Expedition Wrangelinsel und Tschuktschen-Halbinsel
Neuland betreten! Selbst für erfahrene Entdecker geht es auf dieser Reise mit MS HANSEATIC an unbekannte Orte: Die Expedition beginnt in Nome, Alaska, und führt von da über die Beringstraße an die Küste Russland, an viele Orte, die vor einiger Zeit noch Sperrgebiet waren. Lesen Sie die Berichte von Expeditionsleiterin Christine Reinke-Kunze und Kapitän Carsten Gerke
Ein Bericht mit Beiträgen von Expeditionsleiterin Christine Reinke-Kunze und Kapitän Carsten Gerke
30. Juli 2014 +++ Nome – King Island. Die HANSEATIC startet zu ihrer Reise nach Tschukotka und zur Wrangel Insel. Um 7.00 Uhr Ortszeit in Nome verlässt das Schiff die Pier des kleinen alaskanischen Hafens und erreicht am Vormittag King Island. Diese Insel im Beringmeer liegt westlich der Seward-Halbinsel von Alaska. King Island ist etwa anderthalb Kilometer lang und besteht aus einem rund 200 Meter hohen Felsen, sie wurde 1778 von Kapitän James Cook “entdeckt”. Bis vor einigen Jahren wohnten hier noch rund 200 Inupiat. Seit den 1950er Jahren zogen immer mehr Bewohner nach Nome, seit 1970 ist die Insel gänzlich verlassen. Wohnhäuser, Kirche und Schulgebäude verfallen. Wir passieren ganz langsam die Geisterstadt.
Zur großen Freude der Passagiere zeigen sich zahlreiche Grauwale vor der Insel, die sich von Bord aus gut beobachten lassen, zumal Kapitän Carsten Gercke die HANSEATIC behutsam immer wieder in hervorragende Positionen steuert. Es ist deutlich zu erkennen, dass unter den Tieren auch einige Weibchen mit ihren Kälbern sind, die in unmittelbarer Nähe der Mütter bleiben. Ihr synchrones Schwimmen ist schön zu beobachten. Ein großartiger Auftakt der Reise! Christine Reinke-Kunze
1. August 2014 +++ Providenija. In kurzer Zeit hat MS HANSEATIC in der russischen Hafenstadt Providenija einklariert, und die Passagiere begeben sich auf ihren ersten Landgang. Rund 2000 Menschen leben in der Siedlung an einem Fjord an der Beringstraße, die meisten von ihnen sind Angehörige des Stammes der Yupik. Und man begrüßt uns mit einer Folkloreveranstaltung im Kulturhaus, die jungen Künstler zeigen das ganze Spektrum ihrer musikalischen Kultur. Beeindruckt zeigen sich die Passagiere auch vom liebevoll eingerichteten lokalen Museum. Am Nachmittag steht ein Ausflug in die Slawyanka Bucht auf dem Programm. Es ist eine erste Begegnung mit der Pflanzenwelt in diesem Teil der Welt, unweit der Datumsgrenze. Christine Reinke-Kunze
2. August 2014 +++ Lorino. Am Morgen werden wir im kleinen Ort Lorino mit einer Folkloredarbietung am Strand begrüßt. Die Einwohner haben Souvenirstände aufgebaut und bieten einheimische Speisen an, die die Besucher begeistert probieren. Wettfahrten mit den Hundeschlitten werden vorgeführt, und es gibt die Möglichkeit, die sehr seegängigen Boote Einheimischen auf einem See zu testen. Ein Landausflug voller heiterer Momente. Kaum hat die HANSEATIC am frühen Nachmittag die Reede von Lorino verlassen, ist sie einmal mehr umzingelt von zahlreichen Grauwalen. Christine Reinke-Kunze
3. August 2014 +++ Neshkan. Folklore steht auch auf dem Besuchsprogramm des kleinen Ortes Neshkan. Nur selten kommen Fremde hierher und entsprechend groß ist die Freude bei den Einheimischen. Neshkan wurde 1950 im Zuge der Bestrebungen der damaligen Regierung gegründet, die indigene Bevölkerung in wenigen, dafür größeren Ansiedlungen zusammenzuziehen. Noch heute spielt die Haltung von Rentieren für die Bewohner von Neshkan eine Rolle, allerdings befinden sich ihre Herden im Sommer mehr als 100 Kilometer entfernt. Am Nachmittag liegt die HANSEATIC in der landschaftlich schönen Kolyuchinskaya Bay. Christine Reinke-Kunze
4. August 2014 +++ Kolychin. Natur pur steht am Vormittag auf dem Programm der HANSEATIC. Am frühen Morgen wird vor Kolychin Island, einer Insel 111 Kilometer vor der Nordküste der Tschuktschen Halbinsel, eine Zodiactour unternommen. Atemberaubend die gewaltige Schar von Seevögeln an der felsigen Küste der von Menschen unbewohnten Insel: Kormorane, Dickschnabellummen, Horn- und Schopflunde umschwirren die Zodiacs. Da das Wetter gut ist, kann anschließend noch eine Anlandung auf der Insel unternommen werden. Dabei ergab sich für die Gäste die Möglichkeit, die 1987 verlassene Wetterstation zu besuchen. Heute stehen dort nur noch verlassene Holzhütten. Spektakulär der landseitige Blick auf die Vogelfelsen. Es ist der erste Besuch von Passagieren und Besatzung der HANSEATIC auf dieser einsamen Insel.
Am Nachmittag steuern wir das Dorf Vankarem an. Einmal mehr kommt es zu herzlichen Begegnungen zwischen den Passagieren und den hier lebenden Tschuktschen und Yupik. Am Abend liftet die HANSEATIC den Anker und nimmt Kurs auf die Wrangel-Insel. Ostrow Wrangelja – so der russische Name in europäischer Schreibung – gilt als nördlichstes Weltnaturerbe der UNESCO. Es ist eine verblüffende Welt, nur rund 2000 Kilometer vom Nordpol entfernt, mit einer durchschnittlichen Jahreshöchsttemperatur von minus 8,5 Grad. Fossilienfunde belegen, dass dort einst das Wollhaarmammut lebte… Christine Reinke-Kunze
6. August 2014 +++ Wrangelinsel. Wir sind auf dem Weg in eines der unwirklichsten Gebiete der Erde: die Wrangelinsel. Gelegen in der Tschuktschen See, ist sie im Winter fest im Griff des nördlichen polaren Eises.
Es geht von der Tschuktschen Halbinsel zügig nach Norden. Die seit einigen Tagen vorherrschenden Süd-Ost Winde haben das Seegebiet südlich der Insel eisfrei geweht, nur kurz vor der Bukhta Dragi – einer Bucht im Osten der Insel und unser erstes Ziel – stoßen wir auf das erste Eis. Große schwere Schollen werden von der südlichen Dünung umspült, und es ist nur eine Frage der Zeit bis auch diese weiter aufbrechen.
Die lokalen Ranger des Nationalparks werden an Bord genommen. Und dann ist es soweit, nach kurzer Abspache setzen wir ersten Fuß auf die Wrangel Insel. Frische Eisbärenspuren im Strand. Die Hoffnung, dieses stolze Tier beobachten zu können, ist bei allen geweckt…
Später lässt es die Eissituation zu, dass wir den gewonnenen Tag nutzen und noch am frühen Abend, gegen 18 Uhr, zu einem „Abstecher“ aufbrechen: zur Insel Herald. 35 nautische Meilen weiter östlich von Wrangel gelegen ist diese Insel normalerweise fast unmöglich zu erreichen. Als erstes westliches Schiff wollen wir die Gunst der Stunde nutzen. Nach einer vierstündigen Überfahrt hebt sich der immer wieder auftretende Nebel vollends – und gibt den Blick frei auf die Herald Insel.
Um 22 Uhr heißt es lass fallen Anker im Schutze der Insel. Es wirkt wahrlich unfassbar: wir sind an einem letzten Ende dieser Welt angekommen. Morgen früh, nach ruhiger Nacht, gilt es diese zu erobern… Wir sind Entdecker im Jahre 2014! Kapitän Carsten Gerke
7. August 2014 +++ Wrangelinsel. Nach dem Besuch von Herald Island erreicht MS HANSEATIC am Abend des 6. Augusts wieder die Wrangelinsel. Anfangs herrschte noch dichter Nebel. Doch an den folgenden Tagen wurde das Wetter sehr schön, es herrschte strahlender Sonnenschein, und bei sommerlich warmen Temperaturen begaben sich die Passagiere auf ihre Landgänge. Höhepunkte waren zahlreiche Eisbärensichtungen. So zeigte sich der König der Arktis an Land oder auf Eisschollen und konnte sogar vom Schiff aus sehr oft gut beobachtet werden. In der vergangenen Nacht, gegen 3 Uhr, schwamm ein Tier ganz nah an das Schiff heran. Für die wenigen, die das live sehen konnten, war es eine besondere Begegnung.
Am Donnerstag startete MS HANSEATIC zu einer kurzen Fahrt ins Eis weitab der Wrangelinsel. Und im Verlauf des Nachmittags haben wir eine sehr stimmungsvolle Zodiactour zwischen Eisschollen unternommen – an einem ungewöhnlich warmen Sommertag jenseits des Polarkreises. Christine Reinke-Kunze
8. August 2014 +++ Wrangelinsel. Der Tag bot für die Passagiere zwei schöne Anlandungen. Den Vormittag verbrachten sie an der Westküste, am Kap Blossom. Es ist ein sehr exponierter Ort mit einer Polarstation, die bekannt geworden ist durch die Arbeit des russischen Eisbärenforschers Nikita Ovsiannikov. Am Kap Blossom lagern gelegentlich auch große Gruppen von Walrossen. Während unseres Aufenthalts am Kap Blossom wurde ein Mammutknochen gefunden. Gegen Mittag fuhr MS HANSEATIC durch einen breiten Treibeisgürtel, man sichtete zwei Eisbären.
Am Nachmittag unternahmen wir am Kap Florens eine letzte Anlandung. Bei strahlendem Sonnenschein fuhren die Zodiacs an Land, und wir unternahmen einen Standspaziergang. Die Passagiere waren fasziniert von der Tundra unweit des Strands mit ihren zahlreichen, zarten Pflanzen, selbst wenn sie fast verblüht waren. Der arktische Sommer ist nur kurz! Anschließend setzte MS HANSEATIC setzt ihren Weg fort. Noch einmal bahnte sie sich den Weg durch einen Eisgürtel. Zur Freude aller zeigte sich eine Eisbärin mit ihrem Jungen in unmittelbarer Nähe des Schiffs.
10. August 2014 +++ Kap Deschnew. Nach einer recht stürmischen Fahrt erreichte die HANSEATIC das Kap Deschnew, den östlichsten Punkt des russischen Festlands. Eine Anlandung war wegen des stürmischen Wetters nicht möglich. Als Höhepunkt des Tages konnten wir eine Schule von neun Orcas beobachten, die offenbar versuchten, einen Grauwal zu jagen.
Am späten Abend gingen wir in Litke Harbour an Land, das ist eine verlassene Eskimosiedlung. Und es war das erste Mal, dass das Schiff diese Ecke der Welt besucht hat. An Land besichtigten wir einige alte Holzhäuser, gestrandete Boote, zahlreiche Wal- und Walrossknochen, die von umfangreichen Jagdaktivitäten zeugen. Christine Reinke-Kunze
11. August 2014 +++ Diomede-Inseln. Mit zwei zauberhaften Tagen neigt sich die Reise der HANSEATIC dem Ende zu. Am Montag wurde den Passagieren eine Zodiactour bei den Diomede-Inseln angeboten. Diese liegen mitten in der ca. 90 Kilometer breiten Bering-Straße und wurden 1728 vom dänischen Kapitän in russischen Diensten, Vitus Bering, während seiner ersten Expedition entdeckt. Der Name der Inseln ist abgeleitet aus dem orthodoxen Kalender, sie wurden am Tag des Sankt Diomedes gesichtet. Die größere Insel, auf vielen Seekarten eher un-orthodox als Big Diomede bezeichnet, bildet den östlichsten Punkt des russischen Territoriums, dort heißt sie Ratmanov Insel (Ostrov Ratmanova).
Little Diomede Island gehört zu den USA und wird von ca. 250 Inuits bewohnt, die hauptsächlich von Fischerei, Wal- und Robbenjagd leben. Der Abstand zwischen den Inseln beträgt knapp drei Kilometer. Beide sind als große Walross- und Seevogelkolonien bekannt. Die HANSEATIC ankert vor Big Diomede, und trotz bewegter See gibt es eine Zodiacfahrt in die Nähe einer Gruppe von Walrossen (leider war es so wellig, dass kein richtig scharfes Foto glückte, dennoch zeigt es eindrucksvoll, wie die Tiere leben). Einige Walrosse sind auch im Wasser und beobachten neugierig die Schlauchboote.
12. August 2014 +++ Yttigran. Am Dienstag erreicht die HANSEATIC die nordwestlich vom Kap Chaplino vor der Küste der Tschuktschen-Halbinsel liegende Insel Yttigran. Das gebirgige Eiland ist 13 Kilometer lang, fünf Kilometer breit. Sie ist bekannt für ihre „Walknochen-Allee“. Es gibt bis heute Anlass zu Spekulationen über die Bedeutung dieser markanten Anordnung der Knochen: War es ein ritueller Ort für die früheren Bewohner? Möglicherweise ein guter Platz für die Verarbeitung von Walen? Die Passgiere von MS HANSEATIC haben den Besuch dort mit der schönen Landschaft und der zauberhaften Pflanzenwelt genossen. Es war die letzte Anlandung in Tschukotka. Am frühen Abend wurde der Hafen von Providenija erreicht, wo das Schiff ausklariert wurde. Mittelweile ist MS HANSEATIC auf dem Weg zurück nach Nome, wo diese Reise enden wird. Christine Reinke-Kunze