Da bläst er! Lektor Axel Krack berichtet über seine Reise mit MS BREMEN zu den Walen der Antarktis
Da bläst er! Lektor Axel Krack berichtet über seine Reise mit MS BREMEN zu den Walen der Antarktis. Über Tiere, so groß wie ein Düsenjet, mit einem Herz von den Ausmaßen eines VW-Käfers. Und doch ist ihr Sozialverhalten dem des Menschen so ähnlich…
von Axel Krack (Text und Bild)
Lektor Axel Krack berichtet über seine Reise mit MS BREMEN zu den Walen der Antarktis: Da bläst er! So schallen auch heute noch die Rufe über das Deck, wenn ein Wal die Wasseroberfläche durchstößt, um zu atmen. Euphorie macht sich beinahe augenblicklich breit auf dem Schiff. Wie gebannt wird danach das Meer nach weiteren Regungen des Wals abgesucht.
Wale stehen ganz oben auf der „To do Liste“ der Reisenden. Eine Begegnung mit den großen Meeressäugern lässt alle anderen gewonnenen Eindrücke augenblicklich verblassen, seien es die mit den nahezu allgegenwärtigen Pinguinen, Seevögeln, Robben oder einfach der grandiosen Szenerie. Nahezu majestätisch kommt er daher dieser massige Körper. Jede Bewegung seines tonnenschweren Leibs scheint mit einer nahezu mühelosen Leichtigkeit vonstatten zu gehen. Eine Anmut, welche man so diesen Kolossen vielleicht nicht zutrauen würde.
Ein jeder träumt einmal von einer Nahbegegnung mit einem Wal, einem so genannten Encounter. Einmal seinen Atem zu spüren, einmal in das Auge dieses intelligenten Lebewesens schauen zu dürfen. Das ist jener Moment, welcher den Besucher der polaren Breitengrade für immer prägen wird, bis zum Ende seines Lebens.
Meist sind es die Buckelwale (Megaptera novaeangliae), welche uns in den eisigen Breiten willkommen heißen. Sie gehören zu den „zeigefreudigsten“ Waltieren. Andere Walarten nehmen häufig kaum Notiz von uns. Sie sind, wenn Sie so wollen, auf der Durchreise. Ein paar Blasfontänen, eine kleine Rückenflosse, dies ist alles, was wir zu Gesicht bekommen. Anders bei den Buckelwalen, sie sind teilweise sogar neugierig und kommen aus eignem Antrieb näher. Ab und an zeigen sie uns ihr besonderes Jagdverhalten, das so genannte „Bubblenet feeding“.
Abmessungen und Gewicht des Blauwals entsprechen dem einer Boeing 737, sein Herz hat die Größe eines VW Käfers
Dabei schwimmen die Wale, aus der Tiefe kommend, kreisförmig an die Oberfläche und lassen dabei Luft aus dem Blasloch entweichen, welche an die Oberfläche perlt. Die Beute, seien es Fische oder Kleinkrebse, durchschwimmen diesen Vorhang nicht. Die Wale können sich ihren Fang genüsslich einverleiben. Für uns ein unbeschreibliches Erlebnis. Insbesondere dann, wenn wir in den Schlauchbooten sitzen. In diesem Fall brauchen Sie keine großen Objektive, die Tiere sind quasi zum Greifen nah.
Der Blauwal (Balaenoptera musculus), er ist das mächtigste Lebewesen, welches auf diesem Planeten lebt. Seine Größe ist nahezu unvorstellbar. Keine der ausgestorbenen Dinosaurier-Arten kommt ihm auch nur annähernd gleich. In der jungen, durch den Menschen geprägten Geschichte des Südpolarmeeres stand er einst ganz oben auf der Liste der Walfänger. Sie kreierten sogar eine Einheit nach ihm – die Blauwaleinheit. Klein, ganz klein steht der Mensch in Relation zu ihm. Bis zu 35 Meter kann seine Körperlänge betragen, stattliche 190 Tonnen Lebendgewicht bringt er auf die Waage. In Relation zu den durch von Menschenhand geschaffenen Produkten entsprechen die Abmessungen und das Gewicht dem einer Boeing 737. Das Herz des Giganten besitzt die Abmessungen eines VW Käfers, jedoch mit einem Gewicht von drei Tonnen. Die tierischen Rekorde dieser Meeressäuger lassen sich beinahe endlos fortsetzen.
Der Pottwal (Physeter macrocephalus) erreicht Tauchtiefen von mehr als 3.000 Meter und kann länger als eine Stunde in dieser Dunkelheit ausharren. Das Öl des Spemacetiorgans ist selbst heute noch begehrt, auf Grund seiner spezifischen technischen Eigenschaften, welche nicht synthetisiert werden konnten. Einige Tropfen dieser Flüssigkeit haben unser Sonnensystem an Bord der Voyager Sonden verlassen. Dieses Organ ermöglicht es dem Meeressäuger, auf- und ab zu tauchen.
Viel beeindruckender jedoch ist das Sozialverhalten der Walarten. Sie führen ein überaus komplexes Familienleben, die Jungtiere werden von den Alttieren regelrecht geschult. Ihre Lautsprache ist überaus komplex und auch mit spezifischen Dialekten versehen. Sie sind sogar Komponisten. Männliche Buckelwale verbringen viel Zeit damit, regungslos in der Wassersäule zu verharren, um stundenlang ihre Gesänge zu intonieren. Wale besitzen ein ausgeprägtes Gefühlsleben. Mehr noch, sie besitzen sogar Empathie. Das heißt, sie können die Gefühle anderer – auch artfremder Lebewesen, etwa Menschen – empfangen und reflektieren. Sie stehen uns vielleicht näher, als wir wahrhaben wollen.
Die durchschnittliche Lebenspanne der Wale entspricht, in der Regel, der eines Menschen. Mehr noch, Grönlandwale erreichen ein nahezu biblisches Alter von bis zu 240 Jahren. Es ist daher beinahe unvorstellbar, dass der Mensch in den vergangenen Jahrhunderten, diesen imposanten Lebewesen in einer ungeheuerlichen Weise nachgestellt hat. Unsere industrielle Revolution wurde auf dem Rücken dieser Tiere ausgetragen. Ja sogar die mächtigste Nation unserer Tage – die Vereinigten Staaten von Amerika – hat ihre Gründung teilweise den Walfängern von New Bedford und Nantucket zu verdanken. Deren Handeln entsprang auch die wohl bekannteste Novelle aller Zeiten – Moby Dick. Hermann Melville veröffentlichte ein Werk, welches uns die Sinnlosigkeit dieses menschlichen Handelns vor Augen führen sollte. Insgesamt wurden zwischen 1904 und 1998 fast 1,5 Millionen Wale im Südpolarmeer geschossen. Seinen traurigen Höhepunkt erreichte der Walfang in der Antarktis 1937/1938 mit 46.039 getöteten Tieren.
„Es gibt keine Torheit der Tiere auf Erden, welche der Irrsinn der Menschen nicht unendlich weit übertrifft…“ (Herman Melville)
Beides bekommt der Besucher der polaren Breitengrade vor Augen geführt, Wale und den Walfang. Dabei ist es eigentlich unerheblich, ob man die nördlichen Breitengrade der Arktis oder das Südpolarmeer aufsucht. In beiden Regionen kann man die Hinterlassenschaften des Walfangs nicht übersehen. Jedoch scheinen uns die Wale zu verzeihen. Eine Großmut, welche wohl ihrer Körpergröße entspricht. So kann der Reisende sich immer noch an dem Besuch der Buckelwale, Zwergwale und Schwertwale erfreuen. Seien Sie also dabei, wenn es in die Schlauchboote geht, das Erlebnis Ihres Lebens wartet da draußen, zwischen den Eisschollen des Südpolarmeeres – der Wal. Es müssen jedoch nicht immer die Riesen der Ozeane sein, auch das „Spiel“ der Delfine mit dem Schlauchboot kann zu einem beeindruckenden Erlebnis werden.
Es gilt aber auch an dieser Stelle eine Lanze zu brechen, für all die Männer, welche hier einst in den eisigen antarktischen Gewässern um ihr Leben gekämpft haben und als Nebenprodukt den antarktischen Kontinent für uns mit entdeckt haben. Viele Entdecker, wie Ernest Shackleton, oder Amundsen profitierten von den Karten und vom Wissen dieser Walfänger. Wir sollten auch nicht vergessen, warum sie den Tieren nachstellten, weil wir in Europa die Produkte dieser Industrie benötigten und kauften. Heute ist all dies jedoch Geschichte. Und die Hinterlassenschaften dieser Industrie sind auf Südgeorgien und Deception Island dem Zahn der Zeit preisgegeben. Sie sind Mahnmale menschlicher Unvernunft. Daher ist es für uns umso schöner, wenn sich die Möglichkeit bietet, die Riesen der Ozeane ein Stück weit begleiten dürfen, auf unserer Reise nach Terra australis incognita – der Antarktis.
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