Facelift EUROPA 2: Halbzeit im Dock Nummer 10
Facelift EUROPA 2. Niemand kennt sein Schiff so genau wie der Kapitän. Doch gibt es selbst für ihn Momente, von denen er weiß, die sind selten. Einen erlebt Ulf Wolter jetzt. Er kniet, den Rücken gebeugt, den weiß-behelmtem Kopf eingezogen, vor einer Wasserlache und zeigt nach oben in einen der Seekästen. „Wir befinden uns direkt unter der Mitte des Schiffs“, ruft er gegen den Lärm der Arbeiten an, „über uns die EUROPA 2 – 21.000 Tonnen schwer.“
Facelift für das Luxusschiff. Die Hälfte der ersten Werftzeit der EUROPA 2 ist vorbei. Und das Team des PASSAGEN BLOGs erhält eine Schiffsführung. Vor einer Woche hat Kapitän Wolter die Uniform mit den vier goldenen Ärmelstreifen in den Schrank gehängt und gegen einen weißen Overall getauscht. Seine neue Aufgabe: Koordinator, Organisator, Schlichter, Diplomat. Wir treffen den Kapitän vor der Schiffsbesichtigung auf der Brücke. Unzählige Rettungswesten stapeln sich vor dem Brückenfenster, von dem aus man sonst einen großartigen Blick über das Meer hat. Während der Werftzeit ist alles anders. Hinter den Schwimmwesten die Skyline von Hamburg.
Der Schwerpunkt beim Umbau liegt auf den Familiensuiten, dem Restaurant Sakura und der Sansibar. Doch wenn man auf das Schiff kommt, präsentiert sich die gesamte, zuletzt noch so luxuriös erlebte EUROPA 2 als Baustelle. Man hat den Eindruck, überall wird gearbeitet. Böden und Wände sind abgeklebt, Teppiche zum Teil herausgerissen, Treppenstufen abgestemmt, Handläufe wurden demontiert, Kunstwerke entfernt. Sägen kreischen, Bohrer rumoren, Handwerker in vielen Sprachen argumentieren – polnisch, spanisch, italienisch, französisch, deutsch. Ein kreatives Babylon.
„Wie finden Sie sich zurecht in diesem Durcheinander?“ fragen wir Kapitän Ulf Wolter. Der nimmt noch einen Schluck Tee aus seiner Pinguin-Tasse. Dann sagt er, in der ihm eigenen, norddeutsch-ruhigen Art: „Ich finde, es läuft alles recht gut und ordentlich ab.“ Und dann bittet er uns, ihm zu folgen auf einer Tour durch die EUROPA 2.
Es geht vorbei an Pflanzenkübeln, die aneinander gerückt auf dem Pooldeck stehen wie eine Herde Pferde bei einem Gewitter. Beim Gehen muss man ständig ausweichen, über Baumaterialien und Werkzeuge tänzeln, nach oben schauen, auf geöffnete Luken achten. Wir erreichen das Sakura. Komplett ausgeräumt. Handwerker sägen und schneiden Bodenfliesen. Wir treffen Jochen Hagen von Cubik3, das Architekten-Team ist spezialisiert unter anderem auf den Innenausbau von Hotels und Kreuzfahrtschiffen, ein langjähriger Partner von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Hagen sagt, stimmiger werden solle das Restaurant, in dem man ein großartiges Sushi bekomme, in der Anmutung asiatischer. Es würden neue Raumteiler eingesetzt und andere Farben als im angrenzenden Restaurant Yachtclub. Kaum vorstellbar, dass man hier in einer Woche schon wieder essen können soll.
Was mit der Sansibar geschehe, wollen wir vom Architekten wissen. Er führt uns ein Deck nach unten. Man kann schon die Veränderungen sehen, die Sitzmöbel aus stilisierten Weinkisten, die Deckenbeleuchtung aus halbierten Weinflaschen, der Fußboden – eine Intarsienarbeit, die das Symbol der Sansibar zeigt, zwei sich kreuzende Säbel, zum Kürassieren einer Weinflasche… Aber noch ist es eher eine Ahnung der später fertigen Bar. Wie weit man sei mit den Arbeiten, wollen wir vom Architekten wissen, er sagt gut 50 Prozent sind geschafft. Nach der Hälfte der Zeit ist das kein dickes Polster, oder? Doch Jochen Hagen wirkt entspannt. „Ich finde, es läuft alles recht gut und ordentlich ab.“
Sicherheitsschuhe an den Füßen, Helme auf den Köpfen, stehen wir mit Kapitän Wolter in einem der Crew-Aufzüge. Auch im Crew-Bereich wird überall gearbeitet. Der Aufzug hält auf Deck 3. Wir verlassen das Schiff. Über ein Treppengerüst geht auf den Boden des Docks. Ulf Wolter erklärt, dass man den Rumpf schon gereinigt habe und dass jetzt Ausbesserungsarbeiten anstünden, etwa an der Birne, wie die Wulst am Bug heißt, und in der sich besonders viel Algen und Muscheln festsetzen.
Die Ankerketten liegen neben dem Schiff. 250 Meter, unterteilt in zehn Schäkel, die immer ein weißes Kettenglied markiert, ebenfalls überholt. Am Ende liegt der Anker. Sieben Tonnen schwer. Die Ankertaschen werden noch ausgebessert, dafür wurde eigens ein Gerüst am Schiff errichtet, über uns kreischen die Flex-Maschinen.
Vom Bug in Richtung Heck gehen wir den Rumpf ab, über uns das Schiff, rund 40 Meter hoch. Der Schlingerkiel, eine Art Schürze, reduziert die Rollbewegungen. Desgleichen tun die Stabilisatoren. Fünf Meter lange Unterwasserflügel, die auf offener See hydraulisch ausgefahren werden. Sie wurden demontiert und gewartet und werden gerade wieder eingebaut. Dafür haben die Werftarbeiter kurzerhand „Augen“ auf die Stahlkonstruktion geschweißt, um sie mit dem Kran hoch zu heben. Jetzt fliegen die Funken, die Ösen müssen wieder weg.
Wir stehen nun unter den Schrauben, ganz am Heck des Schiffes. Die hängen in großen, 360 Grad drehbaren Gondeln. Es sind Elektromotoren, hergestellt von Rolls Royce. Ihre Besonderheit: Die Propeller zeigen nicht, wie bei den meisten Schiffen, in Richtung Heck, sondern zum Bug. Die EUROPA 2 wird nicht durch die Meere geschoben, sie zieht dahin. Und passt das nicht auch bildlich viel besser zur Art, wie man mit diesem Schiff reist? Gerade bauen die Techniker neue Dichtungsringe ein, ein besonders umweltfreundliches Schmierfett kommt zur Verwendung.
Jetzt führt uns Kapitän Wolter unter das Schiff zum eingangs beschriebenen Seekasten, durch den Seewasser angesaugt wird, etwa zur Kühlung der Generatoren. Immer mehr muss man sich bücken. Bis man ihn schließlich erreicht, den perfekten Ort für mulmige Gefühle. Auf rund 150 Pallen ruht das Schiff. Und kippt nicht, weil es seitlich ebenfalls von ein paar wenigen dieser Holz-Stahl-Stützen gesichert wird. 21.000 Tonnen…
Durch Wasserlachen und Funkenflug geht es zurück ins Schiff. Auch wenn uns die Großbaustelle mit ihren 500 Arbeitern aus unzähligen Ländern, mit den ständig piependen Maschinen und den durch den Himmel tanzenden Kränen noch immer wie eine kakophone moderne Oper vorkommt, so haben wir doch einiges verstanden von der Inszenierung. Und als Ulf Wolter sagt, dass etwa die Hälfte der Arbeiten geschafft sei, stimmen wir im Chor mit ein, als er hinzu fügt: „Ich finde, es läuft alles recht gut und ordentlich ab.“
Auf dem Weg zur nächsten Besprechung übergibt uns der Kapitän zum Mittagessen an Küchenchef Martin Ohlemann. Zum Teil gähnend leer ist dessen Reich. Nur an einer Position stehen einige Köche aufgereiht, eine wilde Mischung von Vertretern aus allen EUROPA 2-Outlets – Yachtclub, Sakura, Taragon und Serenissima –, bilden sie eine Fertigungsstraße für Königsberger Klopse. 1.500 Stück müssen gemischt, portioniert und gerollt werden. Und in all dem Gewusel scheint das Team von Ohlemann vor allem eins zu haben: Spaß an der Arbeit.
Sie kochen gern. Und geben sich viel Mühe für die rund 500 Werftarbeiter, die in der Messe der EUROPA 2 essen. Und die ein Amuse Geule bekommen, eine frisch gekochte Suppe, frisch gebackene Brötchen, frischen Salat mit einem eigens angerührten Dressing, Pasta mit Gemüse, von Hand gemachtes Kartoffelpürree mit Bratwurst, gegrillten Fisch, frisch gebackene Kuchen. Küchenchef Ohlemann: „Die Arbeiter sollen sich bei uns wohl fühlen. Nachmittags gibt es selbstverständlich Gebäck.“ Er lächelt ruhig. Es ist ein Luxusschiff, ein Schiff mit Haltung. Das ist spürbar. Selbst in Momenten wie diesen. Es läuft alles gut und ordentlich ab.
Hier finden Sie weitere Informationen zur EUROPA 2 und den nächsten Reisen mit dem Fünf-Sterne-plus-Schiff. Und dies ist der Link zum ersten Beitrag über das Facelift der EUROPA 2.