Expedition Zukunft: HANSATIC nature – Werftbesuch
Expedition Zukunft. Im BLOG begleiten wir die Entstehung der neuen Schiffe von Hapag-Lloyd Cruises – einzelne Bauphasen, Einrichtungs-Details, Überführung, erste Tests. Noch 180 Tage bis zur Taufe des ersten Schiffs der neuen Expeditionsklasse. Ein Werftbesuch zum Stand der Dinge in Norwegen…
Plötzlich donnern Hammerschläge durch den Schiffsrumpf. Und werden zum Rhythmus für den Groove der Lüfter. Darüber erheben sich das Singen der Schleifmaschinen und die Soli der Schweißer. Für einen Moment klingt all das fast harmonisch – die Symphonie der Werft, in der die HANSEATIC nature entsteht.
Der raue Sound passt zur Landschaft des Tomrefjords mit ihren dramatischen Bergen und dem wilden Wolkenspiel. Im tiefdunklen Wasser schwimmt das Baudock der Vard-Werft, hier entsteht das erste Schiff der neuen Expeditionsklasse. Der rote Rumpf wird überdacht von einem hohen Hallendach, nur der Bug spitzt hervor. Als wäre das Schiff bereits ungeduldig. So unvermittelt wie er aufkam, endet der zauberhafte Moment. Und die Symphonie der Werft klingt wieder ganz unromantisch nach konzentrierter Arbeit.
Im Herbst 2018 ist doch einiges an Abstraktionsvermögen erforderlich, wenn man vor dem Neubau der HANSEATIC nature steht und sich vorstellen will, wie das Schiff aussehen wird. Noch sind mehrere Gangways angelegt, überall Gerüste, angeschweißte Plattformen, verklebte Fenster. Man muss schon etwas Abstand gewinnen, um sich an der eleganten Linie des 138 Meter langen Schiffs zu erfreuen.
Hat man die Erlaubnis, sich das Schiffsinnere anzusehen, braucht man einen Helm, Sicherheitsschuhe, eine Schutzbrille. Und viel Aufmerksamkeit. Momentan sind fast 800 Arbeiter an Bord. Überall wird intensiv gearbeitet. Kabel und Rohre werden verlegt, Zwischenwände gestellt, Decken abgehängt, Böden gedämmt. Es wird geschweißt, geflext, gehämmert. Und in jedem Bauabschnitt sprechen die Arbeiter eine andere Sprache. Norwegisch, Schwedisch, Deutsch, Englisch, Polnisch, Italienisch, Französisch.
Ein modernes Schiff zu bauen, ist ein hoch-arbeitsteiliger Prozess. Unternehmen verschiedener Länder sind auf einzelne Gewerke spezialisiert. Monteure aus aller Welt werden vom Projekt-Management der Vard-Werft koordiniert. Dem Neubau-Team von Hapag-Lloyd Cruises obliegt das Controlling. Unter der Leitung von Henning Brauer geht es darum sicherzustellen, dass alle Arbeiten so sauber durchgeführt wurden, dass das Schiff in einem einwandfreien Zustand seinen Besitzer wechselt.
„Bei cirka 70“, antwortet Henning Brauer auf die Frage, bei wie viel Prozent das Gesamtprojekt HANSEATIC nature gerade steht. „Wohlgemerkt: Ich rechne von Anfang bis Ende – von der ersten Zeichnung bis zur Abgabe.“ Doch habe jedes der Gewerke seinen Stand: Der Generator für den Antrieb ist bereits eingebaut, die meisten Leitungen sind vorhanden, ein erster Probelauf könne im Dezember erfolgen. Im Hanseatrium dagegen lege man erst noch die Kabel.
Die größte Herausforderung sei momentan, die Abläufe so zu planen, dass sich die Arbeiter nicht gegenseitig behindern. Es gebe eine kritische Masse, sagt Brauer, der schon den Bau der EUROPA 2 begleitet hat. „Würde man hier mehr als 1.200 Arbeiter einsetzen, käme es sicherlich zu Problemen.“ Der Leiter des Neubau-Teams steht im weißen Helm und grauem Overall über dem mit einer Krawatte akkurat geschnürten Hemd vor dem Schiff. Eine beeindruckende Dynamik und Betriebsamkeit erfüllt die Luft. Und während dieser überkomplexe Arbeitsplatz mit seinen vielen Gewerken für so manchen ein Alptraum wäre, kann Henning Brauer seine Begeisterung nicht verhehlen. „Ich liebe es.“
In den nächsten Beiträgen lassen wir uns die Maschine zeigen und eine der Besonderheiten des Schiffes – das Konzept „Save Return Home“, für das alle relevanten Systeme des Antriebs in doppelter Ausführung und unabhängig voneinander bestehen, so dass die HANSEATIC nature in einem Notfall sicher einen Hafen anlaufen könnte. Wir erfahren auf dem Lido-Deck, warum effiziente Abläufe im Service am Ende vor allem dem Gast dienen. Wir „testen“ einige Highlights des Schiffes. Und das IT-Team erklärt, weshalb man bewusst auf bestimmte Features der Digitalisierung verzichtet hat. Es verrät viel über das Selbstverständnis eines modernen Kreuzfahrtanbieters…
Text: Dirk Lehmann, Fotos: Susanne Baade