Manager, soll heißen: „Mädchen für alles“. So auch bei Lilliam als sie 1994 anfing. Damals, in der so genannte Periodo Especial, erlaubte Fidel Castro den Kubanern ein bisschen Privatwirtschaft. Viele Kubaner ergriffen die Initiative. Auch Lilliam, bis dahin Modedesignerin. Mit Mode konnte man kein Geld verdienen in Kuba. Aber mit einem Restaurant. Inzwischen gilt es als eine der gefragtesten Adressen Havannas und ist längst mehr als ein Familienbetrieb. In der Küche arbeiten nur Frauen, Lilliam steht jeden Tag selbst am Herd. Ihr Haus mit seinem wunderschönen Garten ist ein kleines Paradies. Unbedingt probieren: Garbanzos fritos, gebratene Kichererbsen mit Speck und Paprika, Lilliams Klassiker!
4. Dass man mit einem Restaurant mehr Geld verdienen kann als in anderen Branchen, beweisen auch Julio und Iskra mit La Casa de Julio. Auf einem kleinen Schild heißt es: „Julio, man weiß nicht, ob du ein kochender Chirurg bist oder ein operierender Koch!“ Der Chirurg Julio hat viele Jahre in einem Krankenhaus in leitender Funktion gearbeitet, war Dozent an einer Hochschule. Iskra ist Logopädin. Als die Eltern krank wurden, mussten sie feststellen, dass ihre Gehälter nicht ausreichten, um sie zu pflegen. Daher führen sie jetzt im kleinen Fischerdorf Baracoa am Rande Havannas ein winziges wunderschönes Fischrestaurant: drei (!) Tische, direkt am Wasser, und doch verdienen beide mehr als einst im Krankenhaus. Die Logik des kubanischen Sozialismus. Darüber lässt sich trefflich philosophieren bei Julios großartigem Meeresfrüchteeintopf oder seiner gebratenen Languste.+++
+++AUSGEHEN+++
5. Was wäre Havanna ohne Musik? Noch immer gibt es das legendäre „Tropicana“, das mit dem Moulin Rouge in Paris oder dem Cirque de Soleil verglichen wird. Es bietet eine nach wie vor beeindruckende Tanz-, Variete- und Akrobatikshow mit viel Rhythmus, knallbunten sehr engen Kostümen und knisternder Erotik. Wenn man wissen möchte, wo die Habaneros tanzen, muss man in eines der beiden Casas de la Música gehen, entweder in Centro Habana, also der Innenstadt, oder im Stadtteil Miramar. In beiden Clubs gibt es jeden Abend Live-Musik, oft treten Größen der kubanischen Musikszene auf, man bekommt ohne große Probleme Tickets an der Abendkasse. Für uns Europäer sind die Preise moderat, vor allem wenn man bedenkt, was geboten wird: erstklassige Live-Musik in kubanischem Flair. Aber Vorsicht: Sitzenbleiben und nur Zuhören ist unkubanisch, Mittanzen ein Muss. Alle, zusammen, im Rhythmus oder ohne. Egal.
6. Die Lust am Tanzen nehmen Kubaner mit der Muttermilch auf. Doch nicht nur Salsa oder Rumba sind angesagt, auch in der Klassik zählen kubanische Tänzer zur Weltklasse. Das beweist regelmäßig das kubanische Nationalballett unter Primaballerina, Ballettdirektorin und Choreografin Alicia Alonso im Gran Teatro de La Habana García Lorca. Das 1915 eröffnete Gebäude steht gegenüber dem Capitolio, direkt am Prado. Der französisch-kubanische Schriftsteller Alejo Carpentier bezeichnete das neobarocke Theater als „eine riesige, schneeweiße Geburtstagstorte.“ Hier, wo einst Enrico Caruso mit seinen Arien die feine Gesellschaft verzauberte, werden auch Opern aufgeführt. Das 2015 umfangreich sanierte Teatro erstrahlt wieder sahneweiß – und wird nach Einbruch der Dunkelheit mit LED-Licht illuminiert.+++
+++ERLEBEN+++
7. Kuba ohne Che? Geht nicht. Und ganz viel Che gibt es auf dem Kunsthandwerksmarkt Almacenes San José, nur etwa 15 Minuten zu Fuß vom Kreuzfahrtterminal entfernt Richtung Bahnhof. Che als T-Shirt, Che auf Taschen und Tassen, Che als Kette und ganz neu im Programm seit 2016: Che und Obama zusammen auf diversen Gemälden und Collagen. Und tatsächlich findet man hier nicht nur alle erdenklichen Souvenirs, sondern auch schöne Bilder zeitgenössischer kubanischer Künstler.
Extra-Tipp: Auf dem Weg zum Markt kommt man noch an zwei legendären Wegmarken vorbei: am Museo del Ron Havana Club in einem prächtigen Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert, in dem man alles Wissenswertes über den legendären Rum erfährt, einschließlich Verkostung der verschiedenen Jahrgänge. Wenn man auf den Geschmack gekommen ist, kann man gleich daneben in der Bar Dos Hermanos (Zwei Brüder) weiterschlürfen. Sie gilt als die „legendärste Kneipe des Hafenviertels“, schon Kubas berühmtester und zeitgenössischer Schriftsteller Leonardo Padura lässt seinen Helden Mario Conde aus dem Zyklus „Havanna Quartett“ dort regelmäßig einkehren.
8. Wie viele Kubaner Anhänger der afrokubanischen Religion Santería sind, ist nicht bekannt. In der Mangelwirtschaft Kubas hoffen viele offenbar auf die Hilfe der Götter und die Ratschläge der Santeros, der Priester. Die Santería dient auch als sozialer Puffer, was ein entscheidender Grund sein dürfte, warum sie im sozialistischen Kuba nie verboten wurde. Nicht wenige Kubaner sind überzeugt, dass selbst Fidel Castro ein Anhänger ist. Der Tanz der Götter spielt eine große Rolle, den man hautnah – im wahrsten Sinne des Wortes – erleben kann, wenn man in Centro Habana von der Calle Aramburu in die Callejón de Hammel einbiegt. In dieser kleinen Gasse treffen sich regelmäßig die besten Rumberos der Stadt, verkörpern die verschiedenen Götter der Santería und entfachen ein wahres Feuerwerk an Rhythmen durch kräftige Perkussion und Gesang. Bestärkt werden sie in ihrer Ekstase durch die Wandmalereien, die Salvador González an die Hauswände malte, und die Gottheiten der Santería zeigen. Es fließt viel Rum. Und viel Schweiß.+++
+++CAFÉS+++
9. Eines der schönsten Cafés von La Habana Vieja liegt an einem der schönsten Plätze der Stadt, am Plaza Vieja. Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt, diente er als Marktplatz. Den säumen barocke, zweigeschossige Herrschaftshäuser, alle inzwischen restauriert, und weitere Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, allesamt mit Säulenportalen. Im Café El Escorial röstet man den Kaffee selbst und bietet pfiffige Kreationen an: Der Mojicafé ist eine Mischung des Cocktails Mojito mit Kaffeelikör, und Miss Ochún eine Mischung aus Espresso, Rum und Bananenlikör. Benannt ist dieser Kaffee nach der Santería-Göttin Ochún, der Göttin der Fruchtbarkeit, Liebe und Schönheit. Ihre Symbolfarbe ist Gelb – daher der Bananenlikör. Wer lieber Bier statt Kaffee trinkt, kann gleich gegenüber auf der anderen Seite des Platzes in der Factoria Plaza Vieja selbst gebrautes und frisch gezapftes kubanisches Bier trinken. Die Kubaner lieben es und lassen es sich gleich in ein Meter hohe und gekühlte Tuben auf den Tisch stellen.
10. Wer noch einen weiteren idealen Ort für People-Watching sucht – sogar mit Blick auf die weiße Marmorstatue des Nationalhelden und Dichters José Martí auf dem Parque Central – der ist im Café an den Arkaden des Hotel Inglaterra direkt am Prado bestens aufgehoben. 1875 wurde dieses Hotel eröffnet und ist damit das älteste der Stadt. Hier trafen und treffen sich gerne Literaten. An den Tischchen sitzen allerdings auch auffallend aufreizend gekleidete junge Damen, die stundenlang an einem Getränk nippen. Das nur als Hinweis. Es sollte einen nicht davon abhalten, bei gutem Kaffee die Kuchenspezialität des Hauses zu probieren: Tres leches, eine kalorienbombige Sahnetorte. Buen Provecho! Guten Appetit.+++
Santería heißt eine auf Kuba weit verbreitete Religion. Man wendet sich an Götter und Geister, in der Hoffnung, dass sie einem beiseite stehen im nicht immer leichten Alltag. Mag sein, dass manchen der Alkohol als Ersatz-Religion dient, um den Rum betreibt man jedenfalls fast einen Kult, es gibt sogar ein Ron Havana Club-Museum (7). Die Küche des Landes nährt die Menschen in vielerlei Hinsicht, das winzige Fisch-Restaurant „La Casa de Julio“ (4) hat nur drei Tische, doch damit verdient sein Inhaber mehr als in seinem gelernten Beruf – Julio ist Chirurg
von Dayami Grasso und Lutz Jäkel (Text und Bild)
Die Sängerin Dayami Grasso und der Fotograf Lutz Jäkel sind vielen Gästen von Hapag-Lloyd Cruises vertraut: Mit ihrer Band „Dayami and Company“ spielt die in Kuba geborene Sängerin oft an Bord der EUROPA 2 – und ist auch bei der Kreuzfahrt nach Havanna an Bord. Der Fotograf und studierte Islam-Wissenschaftler gibt Workshops und hält immer wieder Vorträge auf den Schiffen. Zusammen haben beide soeben ein neues Projekt gestartet, das musikalische Multimedia-Koch-Format „The Taste of Havana“. Und unseren CITY GUIDE verfasst.