E2MAG-Kolumne: Martina Wimmer macht (k)ein Selfie vor...

Datum: 31.05.2015
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…der Golden Gate Bridge

Das Selfie ist das Urlaubsfoto DreiNull, inzwischen sogar mit künstlichem Arm – dem Selfie-Stick. Unsere Kolumnistin, die Autorin und Mare-Redakteurin Martina Wimmer, erinnert sich an ihr liebstes Urlaubsfoto. War es nicht auch ein Selfie? Für ihre Kolumne reist sie der EUROPA 2 voraus, um abzuwägen, ob sich eine Sehenswürdigkeit für ein Selfie eignet. Wir begleiten sie zur Rialto-Brücke in Venedig, in die Morakot-Höhle auf Koh Mook, in den Großen Basar von Istanbul, zum Feuer speienden Stromboli und vor die Golden Gate Bridge

Man kann nichts für die banalen Traumbilder seiner Jugend. Bei mir war es die Golden Gate Bridge, ein Foto vom Sehnsuchtsort, versteckt in etwas, das wir damals ‚Federmäppchen’ nannten. Ein Symbol für alles, von dem die bayerisch-katholische Provinz, in der ich aufwuchs, so weit entfernt war, wie die Bibel Seiten hat. Selbstbestimmung, Abenteuer, ein Versprechen an mich selbst: Ich würde eines Tages in einem roten Cabriolet über die Brücke cruisen. Nach dem ersten Liebeskummer kam noch Gloria Gaynors „I will survive“ als imaginierter Soundtrack dazu.

Ich konnte nicht ahnen, dass der Herr, mit dem ich schließlich über die Brücke fuhr, mir ebenfalls das Herz brechen würde. Und ich bin froh, dass das Foto von mir, mit der Brücke im Hintergrund, davon nichts ahnen lässt, sondern nur das Glück zeigt und die Freude darüber, endlich am richtigen Ort zu sein. Ich bin außerdem froh darüber, dass die U.S. Navy sich bei der Farbgebung der Brücke nicht durchgesetzt hat. Sie wünschte sich das legendäre Bauwerk aus Gründen der Sicherheit und Sichtbarkeit schwarz-gelb gestreift. Doch die Architekten setzten sich durch und schenkten ihr das warme „International Orange“, weil es so schön mit Landschaft, Himmel und Meer harmoniert. Mit meinem Lippenstift auf dem Foto übrigens auch.

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Im Grunde beginnt jede Reise mit einem Bild im Kopf: ein märchenhafter Strand, ein berühmtes Gebäude, ein idyllischer Ort. Dazu eine Hoffnung, die sich festhakt und verifiziert werden will. Aus der ein Urlaubsplan wird und ganz viel Vorfreude. Dann kommt schließlich die Erfüllung. Ein großer Moment. Der aber auch ein erschreckend kurzer Moment ist. Deswegen, Moment mal, lass uns ein Foto machen. Der Strand, das Gebäude, der Ort unterscheidet sich auf der persönlichen Verewigung nicht maßgeblich von dem Bild, mit dem alles angefangen hat. Nur das Licht ist oft schlechter, man ist ja kein Profi. Im Vordergrund aber ist man selbst zu sehen. Als müsste man sich vergewissern, wirklich da gewesen zu sein.

Es ist wohl der allzu menschliche Versuch, sich dem Lauf der Zeit entgegenzustemmen und der Vergänglichkeit. Weil einen die unvermeidliche Metamorphose einer freudigen Erwartung in eine weitere Erinnerung ja auch ein wenig melancholisch machen könnte. Damit wir nicht zu lange darüber nachgrübeln, hat der liebe Gott das Smartphone und damit das Selfie in die Welt gebracht. Nun fotografieren wir uns immer und überall selbst, damit jeder auf allen Netzwerken sehen kann, wie lebendig wir sind. Mal ganz ehrlich: Das Grundproblem wird so nicht gelöst. Und wenn wir nicht aufpassen, werden die großen Momente dadurch immer kleiner. Weil jedes Bild nur noch flüchtiges Dokument ist und die Geschichte dazu seltsam egal. Ich mache, wie jeder, zu viele Fotos auf Reisen. Und weiß dabei: die meisten werde ich selten bis nie wieder ansehen. Dafür ist das Bild von der Golden Gate Bridge noch heute in meinem Portemonnaie. Weil es mir erzählt, warum ich immer wieder aufbrechen will.


Das Selfie ist das Urlaubsfoto DreiNull. Die Autorin, Mare-Redakteurin und E2MAG-Kolumnistin Martina Wimmer eilt der EUROPA 2 voraus und wägt ab, ob es sich lohnt, ein Selfie zu machen vor… Sie wollen lieber sich selbst vor einer spektakulären Brücke fotografieren? Im September 2016 geht es mit der EUROPA 2 nach New York.

Foto: Christian Mehlführer