Transpazifik mit MS BREMEN: Mythos Osterinsel
Transpazifik mit MS BREMEN: Mythos Osterinsel. Diese besondere Seereise – quer durch die Weiten des Pazifiks – nimmt ihren Ausgangspunkt auf Rapa Nui. Über ihren Besuch und über unser Wissen von dieser entlegenen Welt berichten Nadine Armbrust und Ole Stapelfeld im PASSAGEN BLOG
von Ole Stapelfeld (Text) und Nadine Armbrust (Text und Fotos)
Transpazifik mit MS BREMEN: Mythos Osterinsel. Am frühen Nachmittag erreicht MS BREMEN die Westseite von Rapa Nui, wie die Osterinsel offiziell heißt. Hier endet eine Reise von 2.990 Seemeilen (5.537 km). Wir liegen vor Hanga Roa und freuen uns auf abwechslungsreiche Ausflüge auf der Insel. Mit dem Zodiac werden wir an Land gebracht. Am ersten Tag lernen wir die wichtigsten Moai Statuen kennen, besuchen den Steinbruch Rano Raraku, in dem die sagenumwobenen Statuen mühevoll „hergestellt“ wurden. Noch heute kann man hier ca. 400 Standbilder sehen, die nie ihren Bestimmungsort erreicht haben oder auf dem Weg dahin kippten. Und noch heute ist es ein Mysterium, wie es hier einst zugegangen sein muss.
Wir lernen viel über den Mythos Osterinsel, über die Geschichte, die Einheimischen und ihre Traditionen, und wir besuchen neben dem Ahu Tahai-Komplex, den „sehenden Moai“, auch den Ahu Tongariki, 15 Moais die an der Küste stehen und ins Landesinnere schauen. Am zweiten Tag auf Rapa Nui besuchen wir die legendäre Stätte des Vogelmanns Orongo, eine Höhle und lernen noch mehr über die Insel. Eine wahrlich mystische Welt offenbart sich uns. Und viele nehmen sich vor, noch einmal her zu kommen.
Doch was wissen wir über die Geschichte dieses mythischen Ortes? Rapa Nui bedeutet ‚sehr abgelegen‘. Die wahrscheinlich abgelegenste, besiedelte Insel der Welt ist ein „Fragiles Freilichtmuseum“, liegt außerhalb der Tropen, etwa auf der Höhe von Lüderitz (Namibia) und Brisbane (Australien). Pitcairn ist die nächstgelegene bewohnte Insel und 2.075 km entfernt. Rapa Nui bildet das südöstliche Extrem des polynesischen Dreiecks, das sich von hier bis nach Neuseeland und Hawai’i aufspannt. Die Insel hat ihre Entstehung einem hot spot auf der Nazca-Platte zu verdanken, der einen mittelozeanischen Rücken geschaffen hat, dessen höchste Gipfel Rapa Nui und das kleine Felseiland Sala-y-Gómez (391 km entfernt) aus dem Meer herausragen.
Rapa Nui bestand aus zwei Vulkaninseln, die bei wiederholten Ausbrüchen des Maunga Terevaka zu einer Insel verbunden wurden. Die drei Vulkane und deren parasitäre Kegel prägen bis heute das Landschaftsbild der Insel, die außerdem von einem weit verzweigten Netz an unterirdischen Lavatubes (Hohlräume aus leergelaufenen Lavaflüssen) durchzogen ist. Das Klima ist subtropisch: Der Sommer ist vom Südostpassat bestimmt, warm und sonnig, während im Winter die Westwindzone wiederholt Tiefdruckgebiete bringt, dann sinken die Monatsmittelwerte der Temperatur auf unter 20° Grad Celsius. Im Tagesverlauf ist das Klima sehr wechselhaft: Sonne, Wolken und kurze Schauer wechseln sich meist ab – was neben einer recht grünen Landschaft auch für dramatische Stimmungen und Sonnenuntergänge sorgt.
Als zwischen 400 und 1200 nach Christus die ersten polynesischen Siedler ankamen, gedieh auf der Insel ein üppiger Wald aus einer endemischen Palme, die der Chilenischen Honigpalme sehr ähnlich war. Die zunächst nachhaltigen Formen der Bewirtschaftung und Extraktion erlaubten ein starkes Bevölkerungswachstum, das die Menschen zur Intensivierung der Landwirtschaft zwang. In dieser Zeit der Kulturblüte (bis circa 1650) wurden bis zu 1.000 Moai aufgestellt, die höchstwahrscheinlich eine Weiterentwicklung der polynesischen Tikis darstellen – auf Zeremonialplattformen wurde hier jahrhundertelang ein aufwendiger Ahnen- und Götterkult betrieben.
Sie alle wurden aus einem einzigen Steinbruch am Rano Raraku (im Inselosten) geschlagen und mit Blick auf die Insel entlang der Küstenlinie aufgestellt. Bis heute konnte trotz vieler Theorien und Experimente nicht endgültig geklärt werden, wie die riesigen Steinfiguren transportiert werden konnten. Bei zunehmender Entwaldung degradierten weite Flächen der Insel. Ressourcenkonflikte mündeten in blutige Auseinandersetzungen. Ab 1500 kam außerdem der Vogelmannkult auf, der immer mehr in Konkurrenz zur Moai-Kultur trat und sich schließlich durchsetzte.
Mutige junge Männer mussten im Frühjahr die steilen Klippen des Rano Kau herunterklettern, circa einen Kilometer durch das vor marinen Räubern wimmelnde Meer schwimmen, die zerklüfteten Felsen von Motu Iti erklimmen und das erste Ei der hier brütenden Rußseeschwalbe unbeschadet an Land bringen – auf demselben Wege zurück! Diese schier übermenschliche Leistung erfordert viel Kraft, Geschick und Mut. Der erste Mann, der das Ei unbeschadet an Land bringen kann, wird zum Vogelmann erklärt, einem halbgottähnlichen Mischwesen aus dem verehrten Fregattvogel und dem Menschen. Dieser trägt ein großes Mana, woraus sich Herrschaftsansprüche ableiten.
Europäer kommen erst im frühen 18. Jahrhundert auf dieses abgelegene Stück Land, das seinerzeit bereits in eine Phase der kulturellen und naturräumlichen Dekadenz eingetreten war. Am Ostersonntag des Jahres 1722 erreicht Jakob Roggeveen die Insel und nennt sie Paasch Eylandt – Osterinsel. Alle weiteren Begegnungen mit Auswärtigen verlaufen für die Rapa Nuis äußerst unheilvoll: Es gibt viele Tote, Teile der Inselbevölkerung werden für die Arbeit auf Walfangschiffen und peruanischen Guanoinseln verschleppt. Ein französischer Schaffarmer verdrängt die verbleibende Inselbevölkerung, die sich nun nur noch in Hanga Roa aufhalten darf – Apartheid im eigenen Lande! Missionare und die wenigen überlebenden Heimkehrer von den Guanoinseln bringen Krankheiten, die Hunderte hinwegraffen.
Das Schicksal Rapa Nuis manifestiert sich in einer fast vollständigen Degradierung der Inselnatur, kompletter Zerstörung der Lokalkultur und genozidähnlicher Auslöschung der Inselbevölkerung. Seit 1888 ist das Territorium von Chile annektiert. Heute profitiert die Osterinsel von Transferleistungen vom chilenischen Festland. Unabhängigkeitsbestrebungen keimen immer wieder auf, sie sind jedoch zwiespältig zu betrachten: Rapa Nui hat außer dem Tourismus kaum wirtschaftliche Perspektiven und ist auf Nahrungsmittellieferungen und die Aufrechterhaltung der vergleichsweise guten Inselinfrastruktur angewiesen. Rapa Nui lebt vor allem vom Mythos Osterinsel.
weiterführende Links:
• Transpazifik mit MS BREMEN. Der Mythos Osterinsel
• weitere Expeditionskreuzfahrten mit MS BREMEN und MS HANSEATIC in den Pazifik