Expedition Antarktis: mit MS BREMEN zu den Süd-Shetlands
Expedition Antarktis: Pinguine und Wale, Eisberge und eine unfassbare Weite – von November bis Februar kreuzen MS BREMEN und MS HANSEATIC im Südpolarmeer. Im PASSAGEN BLOG begleiten wir die beiden Expeditionsschiffe von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auf ihren Reisen bis an den Rand des mystischen sechsten Kontinents
An Bord der kleinen Schiffe mit der höchsten Eisklasse, MS BREMEN und MS HANSEATIC, geht es im Südhalbkugelsommer von November bis Februar zu den besonderen Orten einer Reise in die Antarktis: Falkland Inseln, Südgeorgien und Süd-Orkney-Inseln, Süd-Shetland-Inseln, Antarktische Halbinsel und Weddellmeer, Südpolarkreis und Kap Hoorn. Reiseziele, die nachhaltig beeindrucken. Im PASSAGEN BLOG berichten Lektoren und Kapitäne, Fotografen und Gäste über ihre Erlebnisse im Ewigen Eis. Mit der BREMEN zu den Südlichen Shetlandinseln
Alpenglühn in der Antarktis: Elephant Island in der Abendsonne, gegen 22 Uhr
Ein Bericht von Dr. Hajo Lauenstein
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Auf See, Richtung Süd-Shetland Inseln+++Mittagsposition: 60°17’S, 51°41’W+++Luftdruck: 994 hPa+++Temperatur 2°C+++Wind 6 Beaufort NNW+++Sonnenaufgang: 02:43+++Sonnenuntergang: 20:51
Seetage eignen sich perfekt, das Wissen über die Reise zu den Inseln im Eis zu vertiefen. Mehrere Vorträge werden angeboten, im ersten geht es um die Eroberung der Antarktis. Am Nachmittag dann bereitet Dr. Franz Gingele auf die Anlandung auf Penguin Island vor. Es ist eine Vulkan-Insel, deshalb lautet der Titel des Vortrags „Feuer und Eis – Vulkane in der Antarktis“.
Es ist ein trüber Tag, bei Temperaturen um 0 Grad schiebt sich die BREMEN durch ein unerfreuliches Regen-Schnee-Nebel-Gemisch. Wir alle hoffen, dass das Wetter noch besser wird. Vor dem Abendessen erläutert Kapitän Roman Obrist die nur wenig Hoffnung machenden Aussichten für die nächsten Tage. Schon bald aber wird sich zeigen, dass die Wirklichkeit besser ist als die Vorhersage.
Inselgruppe im Südpolarmeer: die Süd-Shetland Inseln im Screenshot von Google Maps
Die südlichen Shetland-, bzw. Süd-Shetland Inseln erstrecken sich in langer Reihe vor der antarktischen Halbinsel, rund 500 Kilometer liegen zwischen South Island im Westen und Clarence Island im Nordosten. Unter den elf größeren Inseln sind Elephant im Nordosten, Greenwich und Deception Island in der Mitte sicherlich die bekanntesten. Obwohl die Inseln dem Antarktis-Vertrag unterliegen, erheben diverse Staaten Ansprüche, etwa Argentinien, Chile und Großbritannien. Für Kreuzfahrtschiffe gelten besondere Umweltauflagen.
Gegen 21 Uhr passieren wir Elephant Island. Hier hatten die Männer um Shackleton nach 492 Tagen auf Meer und Eis – und dem Verlust ihres Schiffs – zum ersten Mal wieder Land unter den Füßen. Hier mussten sie noch einmal mehr als vier Monate ausharren, bis sie schließlich vom chilenischen Schiff “Yelco” gerettet wurden.
Als wir während des Abendessens Elephant Island passieren, klart der Himmel auf. Scharf zeichnen sich die Felszacken gegen den Horizont ab. In der untergehenden Sonne leuchten die Schneefelder zartrosa. Eine Gruppe von Buckelwalen taucht direkt am Schiff auf. Antarktis pur. Und so gehen wir uns mit der Hoffnung schlafen, dass das Wetter für unsere Anlandung besser wird.
Gipfelstürmer: die Gäste der BREMEN auf Penguin Island
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Penguin Island, Halfmoon Island+++Mittagsposition: 62°12’S, 58°07’W+++Luftdruck 986 hPa+++Temperatur -1°C+++Wind 4 Beaufort WNW+++Sonnenaufgang: 03:21+++Sonnenuntergang: 22:14
Morgens um 05:30 Uhr steckt Penguin Island noch im Nebel, zu Beginn der Ausbootung, anderthalb Stunden später, bietet sich ein ganz anderer Anblick, die Sonne scheint, blau-weiß glitzern die Gletscher. Die Anlandung auf der Vulkaninsel ist nicht ganz ohne. Große Basaltblöcke liegen am Strand, dazwischen Eisbrocken, alles bedeckt von rutschigem Schnee. Doch es hält nur wenige Gäste davon ab, an Land zu gehen und den 100 Meter hohen Kraterrand zu erklimmen. Von da haben wir einen grandiosen Blick hinein in den Krater, in dem sich ein kleinerer Sekundärkrater befindet, ein Basaltpfropfen verschließt den Zentralschlot. Ein besonderer Einblick.
Viele Gäste gehen am Kraterrand noch etwas weiter, “ersteigen” den 180 Meter hohen Deacon Peak. Von da sieht man King George Island mit dem Turret Point, die zackige Felsspitze ist eine markante Landmarke in dieser eisigen Welt. Die Temperaturen sind gefallen. Das merkt man besonders am Kraterrand, wo einem der Wind um die Ohren pfeift. Auf dem Rückweg sehen wir noch einige Eselspinguine und zwei Weddellrobben, die sich im Schnee räkeln und kaum Notiz von uns nehmen. Gegen 11Uhr sind alle wieder an Bord.
Abgetaucht: Walfluke vor Elephant-Island
Doch zum Ausruhen bleibt kaum Zeit. Schon um 11:30 Uhr erläutert Expeditionsleiter Stefan Kredel die Anlandungen der nächsten zwei Tage. Scherzhaft erteilt er den Gästen ein 48-stündiges Schlafverbot, zum einen weil es nachts kaum dunkel werde, zum anderen weil wir nunmehr eine Landschaft durchqueren, die aus einer Aneinanderreihung von Highlights bestehe.
Zum Beispiel Halfmoon Island im Archipel der südlichen Shetlandinseln. Die namensgebende Inselform könnte zum Schluss verleiten, dass auch Halfmoon vulkanischen Ursprungs ist. Doch es besteht aus Graniten und Granodioriten, so genanntem Intrusivgestein, das sich in bizarren Felstürmen aus dem Meer erhoben hat.
Halfmoon Island ist die Heimat zahlreicher Seevögel, Dominikanermöwen und Küstenseeschwalben sind hier zu Hause. Auch eine Gruppe von Weißgesichts-Scheidenschnäbeln können wir im Sturmwind über den Brutplätzen der Pinguine beobachten. Tausende Zügelpinguine nisten hier und watscheln in kleinen Gruppen auf ihrer Pinguinautobahn ins Meer. Zurück tragen sie etwa taubeneigroße Steinchen zu ihren Nestern. Doch die werden von den Nachbarn meist sofort geklaut. Jeder beklaut hier jeden, statt niemand keinen. Es geht halt auch umständlich.
XXL-Landschaft: Neko Harbour bietet großes Kino für das kleine Expeditionsschiff
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Cuverville Island, Neko Harbour+++Mittagsposition: 64°41’S, 62°38’W+++Luftdruck 975 hPa+++Temperatur -1 °C+++Wind 0 Beaufort+++Sonnenaufgang: 02:56+++Sonnenuntergang: 23:02
Der Wetterbericht verhieß einen kalten Tag mit minus vier Grad. Doch kaum steigen wir in die Zodiacs, kommt die Sonne raus, und schon bald trägt man den Parka um die Hüften geschlungen. Die Anlandung auf Cuverville, das nicht zu den Süd-Shetland Inseln gehört, sondern zur Antarktischen Halbinsel, bietet keinerlei Schwierigkeiten. Wir haben die Wahl, die Eselspinguin-Kolonien auf der linken oder die auf der rechten Seite anzuschauen.
In allen Kolonien herrscht geschäftiges Treiben. Die ersten Eier sind gelegt und werden bebrütet. Skuas versuchen an diese Leckerbissen zu gelangen. Zunächst warten die Raubmöwen ab, bis nur noch ein Pinguin am Nest ist. Dann attackiert eine Skua von vorne. Der Pinguin ist abgelenkt und bewegt sich auf den Angreifer zu. Das ist der Moment, in dem die zweite Skua von hinten kommt und das Ei stibitzt. Das beide dann ohne jeden Kampf ausschlürfen. Während der Pinguin fassungslos auf sein leeres Steinnest schaut.
Zur Mittagszeit schiebt sich die BREMEN langsam durch den Errera Kanal mit seinen steilen Berghängen und den gestrandeten Eisbergen. Pinguine sprigen aus dem Wasser, über uns blauer Himmel. Langsam ist man nicht mehr glaubwürdig, wenn man erzählt, dass das normale Wetter in der Antarktis aus grauem Himmel und Nebel besteht. An einem grandiosen Tag ankern wir in Neko Harbour.
Wir wandern zum Aussichtspunkt, etwa 90 Meter über dem Meeresspiegel. Hört sich nicht viel an. Doch der Blick auf den Gletscher und die Anvord Bucht ist kaum zu beschreiben. Wir genießen die fast überirdische Stille. Plötzlich poltert mit lautem Getöse eine Lawine aus den Bergen auf den Gletscher. Einige große Stücke brechen ab und stürzen ins Meer. Eine Tsunami-Welle baut sich auf. Zwei Meter hoch läuft sie mit voller Wucht gegen den Strand. Alles wirbelt durcheinander. Pinguine wie Styroporkorken, Wasser, Steine, Sand und Eisbrocken schlagen da hoch, wo eben noch Zodiacs lagen und Gäste standen.
Und es zeigt sich, wie wichtig es ist, einen erfahrenen Expeditionsleiter zu haben. Sofort nach dem Getöse hatte Stefan Kredel zwei Zodiacs, die gerade anlegen wollten, vom Strand wegkommandiert und alle Gäste mit unmissverständlichem Tonfall ein paar Schritte hangaufwärts geschickt. Jetzt weiß man, wozu es gut war.
Echte Renner: Pinguine pesen durchs Wasser vor der Petermann Insel
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Port Lockroy, Petermann Insel+++Mittagsposition: 64°53’S, 63°40’W+++Luftdruck 979 hPa+++Temperatur 2 °C+++Wind 3 Beaufort NNW+++Sonnenaufgang: 02:57+++Sonnenuntergang: 23:09
Die kleine Bucht von Port Lockroy liegt an der Westseite der Wienke Insel, ist Teil des Palmerarchipels und gehört somit ebenfalls nicht zu den Süd-Shetland Inseln. Im Jahr 1943 schlugen die Argentinier einen mit Dokumenten versehenen Metallzylinder ins Gestein, um damit ihren Anspruch auf das Gebiet zu verdeutlichen. Als sie ein Jahr später wiederkamen, stand an gleicher Stelle eine britische Forschungsstation. Sie ist heute ein Museum.
Wir booten in Gruppen aus, jede hat 45 Minuten Zeit, um die Eselspinguine, das Museum und – ganz wichtig – den Souvenirshop zu besuchen. Hier gibt es eine wunderbare Karte von unserem Fahrtgebiet und die berühmten Base A Sweatshirts. Auch bei der Crew ein begehrtes Souvenir.
Später geht es vorbei am Doppelgipfel “Una’s Peak” in den Lemaire Kanalm eine Meerenge zwischen der Antarktischen Halbinsel und der Booth Insel. Direkt am südlichen Ende liegt Petermann Island. Wir besichtigen eine Kolonie Adelie Pinguine und einen besonderen Friedhof, einen Eisberg-Friedhof. Die Gewässer bei Petermann sind so flach, dass dort fast alle Eisberge auf Grund laufen und solange liegen bleiben, bis sie in kleinere Stücke zerbrechen und weiter treiben.
Hatten wir im Lemaire Kanal kaum Eis, so bereiten uns die von der Strömung an die Anlandestelle getriebenen Eisschollen echte Probleme. Das Ausbooten nimmt viel Zeit in Anspruch. Mit Petermann Island haben wir auch den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht: 65° 10′ Süd. So legen wir am frühen Abend ab und machen uns auf nach Deception Island.
Suchbild mit Zodiac: Die Felswände markieren die Einfahrt in die Caldera von Deception Island
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Telefon Bay, Deception Island+++Mittagsposition: 62°56’S, 60°38’W+++Luftdruck 980 hPa+++Temperatur 1 °C+++Wind 3 Beaufort WSW+++Sonnenaufgang: 03:21+++Sonnenuntergang: 22:14
Deception Island ist ein riesiger Vulkan, dessen Spitze aus dem Meer herausragt. Die hat einen Durchmesser von 14 Kilometern. Durch “Neptuns Blasebalg” fährt man in die Caldera hinein. Der Vulkan ist immer noch aktiv. Durch Lavaausbrüche und Schlammlawinen wurden schon mehrere Stationen zerstört, etwa die von Walfängern errichtete südlichste Trankocherei der Welt, deren Reste gut zu besichtigen sind. 1967 wurden die englische und die chilenische Station bei Pendulum Cove schwer beschädigt. Die von den Briten 1969 wieder aufgebaute Station wurde im gleichen Jahr vollständig durch Asche und Schlamm vernichtet. Den aktiven Vulkanismus sieht man – das eisige Wasser dampft am Ufer.
Wir unternehmen eine schöne Wanderung am Kraterrand entlang mit geradezu mystischen Ausblicken auf eine Welt aus Eis, die scheinbar alle Farben verloren hat. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie der Natur. Trotz aller Ergriffenheit kommt am Ende antarktische Lebenslust auf: Mehr als dreißig Gäste wagen bei Wassertemperaturen um minus ein Grad den polar plunge – und stürzen sich in die eiskalte See.
Beim anschließendem „Bremer Freimarkt“ kommen bei deftigen Speisen, Glühwein und anderen Getränken die Lebensgeister schnell zurück. Die BREMEN liegt noch in der Caldera, vor der malerischen Kulisse von Deception Island. Der Abend wird kalt und ist doch so schön, dass man sich manchmal zwicken muss.
Weißfahrt: Ausgestattet mit der höchsten Eisklasse für Passagierschiffe dringt die BREMEN weiter vor
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